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Ausgabe:

1878 Nr. 16

Spalte:

391-392

Autor/Hrsg.:

Nowack, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die assyrisch-babylonischen Keil-Inschriften und das Alte Testament 1878

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 16.

392

Königszeit (S. 264 f.) und die Bemerkungen über Hos.
1—3 und Mich. 7 hervorheben.

Die grofse Darftellungsgabe des Verf. kommt erft
in den drei letzten Abfchnitten des Buches zu ihrer
vollen Geltung. Man darf wohl hoffen, dafs diefel-
ben in diefer neuen Bearbeitung mehr Lefer finden
werden als das bisher vermuthlich der Fall gewefen
ift. Der werthvollftc unter ihnen ift natürlich der
über die Textgefchichte, aus dem nicht nur Studenten
lernen werden. Man fühlt fich befonders dadurch
angenehm berührt, dafs der Stoff überall mit Rückficht
auf feinen praktifchen Werth behandelt ift. Freilich
verfolgt W. diefen Gefichtspunkt z. Th. in einfeitiger
Weife. Methodifch confcquent mag es fein, dafs er am
Schlufs nur eine Gefchichte der ATI. Wiffenfchaft ftatt
des AT's. giebt; aber unter diefer Folgerichtigkeit hat
die Sache gelitten. Es find auf die Art manche Dinge
ausgefallen, die freilich das Verftändnifs des AT's. nicht
unmittelbar fördern, aber trotzdem in einem Handbuch
der ATI. Einleitung ftehn müffen. Es wäre zu wünfehen,
dafs W. das, was er jetzt als Anhang giebt, in Zukunft
wieder an den Anfang ftellte und in der eben angedeuteten
Rückficht mit der Einleitung zufammenarbeitete.
Etwas gröfsere Ausführlichkeit diefes Abfchnitts wäre
aufserdem wünfehenswerth.

Uebrigens mufs man W. vorwerfen, dafs er zu fub-
jectiv gefchrieben hat. Was anderswo ein Vorzug, ifl in
Lehrbüchern ein Fehler. Ich meine nicht, dafs W.
fich in gewagten Behauptungen ergangen habe. Im
Allgemeinen tritt vielmehr das Raifonnement fehr hinter
der Einzelbeobachtung zurück, die im fchlimmften Fall
auch dem Studenten das Correctiv an die Hand giebt.
Auch finde ich nicht, dafs die Manier des Verf. ängft-
lichen Gemüthern berechtigten Anftofs geben könnte.
Man braucht nicht viel in dem Buche zu lefen, um dahinter
zu kommen, wie er den Werth der Sache fchätzt.
Es ift aber in anderer Hinficht ein Mangel, dafs W. genau
fo fchreibt, wie e r die Sache durchdacht und durchlebt
hat. Der oft untäglichen Breite des Bleek'fchen
Heftes gegenüber liegt freilich gerade hierin das eigen-
thümlich Anziehende der von W. bearbeiteten Abfchnitte,
die jedenfalls auch den Studenten ganz anders in die
Sache führen und faffen als die Bleek'fchen. Auch ift
es zu loben, dafs W. die Selbftthätigkeit des Lefers
mehr in Anfpruch nimmt, als das bei Bleek gefchieht.
Der Fehler ift nur, dafs er dabei das Publikum, für das
er doch eigentlich fchreibt, oft aus den Augen verliert.
Daher die grofse Zahl von gelegentlich eingeftreuten
Bemerkungen, die nicht fowohl das Nachdenken des
Studenten als das anderer Leute provociren follen, und
daher auch der z. Th. ftark perfönliche Ton der Polemik
, der in kein Lehrbuch gehört. Beides wäre m. E.
in einer neuen Auflage leicht zu vermeiden. Uebrigens
wird diefelbe hoffentlich auch die Apocryphen berück-
fichtigen.

Halle a/S. Rudolf Smend.

1. Nowack, Privatdoc. Lic. Dr., Die assyrisch-babylonischen
Keil-Inschriften und das Alte Testament. Berlin
1878, Mayer & Müller. (28 S. gr. 8.) M. — 75.

2. Tiele, Prof. C. P., Die Assyriologie und ihre Ergebnisse
für die vergleichende Religionsgeschichte. Rede
u. f. w. Aus dem Holländifchen von K. Friede-
rici. Leipzig (1878), Otto Schulze. (24 S. gr. 8.J
M. 1. —

1) In dem engen Rahmen einer zunächft zu einer
Vorlefung beftimmten Abhandlung will der Verf. der
erftgenannten Schrift den gröfseren Kreis der Gebildeten
bekannt machen mit den für die altteftamentliche Wiffenfchaft
in Betracht kommenden Refultaten der Affyriolo-
gie. Den ,Kundigen' foll fie nichts neues bringen. Die

Ueberfetzung der Infchriften wird von Schräder entnommen
(S. 3). Wir können uns hier mit der Bemerkung
begnügen, , dafs diefer Vortrag in gefchickter Auswahl
und anfprechender Form einen gut orientirenden
Ueberblick gewährt über die affyriologifchen Ergebnifse
für altteftamentliche Gefchichte und religiöfe Anfchau-
ungen Ifraels. Die Hauptmaffe des hier ikizzirten
Stoffes ift aus Schrader's bekanntem Buche zufammen-
geftellt. Der Verf., leife andeutend, dafs die Sicherheit
der von den Affyriologen vorgetragenen Refultate anderwärts
in Frage geftellt worden fei, giebt kein eigenes
Urtheil ab über die Grenzen des Vertrauens, welches
wir der Affyriologie in ihrem gegenwärtigen Stadium
entgegenbringen dürfen. Diefe Zurückhaltung wird nicht
ohne Abficht fein, und fo haben wir diefe Darfteilung
anzufeilen als einen Ueberblick über den äugen
blicklichen Stand der Affyriologie nach der Auffaffung
der namhafteften Vertreter diefer Wiffenfchaft felbft.
Als diefem Zwecke dienend wird der Vortrag ohne
Rückhalt willkommen zu heifsen fein. — Nur eine kleine
Rectification fei hinzugefügt. S. 18 heifst es von dem
affyrifchen heiligen Baum, dafs er .offenbar der Pinienart
angehört und wahrfcheinlich eine Cypreffe ift', wie
fchon Schräder denfelben befchrieben hat. Meines Wiffens
find aber Pinie und Cypreffe ganz verfchiedene Bäume, fo
dafs von einer Pinienart hier nicht die Rede fein kann.
Uebrigens ift der heilige Baum in der Regel fo ver-
fchnörkelt dargeftellt, dafs man ihn eben noch als Baum
erkennen, die Art aber fchwerlich beftimmen kann.

2. Das holländifche Original der zweiten Schrift habe
ich fchon in Nr. 26 des vorigen Jahrgangs diefer Zeitung
mit wenigen Worten angezeigt. Ich komme nur deshalb
darauf zurück, weil der Herr Verf. jener kurzen Notiz eine
Entgegnung hat folgen laffen in feiner Selbftanzeige der
Vorlefung, Theologisch Tijdschrift 1878 Heft 2. Nur in
einem Punkte wird die Richtigkeit meines Referates
angefochten; hierauf allein habe ich zu antworten. Der
Verf. befchwert fich über meine Bemerkung: den femi-
tifchen Religionen gegenüber ,räume er' den affyrifchen
Texten ,diefelbe Stelle ein, wie den Veden im Verhält -
nifs zu den arifchen Religionen'. Seine Worte lauten:
,dafs die religiöfe Literatur Babyloniens und Affyriens
beftimmt ift, in der vergleichenden Theologie der Semiten
eine gleiche Rolle zu fpielen [hetzelfde te worden)
wie die Veden in der der Indogermanen' (Ueberf. S. 20).
Ich kann mein Referat nicht unrichtig finden; denn dafs
die babylonifch-affyrifche Literatur diefe Stelle nach des
Verf. Meinung fchon jetzt thatfächlich einnehme,
können meine Worte keinem einigermafsen Unterrichte,
ten befagen, weil dies eine offenbare Unrichtigkeit wäre
Auszuftellen habe ich aber gerade, dafs man fchon
jetzt glaubt in der Lage zu fein, über die der affyrifch-
babylonifchen Literatur für die femitifche Religionsge-
fchichte beftimmte centrale Stellung überhaupt ein Urtheil
zu fällen. Diefe einzige Differenz von dem Herrn
Verf. habe ich dahin angegeben, dafs m. E. die keilschriftlichen
Nachrichten einftweilen nur in der Weife
für die Religionsgefchichte zu verwerthen feien, dafs
man jene .neben den anderweitigen hergehen liifst',
und habe davor gewarnt, ,auf jene für fich allein neue
Schlüffe zu bauen'. Das ift etwas Anderes als die felbft-
verftändliche Forderung, die affyriologifchen Ergebniffe
mit anderweitigen Berichten zu (Vergleichen', welche
Prof. Tiele mir zufchreibt.

Dem Ueberfetzer ift das Mifsgefchick begegnet, S. 7
,Veda' confequent als Femininum zu behandeln. Die
einleitenden und abfchliefsenden Worte des Originals
betreffend die befondere Veranlaffung der Rede, und
eine Anmerkung find in der Ueberfetzung geftrichen.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.