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Ausgabe:

1878 Nr. 14

Spalte:

346

Autor/Hrsg.:

Kähler, Martin

Titel/Untertitel:

August Tholuck, geb. den 30. März 1799, heimgegangen den 10. Juni 1877. Ein Lebensabriß 1878

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 14.

346

famen pantheiftifchen Grundthefis (ich nicht ausmachen I
laffe, wie viel von der Lehre der Amalricianer auf
Amalrich felbft zurückzuführen fei. Aus der ,wiffen-
fchaftlichen Schule' der Anhänger Amalrich's wird bald
ein aufklärerifcher Geheimbund, der übrigens in der Ari-
fchauung von den 3 Weltaltern (möge diefe von den
Joachimiten herübergenommen oder hier felbftändig ent-
ftanden fein) eine religiöfe Färbung feiner Lehre feft-
hält, den Anftrich einer kirchlichen Secte erhält. Wenn
nun auch hier inhaltlich die naturaliftifche Aufklärung,
das Umfchlagen der Offenbarung in das Bewufstwerden
des Geiftes unleugbar fich zeigt, fo möchte doch wohl
die Frage erlaubt fein, ob denn wirklich die religiöfe Vor-
ftellung von dem erwarteten Zeitalter des heil. Geiftes
lediglich und bewufster Weife als die kirchliche Flagge
benutzt werde, unter welcher die Contrebande der negativen
Aufklärung fegelte, oder ob nicht doch anzuerkennen
fei, dafs auch diefer pantheiftifche Radicalismus
die Eierfchale des myftifchen Supranaturalismus noch 1
auf dem Kopfe trage. Die Befprechung der Ortlibarier
tritt der Giefeler'fchen Annahme, welche in ihnen wefent-
lich Fortfetzer der Amalricianer ficht, vorfichtig be-
fchränkend entgegen (zu notiren ift hier auch die Aus- j
laffung über die Quelle, den von Preger fogen. Paffauer
Anonymus = Giefelcr's Pfeudo-Rainerus Anm. 7 zu S. 237
auf S. 375); endlich werden die Brüder und Schwertern
des Geiftes als Amalricianer und zwar als die fortge-
fchritteneren charaktcrifirt, welche die aufklärerifchen '
Thefen erheblich vermehrt, dagegen die efoterifche Doc-
trin der drei Weltalter fallen gclaffen haben.

Von allgemeinftem Intereffe ift endlich das den Schlufs
bildende 8. Buch: Die Epoche Friedrichs II. von
Hohenftauf en, die Ghibellinifche Bildung , welches
uns möglichft ficheren Einblick verfchaffen will in
die Genefis und eigenthümliche Geltaltung der weltlichen
und antikirchlichen Aufklärung in der Perfon und Umgebung
des grofsen Hohenftaufen und endlich ausgeht i
in die Unterfuchung über die Rede von den drei Be- j
trügern, deren Echtheit im Munde Friedrich's urkundlich
nicht zu erweifen, aber doch als fehr wahrfcheinlich, weil
feiner erkennbaren Gcfinnung entfprechend, anzufehen fei.
Ob hierin der Verf. nicht zu weit gehe, wagt Ref. nicht
zu entfeheiden; jedenfalls darf hervorgehoben werden,
dafs auch hier der Verf. die peinliche Gewiffenhaftigkeit
feiner Forfchung nicht verleugnet, welche ftets bemüht
ift, die Grenze des Urkundlichen und des auf Combi-
nation Ruhenden dem Lefer deutlich zu erhalten. —
Der gegebene Ueberblick vermag vielleicht von dem
Reichthum des Buches und der Bedeutfamkeit feiner Ge-
lichtspunkte eine Andeutung zu geben, nicht freilich von
der Fülle folider Detail forfchung, durch welche nicht
minder wie durch die beherrfchenden Ideen dies vortreffliche
Werk feine hervorragende Stellung behauptet
und feine vielleicht geräufchlofe, aber jedenfalls nachhaltige
Wirkung ausüben wird. Der Druck ift im Ganzen
correct, nur in den Anmerkungen find einige wenige
Errata der Aufmerkfamkeit entgangen: S. 308 Z. 24 V. o.
ftatt non erat 1. momicrat, S. 319 ift die Anm. 7) unrichtig,
S. 321 unter XVI A. 5 ift ftatt XII wohl XV zu lefen,
S. 322 Z. 6. v. o. ftatt apitus apibus, S. 335 Anm. 30) ift
die Verweifung unzutreffend, S. 341 Z. 11 v. u. ftatt
simplkc 1. siviplices, S. 347 Z. 11 v. u. ftatt VII L VI.

Kiel. Möller.

1. D. August Tholuck, heimgegangen am 10. Juni, be-
ftattet am 12. Juni 1877. Zur Erinnerung an feinen
Heimgang für feine Freunde. 2. Aufl. Halle 1877,
Fricke. (48 S. 8.) M. — 75.

2. Kahler, Mart., August Tholuck, geb. den 30. März
1799, heimgegangen den 10. Juni 1877. Ein Lebens-
abrifs. Als Nachtrag zu der ,Erinnerung an feinen
Heimgang' mit Erweiterungen aus der Neuen Evangel.
Kirchenzeitung abgedruckt. Halle 1877, Fricke. (48 S.
8.) M. - 75.

Bei der grofsen und bleibenden Bedeutung Tholuck's
dürfen auch die kleinen oben genannten Veröffentlichungen
, welche zunächft nur Gelcgenheitsfchriftcn find,
eine weitergehende Beachtung beanfpruchen und, bis uns
in ausgeführteren Zügen das Bild des Heimgegangenen
gezeichnet wird, als Beiträge zu einem folchen willkommen
fein. Die erftere Schrift enthält Reden am
Sarge und Grabe Tholuck's von feinem Seelforger Palt.
Hoffmann, Prof. Wolters (dem nun auch fchon Abberufenen
) und Kögel, eine akademifche Gedächtnifspredigt
Bcyfchlag's, den Nachruf des Confiftoriums der Provinz
Sachfen. Das harmonifche Zufammenklingen diefer fehr
verfchiedenen Stimmen ift fchon an fich bedeutungsvoll,
und wer irgend Tholuck perfönlich nahe gekommen, dem
klingen bei manchem diefer Worte die Saiten des eignen
Herzens mit. Angehängt find einige kleine Mittheilungen
aus dem Tagebuche der Wittwe und etwas über das
Tholuck'fche Convict 'dem der Ertrag beider Schriftchen
zu Gute kommen foll). In dem zweiten Schriftchen bietet
uns Kähler einen mit Liebe und Verftändnifs entworfenen
Lebensabrifs, der in Kürze viel andeutend, Tholuck's
Wirkfamkeit, vor allem das Eigenartige feines ganz perfön-
lichen Wirkens, nicht minder aber den Reichthum der
geiftigen Beziehungen feines Lebens, hervortreten läfst
und das erreicht, was er foll, wie ein Grufs des Heimgegangenen
zu fein an alle geiftlich mit ihm Verbundenen.
Der Verf. diefes Lebensabriffes, der dem Verewigten
perfönlich nahegeftanden, fordert alle Freunde Tholuck's
auf, feiner Discretion Erinnerungen und Beiträge für
eine Biographie Tholuck's anzuvertrauen. Befonders
willkommen werde das auf frühere Zeit Bezügliche fein.

Kiel. Möller.

Lüdemann, Kirchenr. Prof. Dir. Dr. C, Erinnerung an
Claus Harms und seine Zeit. Ein Beitrag zur Säcular-
feier feines Geburtstages, den 25. Mai 1878. Kiel
1878, Univerfitäts-Buchh. (36 S. gr. 8.) M. 1. 50.

Der Verfaffer, Kirchenrath Dr. Lüdemann, geborner
Kieler und in Kiel angeftellt erft als Adjunct an derfel-
ben Nicolaikirche mit Harms, dann Prediger an der Gar-
nifonskirche dafclbft, zugleich Profeffor an der Univer-
fität, auch zuletzt Harms' Confeffionarius, in einer langen
Reihe von Jahren mit ihm in perfönlichem Verkehr
flehend und Augenzeuge feiner Wirkfamkeit, war gewifs
vorzugsweife geeignet, Zeugnifs von diefem Manne abzulegen
. Obwohl, erft Anhänger von Harms, fpäter im
Syftem wefentlich von ihm abweichend, hat er es in pietätsvoller
Weife gethan. Von Werth ift befonders die
Charakterfchildcrung des Verewigten, wie fie aus eigenem
Anfchauen und Erleben hervorgegangen. Der Verf.
fagt: Wie H. den ganzen religiöfen und ethifchen Inhalt
der h. Schrift zu verwenden wufste für den entfehie-
denen Bruch mit der Sünde und für das Gewinnen und
Bewahren des neuen, die volle Gotteskindfchaft beurkundenden
Lebens, davon legen ein unwiderfprechliches
Zeugnifs die Reihen von Predigten ab , welche er in
Druck gegeben. Hier können in unterer Zeit auch die
der freieren theologifchen Richtung folgenden Prediger
noch viel von ihm lernen (S. 19 . Trotz feines Wahl-