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Ausgabe:

1878 Nr. 12

Spalte:

285-287

Autor/Hrsg.:

Bonwetsch, G. N.

Titel/Untertitel:

Die Schriften Tertullians nach der Zeit ihrer Abfassung untersucht 1878

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 12.

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thums des Hirten unbegreiflich mifsverftandenen Stelle;
vortrefflich unterflützt. Ueberhaupt ift diefer höchft
fleifsige Commentar, der auch fehr richtig das gebührende
Mafs der Dankbarkeit und der Referve gegen Zahn's Vorarbeit
innehält, wieder eine befonders dankenswerthe Lei-
ftung. Durch zahlreiche und zweckmäfsige Rückver-
weifungen bietet er dem Lefer oft fehr willkommene
Hülfe (z. B. zu Sini. VIII, 1, 6 ff. IX, 1, 4 ff.). Die
Löfung aller Räthfel des Hirten wird man von keinem
Ausleger erwarten. Solche Löfung ift auch bisweilen von
unferem Commentar ausdrücklich anderen überlaffen
(z. B. zu Sinti IX, 30, 1) — das genus innocuum fehlt
übrigens in dem Verzeichnifs der Menfchenklaffen p.
LXXIX — oder weitere Unterfuchung in lehrreicher Weife
angeregt (z. B. zu Vis. V, 21. Der Pfeudoprophet Mand.
XI. fcheint Ref. immer noch eine fehr räthfelhafte Geftalt,
dabei befonders dunkel das :rv/.rd>g (lexavoovoi XI, 4 und
die Protokathedrie XI, 12. Gelegentlich wird man das
ganz Sonderbare als im Object begründet als folches
wohl einfach gelten zu laffen haben (z. B. Arkadien Sim.
IX, 1, 4). Sehr bedenklich ift dem Ref. die auch ohne
Rückficht auf die Unficherheit des Textes gegebene
Interpretation des za yeyoctuutva Sim. V, 3, 7. Auch
gefleht er ein nicht einzugehen, welche Stütze Mand. IV,
1, 1 für die Zahn'fche Interpretation von Vis. II, 2, 3
fein foll. Zu dem nachträglich befchränkten huldig
if.oraag Mand. IV, 3, 2 liefs fleh auch auf die nachträgliche
Correctur des %ov uicbv %qovov ßaauviCoviui Sim.
VI, 4, 1, fowie auf den umgekehrten Fall Sim. V, 1, 3,
wo ein gewiffes Falten verworfen wird um nachher als
überverdienftliches Werk wieder aufgenommen zu werden
, hinweifen.

Zu den zahllofen Verdriefslichkeiten, welche dem nur
für die Sache intereffirten Lefer der patriftifchen Literatur
entgegentreten, gehören auch die Schwierigkeiten, welche
ihm ihre Citirung macht. So fei denn den Herausgebern
des hier befprochenen Textes der apoftolifchen Väter
auch für die von ihnen eingeführte Paragraphirung des-
felben, die man freilich gern am Rande läfe und im Hirten
bisweilen in noch kleinere Abfchnitte ausgeführt wünfehte,
befondercr Dank gefagt und diefem Dank nur noch die
Bitte an alle künftigen Herausgeber diefer Schriften hinzugefügt
, diefe Paragraphirung einfach zu adoptiren, bei
der Gelegenheit aber die andere an alle von der Wiener
Akademie beauftragten Herausgeber der lateinifchen Kirchenväter
, namentlich an den des Tertullian, dem guten
Beifpiele Halm's, welches die Herausgeber des Cyprian
und des Arnobius leider verlaffen haben, wieder zu folgen
unter möglichftem Anfchlufs an etwa fchon vorhandene
Lintheilungen des' Textes in kleine Abfchnitte (bei
Lactant. z. B. an Heumann). Eine folche fchon vorhandene

welche feit den grundlegenden Arbeiten von Heffel-
berg (1848) und Uhlhorn (1852) erfchienen find (Grotemeyer
[1863. 1865], Gottwald [1863], ß öhringer
L1864], Ebert [1868. 1874], Lipfius [1868], Kellner
[1870. 1871], Behr [1870], Rönfch [1871], Caspari
[18751, Görres [1876. 1878], Hauck [1877]), fowie die
neueren Unterfuchungen von Schulte [1867], Höfner
[1875] u. A. zur Gefchichte des Kaifers L. Sept. Severus
eingehend berückfichtigt worden. Die bündig und prä-
cis gefchriebene Schrift, welche von einer fehr gründlichen
Kenntnifs Tertullian's Zeugnifs ablegt (vgl. die
feinen Bemerkungen S. 20 n. 25 f. S. 21—27. S. 27 n. 47.
S. 28 n. 1. S. 35 n. 27. S. 41 n. 50 f. S. 43 f. n. 6. S. 45
n. 9. S. 50 n. 30. S. 51 f. n. 34 f. S. 53 n. 41. S. 56—
61. S. 65 etc.), zerfällt in vier Capitel: I. Chronologie
der Regierung des Kaifers Severus (S. 6—12). II. Die
Abfaffungszeit der vormontaniftifchen Schriften, und zwar
a) der apologetifchen (S. 13—28;, b) der übrigen (S. 28
—42). III. Die Abfaffungszeit der montaniftifchen Schriften
, a) zur Vertheidigung der Kirche und ihrer Lehre
(S. 42 — 53), b) zur Vertheidigung des Paracleten u. f.
Disciplin (S. 53—75). IV. Die Acten des Martyriums
der Perpetua u. f. w. (S. 75—87). Den Befchlufs bildet
ein kurzer Excurs zu adv. Prax. 1 ,praecessorum auetfi-
ritas'). Indem ich an diefem Ort darauf verzichte, meinen
Widerfpruch gegen einzelne Anfätze des Verf.'s hervorzuheben
und zu begründen, ftelle ich in Kürze die Re-
fultate diefer neuen Unterfuchung zufammen.

Apolog. i. J. 197 (zweite Hälfte), in diefelbe Zeit
ad mart. und ad nat. ab: I, erfteres vielleicht noch vor
dem Apolog. Bald darauf, vielleicht fchon i. J. 198 ad
nat. Hb. II, de fest im. an.im.ae; in diefe Zeit auch
adv. Jud. (nur die erfte Hälfte ift echt). Die Schriften
de orat., de bapt. haer., de bapt., de poenit. find entweder
in einer Friedenszeit vor Abfaffung des Apolog.
oder nach wieder eingetretener Ruhe, alfo nach 198 ge-
fchrieben. In die Verfolgungszeit d. J. 197 8., refp. in
die Zeit der Nachwehen, gehören de spectac, de etil tu
fem. (1. Ausg.), de idolfit., de cultu fem. (2. Ausg.j.
De orat., de bapt., de poenit., de speet., de idolol. find für
Katechumenen abgefafst; die drei erftgenannten und de
cidtu fem. find Anfprachen; wahrfcheinlich bekleidete
damals Tert. ein Kirchenamt.

Der fpäteren vormontaniftifchen Periode gehören
de pat. und ad uxor. 1. II an, derfelben Zeit, etwa d.
J. 199, de pracscr. haer. (jedenfalls vor den antignoft.
Specialwerken) und etwa um 200 adv. Marc, (erfte Ausg.).

Im J. 202 erkennt Tert. die neue Prophetie an, zugleich
beginnt 202/3 eine neue Verfolgungszeit. Die
Ausarbeitung der antignoftifchen Hauptfchriften wird
fortgehends von der Abfaffung ascetifcher, fpäter direct

Eintheilung hat der neuefte Herausgeber der Civitas dei I kirchlich-polemifcher Schriften begleitet. Eine frühere

des Auguftin gar wieder aufgegeben.

Bafel. Franz Overbeck.

Bonwetsch, Pafl. G. N., Die Schriften Tertullians nach
der Zeit ihrer Abfassung unterfucht. Bonn 1878, A. Marcus
. (89 S. gr. 8.) M. 2. —

Diefe ebenfo gründliche als in einer Reihe von Fragen
abfchliefsende Schrift ift zum Theile, wie fchon die
frühere werthvolle Abhandlung des Verf.'s (,Wefen, Ent-
Itehung und Fortgang der Arcandisciplin' i. d. Ztfchr.
f. d. hift. Theol. 1873 S. 203—290), an der Grenze Euro-
pa's im Gouvernement Saratow ausgearbeitet worden.

Studien über die Gefchichte des Montanismus haben den 1 auf jene zurückzuweifen.
Verf. zu der vorliegenden Unterfuchung geführt, nach- Zwifchen 200 und 207 fallen wahrfcheinlich, das

dem er eingefehen, dafs die Schriften Tertullian's uns j eine oder das andere Werk wohl auch fpäter, de para-
das verhältnifsmäfsig deutlichlte Bild von dem Wefen 1 diso, de spe fid., de fato, adv. Apell., adv. Her-
und dem Entwickehmgsgang jener kirchlichen Bewegung j mog., de censti animae, adv. Valeni. In dem letztliefern
, diefe felbft aber in Anfehung ihrer Zeitfolge genannten, wahrfcheinlich in den 3 letztgenannten, ift die
einer erneuten Unterfuchung bedürfen. Dabei find vom j Anerkennung der neuen Prophetie vorausgefetzt; jenes
Verf. alle die Specialarbeiten zur Chronologie Tert.'s, ift der erfte Theil eines gröfseren Werkes wider die

Entwickelungsftufe der montaniftifchen Gefinnung Tertullian
's bekunden die Abhandlungen de Corona, de
fuga, de ex hör tat. cast. gefchrieben 202/3; auf den
nahen Bruch zwifchen Montaniften und Kirchen deutet
fchon die Schrift de virg. vel. (2034, gleichzeitig mit
der Abfaffung der uns erhaltenen Acta pass. Perpe-
tuae, die vielleicht Tert. felbft zum Urheber haben).
Nach dem Bruch, alfo bald nach 203 4 und jedenfalls
vor d. J. 207 find de monog., de ieiun., wahrfcheinlich
auch de eestasi, vielleicht auch fchon de pudicitia
gefchrieben. Auch die erftgenannten beiden Schriften
beziehen fich allem Anfchein nach auf literarifche Be-
ftreitungen der neuen Prophetie; adv. Prax. 1 fcheint