Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1878 Nr. 11

Spalte:

258-259

Autor/Hrsg.:

Garratt, Samuel

Titel/Untertitel:

A Commentary on the Revelation of St. John, considered as the divine book of history 1878

Rezensent:

Harnack, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

257

Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. Ii.

258

haupten kann, Chriftus bilde ,gar kein wefentliches Element
des Gedankenkreifes des Verf.'s' (S. 429) und es
heifse feine Lehre paulinifiren, wenn man die niazig
von vornherein als niazig ilg Xoioxbv beftimmt (S. 437),
werden doch auch folche, die im Uebrigen feine anti-
paulinifche Auffaffung des Briefs theilen und mit ihm
im Stande find, dogmatiftifche Lehrftreitigkeiten auf den
Weltfinn als Urfache zurückzuführen (S. 429. 440), auffallend
finden. Aehnlich fchiebt er die Stelle 1, 18 zur
Seite, weil ,diefer myflifche Ausdruck hier ifolirt flehe'
und der tfupvtog hnyog 1, 21 wird zwar erwähnt, aber
nicht mit einer Silbe erläutert (S. 435 f.). Bei der Apo-
kalypfe hat der Verf. mit der Darlegung vom Wefen
der Apokalyptik, die fich übrigens an reine Aeufserlich-
keiten hält, mit den kritifchen Fragen und mit der ausführlichen
Analyfe von Plan und Gedankengang foviel
zu thun, dafs die biblifch-theologifche Betrachtung fehr
zu kurz kommt und nicht einmal im Entfernteften daraus
erhellt, wiefern denn dies Buch auf dem antipaulinifchen
Standpunkt der Urapoftel fleht, dem es nach der von
dem Verf. adoptirten bekannten Schablone angehört.
Dann folgen derfelben Schablone gemäfs die vermittelnden
Schriften, die lucanifchen vom Paulinismus, die
petrinifchen vom Judaismus aus, wobei namentlich die
Befprechung vom 2. Ptr. und Jud. fich fo gut wie voll-
ftändig in Kritik und Ifagogik verläuft, und endlich als j
die den Gegenfatz überwindende Richtung die der
johanneifchen (natürlich unechten) Schriften. Ich kann
auch über diefen Theil nicht günftiger urtheilen. Gewifs j
läfst fich an den Satz Jefus der Sohn Gottes das Licht
Und Leben der Welt' die Hauptfumme der johanneifchen
Lehrgedanken anknüpfen; aber dann darf man nicht als ;
,fecundäre Ideen' im bunteften Durcheinander Johannes
als Zeuge vom Licht, den y.noung, den Glauben und Unglauben
, die l'öioi u. a., was alles feinen guten Platz im
Zufammenhange mit jenen Grundideen gehabt hätte, behandeln
. Ohnehin ill nach S. 500 die Tendenz des
Evangeliums, die min ig an Jefum zur yvwatg zu erheben;
und doch erinnere ich mich nicht, ein Wort über das |
Wefen der johanneifchen yvwoig gefunden zu haben, und I
auch das S. 532 über das Wefen des Glaubens Gefagte j
ifl dürftig genug. Bei der Erörterung der Präexiftenz |
Jefu, wo lediglich die betreffenden Stellen aufgezählt werden
, hören wir, dafs Jefus Joh. 8, 58 den Juden ant- 1
wortet: ,Allerdings habe er (nämlich in feiner Präexiftenz
) Abraham gefehen' (S. 505); bei der Lehre vom
Paraklet ift S. 522 eigentlich nur der Name behandelt.
Das Leben ift der Inbegriff alles Guten und Wünfchens-
werthen, als das Licht der Welt verbreitet Jefus Heil
nach 9, 5; obwohl diefe Stelle S. 512 unter denen figurirt,
wo eptog foviel als t> (fwu'Cov ift. Weil das Leben nur
dem Vater in abfoluter Weife zukommt, wird nach S.
512 bei dem Sohne, dem die Ciotj .nicht fchlechthin zukommt
', das Epitheton uidviog weggelaffen. Trotzdem
führt der Verf. als einzige Stelle, wo das Leben Gott
beigelegt wird, Ev. 5, 26 an, wo nicht uiwviog dabeifteht,
und bemerkt, dafs, wo von Menfchen die Rede, das
iciiüt'iog bald gefetzt ift und bald nicht! Der Grundgedanke
des Briefs ift ,das ewige Leben in der Gemein-
fchaft mit Gott und Chriftus', und doch erinnere ich mich
nicht, eine Befprechung des wichtigen und in der Auffaffung
fo ftreitigen Schlufswortes 1 Joh. 5, 20 gefunden
zu haben.

Nach alledem kann ich eine wefentliche Förderung
der biblifch-theologifchen Wiffenfchaft in diefer Theologie
des Neuen Teftaments nicht finden, und ich geftehe, dafs
ich mich nach der vielverfprechenden Ankündigung von
Dr. Nippold, dem das Buch gewidmet, ftark enttäufcht
gefühlt habe. Literatur ift viel gegeben, aber doch auch
Vieles, was ftreng genommen nicht biblifch-theologifch
ift. Auf Vollftändigkeit macht der Verf. felbft keinen
Anfpruch; aber dafs einem, der eine Neuteftamentliche
Theologie fchreibt, das Buch von L. Hahn mit diefem

Titel erft bekannt wird, als fein Werk beinahe vollendet
(S. XI), ift doch nicht zu billigen. Dafs S. 187 als Be-
ftreiter der Tradition von dem kleinafiatifchen Aufenthalt
des Johannes nur Schölten genannt wird, heifstdoch Lützel-
berger und Keim ihre Ehre rauben. Dafs oft Bücher
felbft ohne Jahreszahl angeführt werden, ift ein grofser
Mangel, mehr noch, wenn fie bei einem fo verbreiteten
Buch, wie dem von Ch. F. Schmid, falfch ift (S. 19). Das
wird natürlich ein Druckfehler fein, aber es zeigt doch von
fehr flüchtiger Correctur, wie überhaupt die zwei Seiten
Druckfehler am Schluffe lange nicht die Menge der höchft
Hörenden Fehler erfchöpfen.

Berlin. Dr. Weifs.

Garratt, Samuel, Rural Dean and Vicar, M. A., A Com-
mentary on the Revelation of St. John, considered as
the divine book of history; in which God has deline-
ated what is now past, present, and to come; and
decided beforehead the great questions of each suc-
ceeding age, and especially of our own. 2d and greatly
enlarged edition. London 1878, W. Hunt & Co.
(LXXII, 519 S. mit 1 Tab. gr. 8.) Cloth.

Schon der Titel diefes ,Commentars' charakterifirt
das Werk des ,Rural Dean1, und wenn Ref. noch hinzufügt
, dafs man in demfelben auch wirklich nichts mehr
findet, als was der Titel ausfagt, fo könnte er fein Referat
fchliefsen etwa mit der Bemerkung, dafs bei uns ähnliche
Bücher zwar auch in Fülle erfcheinen, aber auf
fchlechtem Papier und in noch fchlechterem Druck,
während die Ausftattung des vorftehenden Werkes eine
brillante ift. Indeffen, da der Verf. ohne Zweifel eine
fehr zeitgemäfse Arbeit geliefert hat — ift ihm doch z. B.
der Ablauf der orientalifchen Krifis völlig deutlich — fo
möchte ich aus der , Tubulär Chart of the Apocalypse
with a coniparative view of Gentile and Jezvish lines of
prophecy' Einiges herausheben. Er unterfcheidet nämlich
eine heidnifche und jüdifche Prophetie; wenn Ref. richtig
verlieht, fo giebt die Apokalypfe felbft nur die heid-
fche, aber theilweife doppelt, indem c. 6—Ii, 19 ,Annals
or Writing within c. 12—16,21 ,Histories or Writing on
the backside1 enthalten. Ich greife aus der erften Ab-
theilung einige Beifpiele heraus. Wir befinden uns in
der Zeit der 6. Pofaune, refp. in der Zeit v. c. 14, 6—13:
1866. Attcmpt by Austria to revive Roman Empire {under
sixth he ad) defeated at Sadozva. 1867. Termination of
1260 days for years c. II, 7. Annouticemcnt of Oecum.
Council. — Pan Anglican Synod. 1869. Vatican Council
meet — the West zvithout the East. 1870. Proclamation ofPope's
Infallibility. Attempt by Napoleon III. to revive Roman
Empire {under seventh head) — defeated at Sedan . . .
Attempt to forme fommune' or ,Red Republic' in hope of
, United States1 of Europe; that is a Republican form of
Roman Empire — second, third, fourth, orfifth head of ten-
| horned beast. 1871. Temptation to German Emperor to
revive Roman Empire under its sixth head resisted'. Nach
diefer Probe werden die Lefer auf die , Writing on the
backside' und die nähere Bekanntfchaft mit dem böfen
Gog, Purften von Rufsland, Moskau und Tobolsk (Rofch,
Mefchech, Tubal) wohl verzichten. Der Verf. aber hat
den Einwürfen der Skeptiker, ob nicht vielleicht die
; Zeitungslectüre die Auslegung des Offenbarungsbuchs
beeinflufst hat, felbft vorgebeugt, indem er S. XVII
bemerkt, dafs er fchon vor 27 Jahren diefes Alles auf
Grund der Offenbarung Johannes vorausgefehen habe.
Wie viel tiefer ift doch diefer Engländer in den Geift
des Buches der Offenbarung eingedrungen, als die von
ihm freundlich protegirten deutfehen Theologen Heng-
ftenberg und Ebrard! An der rechten Plerophorie,
i die neuteftamentlichen Bücher als Orakelfammlung zur