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Ausgabe:

1878 Nr. 10

Spalte:

238-239

Autor/Hrsg.:

Thijm, Dan. Cornelis

Titel/Untertitel:

De Leer van de voornaamste Afdeelingen der Christelijke Kerk aangaande de Erfzonde in het licht bepaald van de Schriften des Nieuwen Verbonds 1878

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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237 Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 10. 238

fchnitt, der den ,Kampf gegen den kirchlichen Libera- ' beigetragen hat, fich im gefteigerten Mafse zu verbittern,
lismus' behandelt, beinahe den Charakter einer Apologie j Aber es wäre wider die Wahrheit, diefe Verbitterung,
des letzteren gegenüber der immer bitterern Feindfeligkeit i wie heute häufig gefchieht, ihm als Beweis feiner ,Ehr-
tragen, mit welcher Straufs von ihm fich abkehrte, fo j lichkeit' zum befonderen Lobe zu rechnen, während es
ift dies angefichts der Lage, welche man den Vertretern doch am Tage liegt, dafs er, mit dem Chriftenthume
diefer Richtung bereitet hat , wenigftens begreiflich, unverföhnlich zerfallen, jener Richtung lediglich darum
Jedenfalls find Abfchnitte wie die über den Stand der immer feindfeliger gegenüber trat, weil es ihr um die
theologifchen Wiffenfchaft beim Erfcheinen des Lebens Verföhnung von Glauben und Wiffen ehrlicher Ernft
Jefu, über den Leben-Jefu-Streit, den füddeutfchen Pie- . war. Diefen Thatbeftand ans Licht geftellt zu haben,
tismus und die norddeutfche Orthodoxie, über die Ro- | ift ein Hauptverdienft der Hausrath'fchen Arbeit. Dafs
mantik Friedrich Wilhelm's IV., über die Theologie der j diefelbe nicht beanfprucht, ein wirklich erfchöpfendes
Reactionsperiode, über die neue Aera, den badifchen , Werk zu geben, hat der Verf. felbft befcheiden hervor-
Kirchenftreit und ,die Halben und die Ganzen' nicht blofs [ gehoben; um fo mehr hat er ein Anrecht auf Beachtung
brillant, fondern auch mit kundiger Feder gefchrieben. j feiner Bitte, dafs man feine ,Skizze' nicht mit falfchem

Wenn fich Vieles wie eine Satire lieft, fo ifts nicht der
Verfaffer, der dies verfchuldet. Dafs er aber überhaupt
an lebhafter, pikanter Darfteilung feine Freude hat, zeigt
fich ebenfo wie in den fpecififch theologifchen Ab-
fchnitten auch in der Schilderung der politifchen Zu-
ftände Württembergs im Jahre 1848, zu welcher ihm die
Parlamentswahl und Straufsens landftändifche Thätigkeit
Gelegenheit giebt.

Das Urtheil über Straufs als theologifchen Charakter
und über deffen verfchiedene Entwickelungsperioden
wird natürlich durch den Standpunkt beftimmt, den der
Urtheilende einnimmt. Es verfteht fich auf dem des Ver-
faffers von felbft, dafs die hohen Verdienfte von Straufs
um die theologifche Wiffenfchaft rückhaltlos anerkannt
werden. Dafs feine Hauptftärke auf dem Gebiete der
Kritik liegt, während er als Philofoph niemals productiv
war, wird richtig hervorgehoben. Die Beurtheilung feines

Mafsftabe meffe.
Jena. Lipfius.

Thijm, Dan. Cornelis, De Leer van de voornaamste Afdee-
lingen der Christelijke Kerk aangaande de Erfzonde in
het licht bepaald van de Schriften des Nieuwen Verbonds.

Academisch proefschrift. Utrecht 1877, Kemink &
Zoon. (XII, 253 S. gr. 8.)

Beim Lefen der fymbolifchen Schriften der pro-
teftantifchen Kirchen fand Herr Thijm mancherlei, was
ihm nicht in Uebereinftimmung mit der h. Schrift zu fein
fchien. Befonders die Lehre von der Erbfünde und was
damit zufammenhängt, erweckte ihm Bedenken. Auch
was die andern Kirchen und die vornehmften Secten
über diefen Punkt lehren, war nicht geeignet, ihn zu beLebens
Jefu' durch Hausrath ift ebenfo mafsvoll und j friedigen. Der Gegenfland fchien ihm wichtig genug,

objectiv wie die feiner Glaubenslehre. Mit den Bemerk- j um ihn genauer zu unterfuchen. So hat er fich daran
ungen, welche der Verf. dem rein negativen Refultate gemacht, die Lehren der wichtigften Abtheilungen der
der letzteren entgegenftellt, wird Ref. nicht erft nöthig | chriftlichen Kirche über diefen Punkt in das Licht der

haben, fich im Wefentlichen ausdrücklich einverftanden
zu erklären, doch wäre hier gerade eine eingehendere
Erörterung des Vcrhältnifses von Straufs zur Hegel'fchen
Philofophie und feiner gerade von Gegnern vielgerühmten
, in Wirklichkeit aber ziemlich zweifelhaften Verdienfte
um ihre Popularifirung am Platze gewefen. Auch die
berühmte Charakteriftik von Schleiermacher und Daub
hätte wohl eine nähere Betrachtung verdient. Eine Ver-
gleichung derfelben mit den .Friedlichen Blättern' würde
gezeigt haben, dafs die Einflüffe Schleiermacher's auf
Straufs, wenigftens für eine gewiffe Periode feines Lebens,
häufig unterfchätzt worden find. Eingehender wird dagegen
wieder die .Rückkehr zur Theologie', das .Hutten-
manifeft', das neue Leben Jefu mit feinen Beiläufern,
endlich der im .alten und neuen Glauben' vollzogene
jähe Bruch mit der eigenen theologifchen Vergangenheit
befprochen. Man wird Hausrath nicht Unrecht geben
können, wenn er zu zeigen verfucht, dafs der öftere
Wechfel der theologifchen Anflehten feines Helden weit
enger mit wechfelnden Stimmungen und Verftimmungen
zufammenhängt, als diejenigen meinen, welche in Straufs
nur den unerbittlichen Dialektiker und kühlen Verftan-
desmenfehen erblicken. Die Kritik der letzten Schrift
von Straufs und die am Schluffe des Ganzen entworfene
Charakteriftik ift ftreng, man wird fie aber nicht ungerecht
finden können. Wenn man Alles uberfdiaut, kann
man fich zwar des Eindrucks nicht erwehren, dafs Straufs
ohne den unglücklichen Züri-Putfch zu einer für fich
und Andere befriedigenderen Exiftenz gelangt und feine
Weltanfchauung ftetiger und harmonifcher ausgebildet
haben würde. Aber er war ebenfowenig eine rehgiofe
Natur wie ein fpeculativer Kopf; und diefe doppelte
Schranke feines Geiftes macht, auch abgefehen von feinem
Lebensgange und feiner perfönhehen Reizbarkeit, den
traurigen Bankrott, den feine letzte Schrift bezeichnet,
nur allzu erklärlich. Es ift fein Verhängmfs gewefen,
in den letzten Jahren feines Lebens gerade gegen diejenige
Theologie, zu deren Ausbildung er felbft Grofses

Bibel, befonders des Neuen Teftaments zu ftellen. Seine
Schrift zerfällt in 3 Theile : 1) Darfteilung der Lehren
über die Erbfünde in der römifchen, griechifchen, re-
formirten, luthenfehen Kirche, bei den Mennoniten, den
Remonftranten, den Socinianern, den Quäkern, den Swe-
denborgianern (S. 8—52); 2) Lehre Jefu und der Apoftel
über die Erbfünde (S. 53 — 184); 3) Kritik der Lehren
der genannten kirchlichen Gemeinfchaften nach Mafsgabe
der neuteftamentlichen Lehre (S. 185—246).

Viel Anderes als Fleifs finde ich an der Schrift nicht
zu loben. Herr Thijm entwickelt im erften Theile die
verfchiedenen Lehren über die Erbfünde ganz ohne
Rückficht auf einander. Die Unterfchiede derfelben
mufs jeder fich erft felbft formuliren. Von der Aufgabe
des Hiftorikers, die Motive und Tendenzen der Lehren
, die er darftellt, aufzufuchen, fcheint der Verf. nichts
zu wiffen. Und doch wäre gerade bei feinem Gegenftande
diefe Aufgabe ebenfo wichtig wie lohnend gewefen. Die
Kritik, die nach Anleitung des Neuen Teftaments geübt
wird, ift ganz äufserlich. Nach der Reihe werden die
verfchiedenen Lehren in ihren einzelnen Beftimmungen
mit der neuteftamentlichen Lehre verglichen und was
nicht ftimmt, abgezogen. Ein Schlufscapitelchen deutet
dann allerdings noch an, dafs was auf diele Weife den
einzelnen Lehren genommen werde, zugleich der Erfahrung
widerfpreche. Am werthvollften wohl ift der zweite
Theil, der im einzelnen immerhin manche richtige Beobachtungen
über die neuteftamentliche Lehre beibringt.

Folgendes find die Ideen des Verf.'s. Vor Allem an-
ftöfsig ift ihm die Vorftellung von einer Erbfchuld.
Ferner aber auch der Gedanke, dafs der Menfch feit
dem Sündenfalle ohne alle fittliche Kraft und Luft fei,
fowie der, dafs Adam urfprünglich zu denken fei als
Urbild der fittlichen Vollkommenheit. Das fittliche Ideal
ift nicht in Adam, fondern in Chriftus anzufchauen. Das
göttliche Ebenbild, nach welchem Adam gefchaffen
worden, ift zu deuten als die Perfönlichkeit, das Selbft-
bewufstfein und die Freiheit des Menfchen. Diefes