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Ausgabe:

1878 Nr. 9

Spalte:

214-215

Autor/Hrsg.:

Reiser, Friedr.

Titel/Untertitel:

Reiser’s Reformation des K. Sigmund. Mit Benutzung der ältesten Handschriften nebst einer kritischen Einleitung und einem erklärenden Commentar hrsg. von Willy Boehm 1878

Rezensent:

Tschackert, Paul

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2i3 Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 9. 214

weisführung S. 45 n. 2 noch immer nicht einmal einen
verführerifchen Schein zu fehen, der zu folcher Erklärung
verleiten könnte. Es ift auch nicht deutlich geworden
, wie der Verf. die entfcheidenden Worte 15
et vt or ö yrtjtog'lrpovg rh yaxu oagy.a erklärt wiffen will.

Die textkritifche Behandlung der Fragmente ift
mufterhaft gründlich. Der Verf. hat Alles herangezogen,
was irgend in Betracht kommen kann; feinen Bemühungen
ift es auch geglückt, eine Abfchrift der betreffenden
Stücke aus der fyrifchen, in London befindlichen, Ueber-
fetzung der Kirchengefchichte des Eufebius zu erhalten

Reiser's, Friedr., Reformation des K. Sigmund. Mit Benutzung
der älteften Handfchriften nebft einer kri-
tifchen Einleitung und einem erklärenden Coymentar
hrsg. von Oberlehr. Dr. Willy Boehm. Leipzig
1876, Veit & Co. (IV, 260 S. gr. 8.) M. 7. 20.

Der unter dem Titel Reformatio Sigismund!1 in Umlauf
gefetzte Reformentwurf, welcher im Jahre 1438 ver-
fafst wurde, entwickelt auf katholifch-chriftlichcr Grundlage
ein focial-politifches Programm für das deutfehe
Reich. Der Verfaffer, nach Böhm's Annahme Friedrich

Die Bevorzugung des durch hohes Alterthum ausgezeich- ; Reifer , welcher fein Handwerk in Schwaben verlaffen
neten Syrers und des Rufinus bei der Recenfion des hatte und hufitifcher Priefter in Landscron in Böhmen

Textes der KG. des Eufebius ift gewifs nur zu billigen
und fchon von Zahn nachdrücklich gefordert worden.
Im Einzelnen wird man aber dem Verf. eher den Vorwurf
der allzugrofsen Kühnheit gegenüber dem überlieferten
griechifchen Text als den entgegengefetzten
machen dürfen. Die Hoffnung Spitta's, durch eine forg-
fältige Benutzung der altkirchlichen Literatur werde es
ohne Zweifel gelingen, ein klareres Bild von den Familien-
verhältnifsen Jefu zu gewinnen, als man bis jetzt befeffen
hat (S. 2), vermag Ref. nicht zu theilen.

Zum Schlufs fei aus dem wiederhergeftellten Briefe
ein denkwürdiges Wort hervorgehoben, welches mehr
als irgend ein anderes dazu auffordert, dem frommen
und gelehrten chriftlichen Hiftoriker mit Achtung näher
zu treten: Mrjtfi ygaToiij roiovrog loyog hf iyy.Xrfi'iei
Xqitnov y.ai Oenv naTQng, ä/.gißoüg ctlrfteiag, Ott xpsiöog
avyy.siTcu slg alvov y.ai SnS.nXoyiav Xgioiov (S. HO, «5 8).

Leipzig. Adolf Harnack.

Bezold, Dr. Friedr. v., König Sigmund und die Reichskriege
gegen die Husiten. 3. Abth. Die Jahre 1428—
1431. München 1877, Th. Ackermann. (176 S. gr. 8.)
(ä) M. 3. —

Die vorliegende dritte und letzte Abtheilung des
B.'fchen Werkes über ,König Sigmund und die Reichskriege
gegen die Hufiten' führt uns in die Jahre 1428
bis 1431, wo das Deutfehe Reich die letzten Verfuche
machte, die böhmifchen Ketzer durch das Schwert zu
überwinden. Erft durch die fchmachvolle Niederlage
bei Taufs (1431), in welcher felbft der päpftliche Legat
Cefarini nur mit genauer Noth der Gefangenfchaft entging
, überzeugte man fich von der Erfolglofigkeit des

bisherigen Verfahrens und entfchlofs fich, den Hufiten ; ter und Würden follen auf beftimmte Jahresrenten gefetzt

wurde, vertritt in diefer merkwürdigen Schrift ,die Noth
der Kleinen' gegen die ,Gelehrtcn, Weifen und Gewaltigen
' (S. 170. 225. 237) und fchlägt zu diefem Zwecke
eine bis in das Detail gehende Reformation der Kirche
und des Staates vor. Aber er fteht dabei, um gleich
feinen dogmatifchen Standpunkt zu charakterifiren, noch
auf dem Boden der Papftkirche. ,Will man eine rechte
Ordnung haben, fo mufs man merken die heben Sacra-
mente, aus denen fich ziehen alle gerechten Dinge'
(S. 166. 172). Mit der römifchen Lehre von den Sacra-
menten bleibt aber nothwendig auch die von der Hierarchie
in Kraft (S. 163. 176. 184). Auch die Art, wie
er das Gebet als Opus operatum vorfchreibt und nicht nur
bei Gott, fondern auch bei den Heiligen fchwören heifst
(2t f. 236), beweift feinen katholifchen Standpunkt.
Von diefem aus unternimmt er nun feine Reformation,
in deren Bereich er alle geiftlichen Stände zieht. Der
Päpfle Gewalt ift zwar wegen der Austheilung der
Sacramcnte heilig (172); aber an ihrem Hofe foll man
nicht Wucher treiben, weil Chriftus uns nicht zuge-
muthet hat, feine Marter zu erkaufen (175). Den Car-
dinälen gefteht der Verf. die Würde des Apoftolats
zu, wünfeht aber ihr jährliches Einkommen auf 12000 Gulden
fixirt zu fehen(i77). Die Brfchöfe follen als Gehülfen
des Papftes und der Cardinäle ihre Disciplinargcwalt
ausüben (184), aber kein Schlofs, keine Feite oder Stadt
befitzen (178). Dem Priefter geftattet der Verf. die Ehe;
aber er theilt die katholifche Anficht, dafs fie den Men-
fchen verunreinige; daher fich der Priefter vor dem Vollzug
geiftlicher Functionen reinigen mufs (188. 211). Von
den Orden will er nur die vier Bettelorden beftehen
laffen (208); alle andern hafst er (173. 176. 179. 180);
den Bernhardinern und Benedictincrn folle man einfach
Schlofs und Statt' nehmen (199). Alle kirchlichen Aem-

freies Gehör zu fehenken, fie alfo damit als berech- ! werden (vgl. S. 29). — Ein'Bruch mit dem römifch-
tigte Gegner anzuerkennen. Darin lag eine unerhörte katholifchen Princip liegt aber erft in feiner Forderung
Conceffion; das Vcrdienft aber, an diefer Stelle das der abfoluten Trennung von Kirche und Staat. ,Es foll
kanonifchc Recht durchbrochen zu haben, gebührt, fich lauter in Alweg (alle Wege) feheiden das Geiftliche und
wie B. zum erften Mal nachweift , dem Markgrafen 1 das Weltliche, als es lauter war von angende (Anfang)
Friedrich von Brandenburg, welcher 1430 nach der j von unfern Vorderen geordnet' (231). So liegt denn
furchtbaren Invafion der Hufiten auf feiner Burg Behcim- j auch der Schwerpunkt der Schrift in der focialen und

politifchen Reform: Förderung der Stellung der Reichs-
ftädte, Ablöfung des Zinfes, Aufhebung der Zünfte und
Anderes mehr, was weniger in den Kreis der Kirchengefchichte
gehört. Mit klarer Abficht, eine feciale Revolution
hervorzurufen, fchleudert der Verf. das Schlagwort
,chriftliche Freiheit' in die Maffen (162. 170. 206.

ftein in Franken cinch Vertrag mit ihnen fchlofs, in wel
ehern für die hufitifchen Herrn und Priefter zu einem
Nürnberger Tage ein Geleitsbrief entworfen wurde, auf
welchem der zum Bafeler Concil ihnen bewilligte beruht.
B. hat diefe auch kirchcngefchichtlich wichtige Urkunde
S. 171 ff- veröffentlicht. Sie und die Schilderung der

Thätigkeit Cefarini's für den ,Kreuzzug' von 1431 dürfen j 214 u. a.), welches fpäter in den Bauernkriegen fo furcht
in der Vorgefchichte des Bafcler Concils nicht überfehen , bar wiederhallte; es hat bei unferm Verf., wie bei den
werden. Der Hauptinhalt des ganzen Werkes aber ge- | revolutionären Bauern, eine focial-politifche, keine reli-
hört in die politifche Gefchichte, welche der Verf. durch j giöfe Bedeutung. — Der Schrift felbft hat der Heraus-
feinc an neuem Material reiche und fereng wiffenfehaft- | geber einen brauchbaren Commentar über wichtige Perlich
gefchriebene Darftellung wefentlich bereichert hat. j fönen und Sachen vorausgefchickt und in einer ausführ-
„ .. .„ p Tfchackert. liehen Einleitung die Autorfchaft Rcifer's bewiefen. Der

rialle a/S. j umftancL dafs fich die Ketzereien, wegen deren der

Hufitcnpricfter Reifer 1458 in Strafsburg verbrannt wurde,
principicll von den Anfchauungcn der Reformatio Sig.'
entfernen, wird der Böhm'fchen Beweisführung kaum
entgegengefetzt werden können, daReifer, der fectirerifche