Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1878 Nr. 9

Spalte:

203-206

Autor/Hrsg.:

Cave, Alfr.

Titel/Untertitel:

The scriptural Doctrine of Sacrifice 1878

Rezensent:

Kamphausen, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

203 Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 9. 204

dafs Erlaffung für immer gemeint fei (S. 78—83). —
8) Die letzte Abhandlung: ,Die zwei Abtheilungen der
Öpfergefetze Lev. I — IV u. ibid. VI—VII' will in der
erften Gruppe ein für das Volk beftimmtes Opfergefetz,
in der zweiten eine Priefter-Thora nachweifen (S. 84—92).

Dafs es dem Verf. überall gelungen fei, die Einheit
der pentateuchifchen Beftimmungen nachzuweifen, kann
Ref. nicht zugeben: die Beftimmung der Freilaffung im
Jobeljahre z. B. ift nicht zu verliehen, wenn die Freilaffung
im fiebenten Dienftjahre zu gleicher Zeit geübt
wurde. Auch dafs die traditionelle Auslegung überzeugend
gerechtfertigt würde , ift nicht allgemein zu
bejahen: der Verf. mufs z. B. felblt zugeben, dafs von
dem Wochenfeft in feiner Bedeutung als Gefetzgebungsfeft
kein Wort im A. T. fteht; wenn nun auch bewiefen wäre
— was m. E. nicht bewiefen werden kann —, dafs die
Zeit des Feftes mit der Zeit der Gefetzgebung zufam-
mentreffe, fo wäre damit doch noch immer nicht jene
Bedeutung dargethan. — Was, wie mir fcheint, den
Hauptwerth diefer mit vielem Fleifs und grofser Gründlichkeit
gearbeiteten Abhandlungen ausmacht, ift die
Orientirung in der fynagogalen Auslegung. Uebrigens
kennt und verwerthet der Verf. nicht minder die chrift-
liche Literatur, und zu befonderer Ehre gereicht feiner
Arbeit der würdige Ton, in welchem er Anfchauungen
beftreitet, welche als antitraditionell ihm von vorn herein
(S. 61) für irrende gelten.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Cave, Alfr., B. A., The scriptural Doctrine of Sacrifice.

Edinburgh 1877, T. & T. Clark. (524 S. gr. 8.) Cloth.
12 sh.

Das nach englifcher Sitte fchön gedruckte Buch des
Rev. A. Cave zu Watford in der Graffchaft Hertford will
unter Anwendung ,der hiftorifchen Methode' (S. 8) eine
vollftändige Behandlung des biblifchen Opfers von den
Tagen Adams bis zur Zeit des neuen Jerufalem geben.
Nach der Inhaltsüberficht (S. 9—16) folgt auf die Einleitung
(S. 17—27) das erfte Buch {Preparatory, S.
29—262) in drei Theilen, nämlich S. 30—55 die patriar-
chalifche Lehre vom Opfer, ferner S. 57—176 die mo-
faifche Opferlehre, endlich S. 177—262 die nachmolaifche
Lehre vom Opfer. An die 13 (2 -f- 6 -f- 5) Capitel des
erlten Buchs fchliefst fich das zweite {Plerotnatic, S.
263—472) in 14 Capiteln an, deren Ueberfchriften folgende
find: 1. allgemeine Betrachtung der NTlichen
Lehre vom Opfer (wie es einerfeits Chrifto, andererfeits
den Menfchen zugefchrieben wird); 2. die NTliche Be-
fchreibung des Werkes Chrifti als eines Opfers (as sa-
crificial); 3. die NTliche Lehre vom Werke Chrifti; 4. das
Werk Chrifti zum Ausdruck gebracht in Opferfprache;
5. die NTliche Lehre von der Sühne [of atonemeni); 6.
kritifche Ueberficht der Theorien von der Sühne; 7. die
Theorien von (den neueren englifchen Theologen) Campbell
, Bushneil und Dale; 8. die NTliche Sühne als Anti-
typus der ATlichen Sühne; 9. Opfer der Menfchen im
N. T.; 10. menfehliche Opfer unter dem N. u. A. B.
(Verhältnifs des Antitypus zum Typus); II. das Opfer
des Herrnmahles; 12. Ueberficht anderer Anflehten vom
heil. Abendmahl; 13. Opfer in der himmlifchen Welt;
14. die Schriftlehre vom Opfer (Zufammenfaffung der
Ergebnifse, S. 465 ff.). Anhangsweife {Appendix, S. 473—
499) wird dann gehandelt 1. über die hebräifchc Opferterminologie
und ihre helleniftifchen Aequivalente; 2.
über Afafel; 3. über jüdifche Auslegung von Jef. 53,
endlich 4. über die 70 Wochen Daniels. Mit einem Index
der angeführten Schriftftellen, fowie einem forgfältig gearbeiteten
Sach- und Namen-Regifter fchliefst das Buch.
Ein Verzeichnifs der Druckfehler wird vermifst, da folche
nicht fehlen; vgl. die leichtereren S. 15. 80. 88. 206. 254.
258- 393- 406. 470. 487. f. Zu den griechifchen Accent-
fehlern S. 487 f. gefeilen fich fchlimmere Verfehen, obwohl
die hebräifchen Lettern zum Glück vermieden find;
fo lefen wir S. 273 Anm., wo Knobel ebenfo falfch

' überfetzt ift als S. 158 C. J. Nitzfeh, dafs nasa cheta (?)
immer (? vgl. z. B. Lev. 10,' 17) das Wegnehmen der

j Sünde durch Tragen ihrer Strafe bedeute. Unter den 3
Druckfehlern auf S. 408 fteht taker für taher oder tiher
(S. 282), während doch tiltar das Richtige wäre. S. 283
foll selicliah bedeuten remuneration ftatt remission, als
wäre Vergebung mit Vergeltung verwechfelt.

Trotz folcher Flüchtigkeitsfehler ift das Buch mit
Fleifs und Gründlichkeit gearbeitet. Auch die deutfehe
Literatur (Riehm's Ofterprogramm über den Begriff der
Sühne im A. T. ift noch nicht benutzt; vgl. Herrn. Schultz,
in der Jenaer Lit.-Ztg. 1876 No. 42, u. Baudiffin, in der
Theol. Lit.-Ztg. 1878 No. 1) hat der Verf., foweit es fein

! Standpunkt erlaubte, in ziemlicher Ausdehnung zu Rathe

1 gezogen. Wenn er S. 134 überfieht, dafs die 12 Schau-
brode für das ganze Volk, nicht für die Priefter perfön-

S lieh, dargebracht wurden, oder gar S. 121 vom täglichen

j Dienft des Hohepriefters am Räucheraltar redet, während
doch das Pfannenopfer auf den ehernen Altar kam, fo
find das vereinzelte Irrthümer; im Ganzen hat Cave fich

! mit dem Detail der pentateuchifchen Gefetzgebung gut
bekannt gemacht. Aber der Raum verltattet mir hier
kein Hervorheben vieler Einzelheiten; ich will verfuchen,
das Buch nach feinem Gefammtcharakter in der Kürze
zu beurtheilen. Schon auf der erften Seite bezeichnet
C. feinen Zweck als einen d ogmatifchen, not apolo-
getic; mit der fogenannten Kritik, welche in die Ifagogik
hineingehöre, habe er nichts zu fchaffen. In wunderlicher

j Verblendung meint C. wiffenfehaftlich zu verfahren, indem
er die Bibel von dem veralteten Standpunkt der

! orthodoxen Dogmatik aus betrachtet; als Angehöriger
der englifchen Kirche, welche bisher von der biblifchen
Kritik erft wenig berührt worden ift, ftützt er fich mit
einer gewiffen Unbefangenheit auf fogenannte fromme
Meinungen, welchen die Repriftinatoren der alten Orthodoxie
in Deutfchland gar zu gerne die Autorität kirchlicher
Dogmen zufchreiben wollten. Es gilt ihm als aus-

; gemacht (vgl. S. 165. 168 f. 255), dafs Mofes den Penta-

; teuch gefchrieben habe, wobei nur mit alter Inconfcquenz

j die Schlufsverfe des Deut, ausgenommen werden, dafs
Jefaja und Daniel die nach ihnen genannten Bücher ganz
verfafsten, der Apoftel Johannes (S. 411) aufser Evangelium
und Briefen auch die Offenbarung. Wer aber
heute, nachdem Jef. 36, 1 durch die Keilfchriften ins

| rechte Licht geftellt ift, mit den ftolzen Worten (S. 209)
Jefaja ift uns keine Anthologie' an der Einheit diefes
Buches fefthält, handelt fürwahr gerade fo thöricht wie
Einer, der noch jetzt mit Origenes die 4 Hörner des
Brandopferaltars auf die 4 Evangelien beziehen wollte.
Die Freude, welche C. über den angeblichen Fund des
genauen Datums für die Kreuzigung Jefu und die Abschaffung
der mofaifchen Opfer im Buche Daniel (S. 217.
397. 499) äufsert, ruht thatfächlich auf derfelben Verachtung
der gefchichtlichen Wahrheit, welche fich in der
Stützung des römifchen Mcfsopfers durch Mal. 1, n zu
erkennen giebt. Der Verf. weifs fich viel mit feiner in-
duetiven Methode (S. 386 f.), welche der neueren Natur-
wiffenfehaft, die fich auf die Thatfachen der Natur ftütze,
zu fo herrlichem Auffchwunge verholfen habe. Er meint,
wenn nur der übermenfehliche Urfprung der Bibel zugegeben
werde (vgl. S. 272 die fchön klingende Ab-
fchwächung der alten Infpirationslehre, wonach man
fogar von verfchiedenen Lehrtypen der Apoftel fprechen
kann), fo könne man durch Inductionen von der terra

finita der Bibel die bisher durch haltlofe Speculationen
zur Vogelfcheuche gemachte Theologie wieder zur Würde
einer allgemein anerkannten Wiffenfehaft erheben. Ge-
wifs foll die Bibel als Urkunde der göttlichen Offen-
i barung die Norm für das chriftliche Dogma bilden, und
ficherlich ift (S. 21) ,Wahrheit über die Bibel das reh>
| giöfe Bedürfnifs unterer Zeit'. Aber C. hat keine Ahnung