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Ausgabe:

1878 Nr. 8

Spalte:

182-183

Autor/Hrsg.:

Prutz, Hans

Titel/Untertitel:

Die Besitzungen des Deutschen Ordens im Heiligen Lande. Ein Beitrag zur Culturgeschichte der Franken in Syrien 1878

Rezensent:

Furrer, Konrad

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181 Theologifche Literaturzeitung. 1878. Nr. 8. 182

Exegefe'; 2) was es gebe (S. 26—30), nämlich ,Licht über
die Geiftesarbeit von Ifrael, auch als Offenbarungsvolk';
3' was es möglich mache (S. 30—34), nämlich ,dafs man
zu einer faubern Entwicklung des Eigenartigen in Ifraels
Religion komme'. Offen verwirft V. die Vorftellung,
als fei die Offenbarung Mittheilung einer beftimmten
göttlichen Lehre oder übernatürliche Erzählung von
Thatfachen, deren abfolute Richtigkeit nicht dem minderten
Zweifel unterliegen könne und giebt die runde
Erklärung (S. 24) ab: ,Eine Exegefe, die nicht abfolut
frei ift, d. h. die an etwas Anderes gebunden ift, als an
den Text, den fie zu erklären hat, verdient ihren Namen
nicht'. Den Collegen der andern Facultäten giebt (S. 37)
der neue Profeffor der Theologie die Verficherung, er
wünfehe in dem Streite des Geiftes, der unfere Tage
bewegt, ein eifriger Mitftreiter zu fein, aber dabei das
fchöne Wort nicht zu vergeffen, dafs man in diefem
Streite allein Bundesgenoffen, keine Feinde hat. Wir
haben alfo, will's Gott, Gutes von der neuen Lehrkraft
in Utrecht zu erwarten; als Deutfcher und Rheinländer
darf ich darüber wohl meine befondere Freude aus-
fprechen, weil in Folge des grofsen Stipendiums, welches
der Pfälzer Bernhard aus Frankenthal an Utrecht gebunden
hat, Jahr aus Jahr ein viele meiner Landsleute
der Utrechter Pacultät als Studirende der Theologie
angehören.

Bonn. Ad. Kamphaufen.

Wünsche, Dr. Aug., Neue Beiträge zur Erläuterung der
Evangelien aus Talmud und Midrasch. Göttingen 1878,
Vandenhoeck & Ruprecht. (IX, 566 S. gr. 8.) M. 11. —
Der Werth des Talmud und der Midrafchim zur
Erläuterung gewiffer Seiten des Neuen Teftamentes ift
feit den Werken von Lightfoot (Horae Hebr.), Schött-
gen (Horae' Hebr.) und Wetftein (Nov. Test.) keinem
Einfichtigen mehr verborgen. Jeder beliebige Commen-
tar aus neuerer Zeit giebt Zeugnifs davon, wie unentbehrlich
das von Jenen gcfammelte Material zum Ver-
ftändnifs des Neuen Teftamentes, vor allem der Evangelien
, ift. Nur find freilich die brauchbaren Körner aus
einer fo unendlich weitfehichtigen und zugleich fo fchwer
zugänglichen Maffe herauszulefen, dafs man wohl begreift
, weshalb feit jenen Männern Niemand mehr es
auf fich genommen hat, die rabbinifche Literatur zu dem
angedeuteten Zweck felbftändig zu durchforfchen. Um
fo freudiger ift es daher zu begrüfsen, dafs jetzt faft
gleichzeitig zwei Publicationen an den Tag treten, welche
beide auf Grund langjähriger gründlicher Befchäftigung
mit Talmud und Midrafch das bis auf Wetftein ange-
fammelte Material in fehr erwünfehter Weife ergänzen:
Die Horae Hebraicae von Delitzfch (Zeitfchr. f. luth.
Theol. u. Kirche, Jahrg. 1876-1878) und das obige Werk
Wünfche's.

Der Zweck des letzteren ift durch den Titel hinreichend
angedeutet. Es fammelt, ganz in der Weife
Lightfoot's und feiner Nachfolger, zur Erläuterung einzelner
Stellen der Evangelien Materialien aus Talmud
und Midrafch. Mit Recht befchränkt es fich auf diefe
beiden Literaturgruppen. Denn nur fie, nicht aber die
von Schöttgen ftark benützte kabbaliftifche Literatur,
repräfentiren die eigentlich traditionelle und fozufagen
officielle jüdifche Theologie und Exegefe. Dafs durch
das Werk Wünfche's das von den Vorgängern beigebrachte
Material eine fehr wefentliche und dankenswerthe Be- j
reicherung erfährt, zeigt fchon eine flüchtige Vergleich-
ung des erfteren mit diefen. Dabei ift es anerkennens-
werth, dafs das von den Früheren Gefammelte in der !
Regel' nicht wieder mit aufgenommen wird. Aber —
und damit kommen wir nun zu den Schatten feiten des
Buches — der Verf. hätte auch feine eigenen Collecta-
neen noch viel ftärker fichten müffen, ehe er fie in den [
Druck gab. — Wozu "Wiederholungen dienen follen, wie

z. B. S. 13 = 179, "88 = 219 f., ift nicht einzuteilen.
Es genügte an der fpäteren Stelle die Verweifung auf
die frühere. Sehr Vieles, was mitgetheilt wird, ift entweder
überflüffig oder ganz ungehörig. Was foll z. B.
die Notiz S. 196: ,R. Chisda hatte alle Schlüffel feinem
Diener Schemaja anvertraut, nur den vom Mundvorrathe
nicht', als Parallele zu Matth. 16, 19 dcoaw 001 z«g v.lei-
öas zfjc ßceoileiag %üv ovqccvüvW Von diefer Art ift
aber gar Vieles. Endlich aber ift die Auswahl des Materials
eine geradezu parteiifche. Bei den antipharifäi-
fchen Ausfprüchen Jefu werden in der Regel nicht etwa
Materialien mitgetheilt, die zum Beweife dienten, dafs
die Polemik Jefu eine berechtigte war — Materialien,
wie fie der Verf., wenn er gewollt hätte, mit Leichtigkeit
hätte finden können —, fondern umgekehrt faft nur
folche Ausfprüche der Rabbinen, die mehr oder weniger
mit den Ausfprüchen Jefu übereinftimmen, fo dafs nun
die Strafreden Jefu ganz grundlos und unmotivirt
erfcheinen; vgl. z. B. S. 75. 81. 82 f. 83. 91. 184 — 186.
221. 275. 277. 285. Ein folches Verfahren wäre bei
einem Verf., der eine Apologie des Judenthums fchrei-
ben will, begreiflich und berechtigt; bei einem Theologen
aber, der bis jetzt noch für chriftlich gelten
will, ift es doch etwas eigenthümlich. Jedenfalls entgeht
in Folge diefes Verfahrens dem Exegeten, dem
es um hiftorifche Exegefe zu thun ift, gerade dasjenige
Material, das für ihn in erfter Linie von Werth wäre.
— Ein wahres Glück ift es aber, dafs das Buch feiner
ganzen Anlage nach eben nur eine Materialienfammlung
fein follte und in der Hauptfache auch ift. Denn wo
fich der Verf. einmal dazu verführen läfst, Anflehten und
Urtheile zu äufsern, da mifslingen fie in der Regel. Das
Wort des Herrn Matth. 6, 24: ov dvvaatrs 0-ev> Jovktvetrr
y.ai ttafiwvy, mufs fich die nafeweife Correctur gefallen
laffen, dafs ,nach der Anficht der Rabbinen und felbft
nach unteren heutigen Erfahrungen' die Liebe zu Gott
neben der zu irdifchen Befitzthümern fehr gut beftehen
kann, wenn man nämlich von diefen den rechten Gebrauch
zu machen und fich ihrer zum Berten anderer
zu entäufsern vermag iS. 94).

Trotz alledem wünfehen wir dem Buch eine recht
vielfeitige Beachtung und fleifsige Benützung. Es bietet
neben manchem Unbrauchbaren doch auch des Brauchbaren
und Werthvollen noch fo viel, dafs kein Exeget,
dem es um ein hiftorifches Verftändnifs des Neuen
Teftamentes zu thun ift, es ignoriren darf. — DieDruck-
correctur ift leider recht mangelhaft. Das lange Fehler-
verzeichnifs am Anfang ift durchaus noch nicht vollftän-
dig. Einige, und zwar im Fehlerverzeichnifs nicht angegebene
Druckfehler find fogar der Art, dafs fie geradezu
einen falfchen Sinn ergeben; vrrt. S. 73, 77 und IM
(dreimal!) ,Fefttage' ftatt Fafttage.

Leipzig. E. Schürer.

Prutz, Prof. Dr. Hans, Die Besitzungen des Deutschen
Ordens im Heiligen Lande. Ein Beitrag zur Culturge-
fchichte der Franken in Syrien. Mit 1 (lith.) Ueber-
fichtskarte. Leipzig 1877, Brockhaus. (VII, 82 S.
gr. 8.) M. 2. 50.

H. Prutz, dem wir eine fehr anfprechende Schrift
über ,Phönizien mit befonder.er Rückficht auf die mittelalterlichen
Culturverhältnifse jener Gegend' verdanken,
bietet uns neuerdings einen Beitrag zur Kenntnifs Pa-
läftina's im Zeitalter der Kreuzzüge. Mit Recht bemerkt
er, dafs bis dahin diefes Land allzufehr faft nur um der
biblifchen Archäologie willen durchforfcht worden fei,
und einzig Tit. Tobler in bedeutender Weife auch die
fpätere Gefchichte desfelben aufgehellt habe. Tobler's
Monographien über Jerufalem und Umgebung, über
Bethlehem und Nazareth überragen in der That durch
ihre ftaunenswerthe Gründlichkeit und Vielfeitigkeit alle