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Ausgabe:

1877

Spalte:

169-174

Autor/Hrsg.:

Mason, A. J.

Titel/Untertitel:

The persecution of Diocletian 1877

Rezensent:

Harnack, Adolf

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169

Theologifchc Literaturzeitung. 1877. Nr. 7.

diefcm ihrem erften fyftematifchen Verfolger. Hätte
Maximin durchgefetzt, was er gewollt, fo würden wir
heute das neue Capitel in dem Verhältnifse von Staat
und Kirche nicht von Decius, fondern von ihm an zu
datiren haben. G. hat — getäufcht durch den Mifserfolg
Maximin's — diefen Sachverhalt nicht einzufehen vermocht
, in feiner Darftellung wirft er, befonders S. 540 f.,
wo er Wietersheim bekämpft, fortwährend die Frage
nach dem Umfang der Verfolgung mit der nach der
Abficht Maximin's durch einander. Dafs natürlich die
Chriften Quälereien in Cappadocien keine Ausführung
des kaiferlichen Edictes find, verfteht fich von felbft.
Es werden aber doch die Märtyreracten, refp. die Nachrichten
von Martyrien aus jener Zeit, einer erneuten
Prüfung unterzogen werden müffen. Die Unterfuchung
der Fragen endlich, was denn das eigentliche Motiv des
Chriftenhaffes bei Maximin war, wenn es ficher nicht
das eines Decius gewefen fein kann und wenn die Feind-
fchaft gegen alles was an Alex. Sev. erinnerte (fo G.)
nicht ausreicht, fowie die Prüfung der anderen, ob Max.
alle Cleriker oder nur die Bifchöfe zu tödten befohlen
habe — eine Frage, für deren Löfung man fich kaum
mit G. (S. 546 f.) auf Oros. VII, 19 und Sulpicius wird
berufen dürfen — endet zur Zeit mit einem nou liquet.

Leipzig. Ad. Harnack.

Mason, A. J., The persecution of Diocletian. A hiftorical
effay. Cambridge 1876, Deighton, Bell & Co. (XIII,
379 S. gr. 80

,Bevor Diocletian Harb, wurde die grofse Mafsregel
getroffen, welche den Abfchlufs feiner eigenen unterbrochenen
Reformpolitik bildete. Es mag gerade für
fein klägliches Ende ein kleiner Troff gewefen fein, dafs
er das Edict von Mailand noch gefehen hat'. Mit diefen
Worten schliefst Mafon feine Darftellung der diocle-
tianifchen Chriftenverfolgung (303—313) und der Reform-
politik des grofsen Kailers. Sie bezeichnen in Kürze,
wie der Verf. diefelbc beurtheilt; aber fie bezeichnen
zugleich in charakteriffifcher Weife die Unvorfichtigkeiten,
welche er bei feiner Beurtheilung nicht vermieden hat.

Es ift hinreichend bekannt, dafs neben Gibbon
Burckhardt (die Zeit Conftantin's des Grofsen, 1853)
in bahnbrechender Weife Diocletian's Politik dargeftellt
hat; nicht minder aber darf es für ausgemacht gelten,
dafs ,der glänzenden Darftellung Burckhardt's die Unbefangenheit
, dieObjectivitätundPünktlichkeitderForfchung
nicht völlig ebenbürtig zur Seite flehen'. Das hat fchon
Vogel (Diocletian 1857) in einzelnen Punkten erkannt;
aber vor allem Keim (Uebertritt Conftantin's, 1862)
gebührt das Verdienft, in Kürze eine Reihe der wichtigften
Fragen auch betreffs Diocletian's richtiger geftellt und
beantwortet zu haben. Dann erfchien — von franzö-
fifchen und englifchen Arbeiten, den Vorunterfuchungen
von Bernhardt (Politifche Gefchichtc des römifchen
Reiches von Valerian bis zu Diocletian's Regierungsantritt
, 1867), und den kleineren Arbeiten von Bernhardt,
Preufs, Ritter u. A. abgefehen — im Jahre 1865 R ich t er's
Werk über die Kaifer Gratian u. f. w., im Jahre 1868 die
ausführliche und forgfame Darftellung Hunziker's ,Zur
Regierung und Chriftenverfolgung des Kaifers Diocle-
tianus und feiner Nachfolger' (Büdinger, Unter-
fuchungen zur römifchen Kaifergefchichte Band II,
S. 113—286). Aus einer Vergleichung diefer fpäteren
Arbeiten mit der Burckhardt's ergiebt fich, dafs jeder
Fortfehritt auf der von Burckhardt felbft angegebenen
Linie zur Beurtheilung Diocletian's zugleich eine Ehrenerklärung
für den von Burckhardt fo abfehätzig beur-
thcilten Verf. der mortes persecutorum, Lactantius
(Ebert, Berichte der philofophifch-hiftorifchen Claffe
der königlich fächfilchen Gefellfchaft der Wiffenfchaften
Band 22 [1870] S. 115 f.) enthielt (vgl. Burckhardt S. 46.

327 f. 329. 337. Keim S. 75 f. Hunziker S. 117—122).
Nach dem Vorgange von Keim erklärte bereits Hunziker,
dafs der in der Darftellung des Lactantius verwobene
gefchichtliche Stoff im Ganzen zuverläffig ift.'

Hier hat Mafon eingefetzt. Die Refultate feines
fleifsigen und umfichtigen Werkes laffen fich in drei
Hauptfätze zufammenfaffen. 1) Die Zuverläffigkeit der
mortes erprobt fich in noch weit gröfserem Umfang,
als Hunziker dies angenommen. 2) Eine genaue Unterfuchung
des Charakters und der Politik Diocletian's,
auch auf Grund der mortes, ergiebt, dafs Burckhardt und
feine Nachfolger diefen ,neuen Auguftus' nicht nur nicht
überfchätzt haben, fondern vielmehr noch hinter der
epochemachenden Bedeutung des Mannes mit ihrer
Beurtheilung zurückgeblieben find. 3) Diefelbe Unterfuchung
ftellt aber auch ficher, dafs Diocletian, ein
Chriftenfreund, zur Chriftenverfolgung nur durch feine
Umgebung, vor allem von Galerius, gedrängt worden
ift, und dafs er in fie endlich nur gewilligt hat, um mit
ftaatskluger Milde vorfichtig eine Bewegung felbft noch
wenigftens einzuleiten, deren Unvermeidlichkeit fich ihm
zu feinem Schmerze aufdrängte, die er eben deshalb
der Initiative des bigotten und rohen Galerius, deffen
Thronbefteigung bevorftand, im Intereffe der Ruhe und
Sicherheit des Staates nicht überlaffen durfte. Ref.
hat fich Mühe gegeben, die Aufhellungen Mafon's pünktlich
zu controlliren. Es war dies eine anziehende Arbeit.
Nicht nur nimmt der Stoff in feiner ganzen Breite das
höchfte Intereffe für fich in Anfpruch; die fpecielle Con-
troverfe zwifchen Mafon und Hunziker, ob die Diocle-
tianifche Staatspolitik die Verfolgung als ,den Abfchlufs
ihres Werkes, die Krönung des Gebäudes' forderte, da
ja der römifche Staat möglich!! auf den früheren Grundlagen
wiederhergeftellt werden follte (Hunziker S. 146 f.
153) oder ob umgekehrt die Ordnung der Dinge, wiche
Diocletian nicht reformatorifch, fondern neufchöpfe-
rifch begründet hat ("Mafon S. 73 f.), jede Art von
Verfolgung ausfchlofs, mufs nothwendig zum Austrag
gebracht werden. Zunächft wird Mafon folgendes zuzu-
geftehen fein. 1) Die Diocletianifchc Staatspolitik war
durchgehends eine neue und Diocletian hat fich felbft
darüber nicht getäufcht. 2) Diocletian hing bei aller
Religiofität und allem Aberglauben, fowie bei dem aus-
gefprochenen und wirkfamen Beftreben, den Staat auf
der Grundlage des Götterglaubens zu fettigen, nicht an
den Formen der ftrengen alten römifchen Staatsreligion,
die er durch feine neue Reichsordnung felbft auf's tödt-
lichfte verletzt hatte. 3) Die Lage der Chriften am Hofe
und im Reiche war bis 303 eine völlig unbehelligte.
Militärcxecutionen gegen unvorfichtig demonftrirende
Chriften kommen nicht in Betracht. Die Säuberung des
Heeres vor 303 von' Chriften läfst ebenfalls keine deutlichen
Schlüffe zu. Das Edict gegen die Manichäer
gehört, wenn es überhaupt von Diocletian herrührt, einer
viel fpäteren Epoche an (S. 275 f.). Die Behauptung,
dafs Diocletian von Anfang feiner Regierung an nach
Kräften diefelbe Haltung gegen die Chriften eingenommen
, wie feit 303, ift nicht nur grundlos, fondern
pofitiv falfch. Vielmehr erfcheint die Nachricht, die
Chriften hätten bis 303 in Diocletian's Gunft geftanden,
glaubwürdig. 4) Die pofitive Angabe des Lactantius
(c. 11), Diocletian habe fich lange gegen die Chriftenverfolgung
gefträubt, erfcheint deshalb glaubhaft, weil
Lactantius nachweisbar kein Intereffe daran gehabt hat,
Diocletian von der Verantwortung auf Kotten des Galerius
in irgend einem Sinne zu entlaften. 5) Es ift fehr
wahrfcheinlich, dafs Diocletian bei dem fog. 4. Edict
(30. April 304) nicht betheiligt ift und dafs auch fonll
Ausfchreitungen in Proceffen gegen Chriften von ihm
zurückgewiefen worden find. Soweit ift Mafon beizupflichten
; aber leider hat er den Bogen zu ftraff gefpannt
und er ift ihm in den Händen zerbrochen. Weder ift
es ihm trotz allem aufgewendeten Scharffinn und einer

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