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Ausgabe:

1877 Nr. 7

Spalte:

167-169

Autor/Hrsg.:

Görres, F.

Titel/Untertitel:

Kritische Untersuchung über die Christenverfolgung des römischen Kaisers Maximinus I. des Thraciers 1877

Rezensent:

Harnack, Adolf

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167 Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 7. [68

Görres. F., Kaiser Alexander Severus und das Christen- Ausdrücke wie ,longa pax' etc. (vgl. Cyprian, Origenes,
thum (Ztfchr. f. wiff. Theol. 1877. I. S. 48—89). Firmil., Eufeb. h. c. V, 16) find dagegen keine Inftanzen

_.. „ „ ...__. „ . ... . . . , , und die Behauptung, die echten kirchlichen Quellen

Gorres, F., Kritische Unters, über d. Christenverfolgung ! hätten flch dic Erwähnung folcher Martyrien nicht ent-
des römischen Kaisers Maximinus I. des Thraciers (Ztfchr. I gehen laffen, wofür Eufeb. h. e. V, 21 citirt wird, wird
f. wiff. Theol. 1876. IV. S. 526—574). ; fchon durch den z. Z. des Commodus fehreibenden

1 Irenaus widerlegt (IV, 33, 9: tnultitüdinetn martyrum in
omni tempore praemittit [ecc/esia] ad patrem —■ die
Uebertreibung discreditirt hier nicht die Thatfache felbft),
einfacher noch durch den Hinweis darauf, dafs wir nicht
alle ,echten kirchlichen Quellen' mehr befitzen.

Die chriftenfeindlichen Tendenzen des Kaifer Maximin
, des Nachfolgers des Alex. Sev. (235—238), er-
fcheinen auf den erften Blick — und auch für Görres —
nur wie ein Ausflufs feiner gegen die Anhänger des

In der erften feiner beiden Abhandlungen beabfich-
tigt Görres nicht ein vollftändiges Bild von der Lage
der Kirche unter Alexander Sev. zu geben (f. J.J. Müller,
Staat und Kirche unter AI. Sev., Zürich 1874); er will
nur die Angaben über die directen Beziehungen des
Kaifers zum Chriftenthum unterfuchen und die äufsere
Lage der Kirche in jener Zeit feftftellen. In den Hauptpunkten
ift das Richtige getroffen; neues Material ift

nicht beigebracht; auch find neue Gefichtspunkte nicht ! Alex. Sev. und deffen Politik gerichteten Beftrebungen.
erfchloffen. Die Kritik der einfchlagenden Märtyreracten | Während (Eufebius), Origenes, Auguftin als 6. Chriften-
war hier nicht fchwer und ift umfichtig geführt; mit Verfolgung die jenes Kaifers zählen, fchweigen Lactantius
Recht ift felbft das relativ beftbezeugte Martyrium des und Gregor von Tours gänzlich. Will nun auch dies

römifchen Bifchofs Callift in Abrede geftellt (f. Lipfius,
Chronologie d. röm. Bifchöfe, S. 175—179). Die wich-
tigften Worte (Lampr. Vita Alex. 22): ,Christianös esse

Schweigen der letzteren wenig befagen, fo bleibt es
wichtig, dafs Sulpicius Sev. (Chron. II, 32) ausdrücklich
die Zeit von Septimius Sev. bis Decius (211—249) eine

passus est' find richtig erklärt. Doch find, abgefehen Friedenszeit nennt, ,nisi quod medio tempore Maximians
von Weitfchweifigkeiten und unvorfichtigen Ausdrücken nonnullarnm ecclcsiarum clericos uexavit. Diefe Quälereien

wie der, AI. Sev. habe das Bild des Gekreuzigten in
feinem Lararium gehabt, einzelne Unrichtigkeiten zu
corrigiren. Es ift unrichtig, wenn G. (S. 49) behauptet,

zählt er indefs nicht. Die feptimianifche Verfolgung ift
ihm die 6., die decianifche die 7. Jener einfehränkende
Satz ift unftreitig aus Eufebius hist. eccl. VI, 28 genoffen.

unter der Regierung des Antoninus Caracalla fei es zu ; Diefe Stelle, eine andere bei Firmilian (Cypr. cpp. 75, io)
keiner Befehdung der Kirche gekommen. Die Schrift i und eine 3. bei Origenes (Tractat. 28 in Matth.) find die
Tertullian's ad Scapulam, die doch nach c. 4 (,Ipse etitim j einzigen deutlichen und feften Anhaltspunkte zur Charak-
Sevents, pater Antonini, Christianorum memor fnit') unter terifirung der Art und des Umfangs der Verfolgung; da-
Caracalla gefchrieben ift, lehrt das Gegcntheil. Ferner: ! bei wird man fich Händig der bekannten, wenn auch
Ulpian's Werk de officio proconsulis wird von G. (S. 75 f.) j klüglich gefärbten Angabe des Origenes (contra Cels.
auf die Zeit des Septimius Severus datirt, ohne dafs die j III, 8) erinnern müffen, dafs bis auf die Zeit des Philip -
entgegenflehende Anficht, es gehöre der Zeit des Cara- pus Arabs nur zeitweife wenige und fehr leicht zu
calla an, berückfichtigt wird. Letztere ift aber fogar die J zählende Gläubige das Martyrium erlitten haben. Auf
weitaus wahrfcheinlicnere (f. Teuf fei. Röm. Literatur-
Gefch. 3. Aufl. § 379, 2. 5). Jenem Werk war eine Sammlung
kaiferlicher Edicte gegen die Chriften einverleibt
(Lactant., Institt. V, 11). Weiter, Spartianus (Vit. Anton.
Carac. 1) fagt nicht, dafs einft chriftliche Knaben die
Gefpielen des jugendlichen Caracalla gewefen, wie G.
(S. 49) angiebt, er fpricht vielmehr nur von einem ,con-
lusorpner ob Judaicam religionem gravius verberatus'. Ter-
tullian (ad Scap. 4) nennt den Caracalla allerdings ,/acte
Christiano nutritus1; aber unter der ,Judaica religio1 jenes
Knaben deshalb fofort die chriftliche zu verliehen ift
unftatthaft. Den antimontaniftifchen Anonymus bei Eufebius
(hist. eccl. V, 16) läfst G. (S. 62 f.) ferner mit Be-
ftimmtheit i. J. 231 oder 232 fehreiben und macht von
dieferDatirung im folgenden den weitgehendften Gebrauch;
allein der Tod der Maximilla kann durchaus nicht ficher
auf d. J. 218 angefetzt werden und damit wird die ganze
Berechnung und die darauf gebaute Schlufsfolgerung
hinfällig. Auch der Beweis, dafs jene bekannte Ent-
fcheidung des AI. Sev. (Lampr., Vita Alex. Sev. c. 49)
in Sachen der Chriften gegen die Garköche, nicht früher
als kurz vor 229 fallen kann (S. 69 f.), ift völlig ungenügend
; denn weder folgt aus der Combination von
Lampr. c. 49 mit c. 50 irgend etwas, noch kann die
Ueberlegung von Gewicht fein, dafs Alex. Sev. in früherer
Zeit (i. J. 222 ff.) noch nicht die nöthige Reife des Ur-
theils für jene Entfcheidung gehabt habe. Endlich ift
der Ausdruck, man müffe es für ausgemacht halten, dafs
zwifchen 222 u. 235 kein einziger Chrift feine religiöfe
L'ebcrzeugungstreue mit dem Tode befiegelt hat (S". 78,
vgl. S. 77), mehr als eine Unvorfichtigkeit; übrigens widerlegt
fich G. felbft, wenn er bemerkt, a prioriTonne er die
Möglichkeit vereinzelter Martyrien nicht leugnen. Kamen
doch felbft unter Commodus, Philippus Arabs und in
der Zeit zwifchen Gallienus und Diocletian (303) ficher
fort und fort Hinrichtungen vereinzelt vor, von Volksau
fftänden gegen die Chriften zu fchweigen. Allgemeine

Grund diefes Materials hat G. den Ümfang der Maxim.
Verfolgung, wie dem Ref. fcheint, richtig beftimmt; auch
hat er in überzeugender Weife gezeigt, wie Maximin nicht
im Sinne eines Decius oder Marc Aurel Chriftenverfolger
geworden ift. Hatte er doch vielmehr die alten Götter
und was noch Altrömifches in Staat und Gefellfchaft war
gerade gegen fich. Dagegen hat G. Maximin's Abrichten
entfehieden unterfchätzt, ja ganz unzureichend
beftimmt. Eufebius (ihm folgend Sulpicius Sev. und
Orofius) hat uns die koftbare Nachricht überliefert:
Magtpivog .... duoyii'v sysigag xovg xiöv ixxlrjoiüjv aq-
ynvxag (tövovg wg ahiovg xrjg xara xh svayysUov dtöaa-
/.aliag ävcuoeiaÜ-ai ugoirxaxxei. Bekanntlich find ähnliche
Edicte noch zweimal ausgegangen, unter Valerian
(Cypr. ep. 80) und unter Diocletian (das fog. 2. v. Jahr
303). In beiden Fällen bezeichnen fie den richtigen
politifchen Blick der Kaifer. Der von G. verächtlich be-
urtheilte Maximin ift alfo der erfte gewefen, der die hohe
Bedeutung der chriftlichen Hierarchie erkannt hatte und
der die Kirche durch Ausrottung dcrfelben vernichten
wollte. Das zeigt eben fo viel Entfchloffenheit als
— um 235 — richtige, ja geniale Politik, genialere jedenfalls
als die jenes Romantikers, Decius, es war. In dem
Moment aber, wo zugeftanden ift, dafs Maximin durch
Befeitigung der Hierarchie die Kirche felbft zu befeitigen
beftrebt war — und Ref. wüfste nicht, welch' andere
Zwecke er damit verfolgt haben könnte (vgl. Eufeb. I.e.:
10g aixLovg xrjg xara xo svayySAiov öidaaxaXlag,, reicht
dasjenige, was G. über die Motive der Chriftenfeind-
fchaft Maximin's bemerkt hat, lange nicht mehr aus.
Dafs die Beftrebungen des Kaifers keinen oder nur
geringen Erfolg gehabt haben, lag nicht an ihm, fondern
daran, dafs er nicht die Macht befafs, feine diesmal fehr
ftaatsklugen Befehle in Kraft zu fetzen und dafs er fo
ziemlich alle fonft chriftenfeindlichen Mächte
im Staat gegen fich hatte. Diefem Umftande verdankt
die Kirche ihren faft ungetrübten Frieden unter