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Ausgabe:

1877 Nr. 6

Spalte:

136-137

Autor/Hrsg.:

Brill, W. G.

Titel/Untertitel:

Bijbelstudien. I. Bd 1877

Rezensent:

Chantepie de la Saussaye, Pierre D.

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Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 6.

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Autorität in Anfpruch' nehmen kann, fondern die chrift- I durch übernatürliche Erleuchtung in den Stand gefetzt
liehe Weltanfchauung in ihren wefentlichen Grundzügen, fein follten, über profanwiffenfchaftliche Fragen Kennt-
Hier fteht die Frage fo, ob die wiffenfehaftliche Methode, j nifse kund zu .thun, welche über den Bildungsftand ihrer
welche diefelbe beanfprucht, fpeeififeh anders ift als die- | Zeit hinausgingen'. Steht die Sache fo, dann heifchen
jenige, welche das übrige Gebiet unteres Erkennens und • wohl ganz andere Fragen Antwort, z. B. die, ob nicht
Wittens beherrfcht. Zu diefem Kampfe hat nachweislich 1 eine phyfikalifche Vorftellung vom Himmel oder von
die Formel ,Bibel oder Natur' das Vorpoftengefecht gc- . dem natürlichen Gefchehen fo enge mit wichtigen kirchliefert
; in diefer Befchränkung wären (von anderen Be- liehen Dogmen verbunden ift, dafs eine wefentliche Umdenken
abgefehen) Erörterungen, wie fie der Verf. liefert, bildung derfelben durch die Ergebnifse der Naturwiffen-
auch heute noch immer zeitgemäfs. Derfelbe bringt fo 1 fchaft geboten fein dürfte. Oder, um bei dem A. T.
viel Material herbei (namentlich find die fteten Bezüge zu bleiben, läge die Unterfuchung näher, wie die Schöpfauf
Auguftin und Thomas in den erften Capiteln fehr 1 ungsidee fich verfchieden ausgeprägt hat (fchon in Gen.
intereffant), dafs auch der Kundigfte noch Belehrung
fchöpfen kann.

Nur einige Unklarheiten bleiben noch zurück. Der

1, noch mehr bei anderen altteft. Schriftftellern), wann
und wie fie auf die anderen religiöfcn Grundanfchauung-
en Einflufs geübt habe, warum die ,fechs Tage' nur
Verf. findet freilich nirgend einen unverföhnlichen Wider- i bei Einem biblifchen Autor fich finden, wie die von de
fpruch zwifchen der Bibel und den wirklich feftftehenden j Lagarde angeregte Frage über das Verhältnifs zwifchen
oder mindeftens höchft wahrfcheinlichen Ergebnifsen der I Gen. 1 und der perfifchen Kosmogcnie zu beantworten

Geologie und Aftronomie. Diefe Harmonie wird aber
nur durch den Nachweis erreicht, dafs die Bibel gerade
da, wo der Widerfpruch anheben könnte, ,unbeftimmt'
redet und mehrfachen Deutungen Raum läfst, von denen
wenigftens Eine mit den Ergebnifsen der Naturwiffen-
fchaft wohl übereinftimmt. Diefe ,Unbeftimmtheit' ift, fo
fqheint es uns, entweder vom biblifchen Autor beabfich-
tigt, und dann mufs er die Ergebnifse der Naturwiffen-
fchaft wohl gewufst haben, um jeden ausdrücklichen
Widerfpruch zu vermeiden (S. 228: Moyfes übergeht
das mit Stillfchweigen, was mit dem Menfchen nicht in
Beziehung fteht), — oder fie ift fubjectiv, und jeder fernere
Schritt der Exegefe, der jene Unbeftimmtheit hebt
und die wirkliche Meinung des Autors evident macht,
mufs die Collifion herbeiführen. So ftellt der Verf. jeden
Exegeten, der die buchftäbliche Faffung der Schöpfungstage
(NB. als Meinung des biblifchen Autors) ver-
theidigt, in einen ,unverföhnlichen Widerfpruch' mit der
Geologie (S. 150. 216), und auch wohl den, welcher in
Gen. 1, 14. 16. als Anficht des Autors nicht das blofse

fei, endlich in welchem religiöfen Werthverhältnifse die
verfchiedenen Vorftellungen über die Erkennbarkeit und
die Fertigkeit der ,Ordnungen Himmels und der Erde'
zu einander ftehen. Gleichwohl bleibt auch das Ge-
leiftete lebhaften Dankes werth. Hinfichtlich der Kürzungen
hätte der Verf. noch weiter gehen können, als
er ohnedies fchon gethan hat, ohne die fchönc Klarheit
und Ueberfichtlichkeit zu fchädigen, welche gerade feine
Entwickelung vor manchen anderen, vortheilhaft auszeichnet
. So kehrt z. B. derfelbe Ausfpruch von Quen-
ftedt S. 42 und S. 200 wieder, derfelbe von Häckel S.
364 und 448.

Tübingen. L. Dieftel.

Brill, HoogleeraarDr. W. G., Bijbelstudien. i.Bd. Leiden
1876, E. J. Brill. (551 S. 8.) fl. 5. —

Der Verfaffer diefes Buchs, wovon der erfte Band
(den Pentateuch, Jofua und das Buch der Richter umSichtbarwerden
, fondern die Erfchaffung der Geftirne I faffend) feit Kurzem vollftändig vorliegt, ift Profeffor der

findet. Jener Mangel an Unrichtigkeit hätte zur Voraus-
fetzung ein höheres Wiffen des ,Moyfes' oder eine übernatürliche
Erleuchtung: Beides fpricht der Verf. dem
M. in phyfikalifchen Dingen ab (S. 260 f.). Oder jene
negative Eigenfchaft wäre die nothwendige Kehrfeitc der
pofitiven Autorität: da aber die letztere fich nach S. 23
nur auf ,die religiöfen Wahrheiten' erftreckt, fo würde
die gefammte Naturfeite indifferent fein. Gleichwohl

holländifchen Sprache und Gefchichte. Er hat fich aber
auch viel mit der Bibel befchäftigt, und früher fchon
eine Schrift veröffentlicht, worin ,Ifrael en Egypte' feiner
geiftigen Eigenthümlichkeit nach gefchildert wurde. In
den BijbclstudÜ'n will er nun eine, wenn auch nicht alles
einzelne berührende, doch fortlaufende Befprcchung der
Bibel geben. Diefes Werk, worin er die Frucht reicher
Lebenserfahrung niedergelegt hat, entfpricht lediglich den

heifst es S. 14O: ,Die Theologie lehrt, dafs der Er- i Zwecken geiftiger Anregung und Erbauung. Es ift ein
fchaffung des Menfchen ein Zeitraum von mehr als fechs- merkwürdiges, ein originelles, erfrifchendes Buch! Dafs
mal vier und zwanzig Stunden vorhergegangen fein kann'. 1 der Verfaffer ein Nicht-Theologe ift, fpürt man überall.
Spricht indeffen die Bibel (S. 34) von der Natur ,fo, wie ' Ihm ift nicht blofs jede dogmatifchc Befangenheit fremd,
der gewöhnliche Menfch auf Grund deffen, was er wahr- , fondern es fehlen auch gänzlich die fonft fo häufigen

nimmt, davon redet', und wird diefer Augenfchein durch
die ftrengere wiffenfehaftliche Forfchung faft überall ,be
richtigt', fo mufs die Sprechweife der Bibel nothwendig

Seitenblicke auf kirchliche Zuftändc. Um die Refultate
der Kritik kümmert er fich kaum, aber er redet auch
nicht im gewöhnlichen Ton der Erbauung. Er hat kein

,unrichtig', werden, wie S. 24 auch zugegeben und für 1 apologetifches Intereffe um die hiftorifche Wahrheit der
.unbedenklich' erklärt wird. Mit diefer Frageftellung | Gefchichte zu vindiciren, im Gegentheil betont er, dafs
(Augenfchein und Forfchung) dürfte aber vorab die ganze ! die biblifchen Berichte für ihn ihren Werth keineswegs
Sache erledigt fein; denn da die Bibel weder natur- um ihrer hiftorifchen Treue willen haben. Er fieht in
wiffenfehaftliche Belehrung bezweckt, noch auch eben der Bibel ,die Offenbarung des verborgenen Wefens der
deshalb .Unrichtigkeiten' vermeiden kann, fo fälft jedes Dinge, der Grundformen, die im bunten Wechfel der Er-

fcheinungen von Natur und Gefchichte immer vorhanden
find'; die einzelnen Facta werden in der H. Sehr, alfo
nicht um ihrer felbft willen, fondern als Offenbarungen des
,Logos der Dinge' erzählt (S. 442). Gegen allegorifche
Auffaffung verwahrt er fich durch die Behauptung, es
feien keine abftracten Begriffe, fondern .phyfifche Realitäten
', welche die Schrift uns mittheile; — und wenn
letzterer Ausdruck den Theofophen vermuthen liefse, fo
unterfcheidet Prof. Brill fich doch von einem folchen
dadurch, dafs bei ihm überall die chriftlich-humaniftifchen
Gedankenreihen durchleuchten.

' Es ift hier der Oft nicht auf Einzelheiten einzugehen,

Intereffe fort, ob etwa die Bibelfprache ,weifse Blätter'
aufweife, welche der Naturforfcher befchreiben mag.
Alle Verfuche, jene Concordanz feftzuftellen, find über-
flüffig, fobald wir unferem Verf. zuftimmen, der fehr richtig
S. 260 f. bemerkt: ,Wir haben nicht das mindefte
Recht zu der Annahme, dafs Moyfes oder irgend ein
altteftamentlicher Schriftfteller durch den .Scharfblick
feines Genius' oder durch wiffenfehaftliche Forfchung
dahin gelangt fein follte, in Bezug auf Fragen der Natur-
wiffenfehaft richtigere und umfaffendere Kenntnifse zu
haben, als wir fie zu ihrer Zeit überhaupt finden. Noch
weniger find wir zu der Annahme berechtigt, dafs fie