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Ausgabe:

1877

Spalte:

121-125

Autor/Hrsg.:

Wetzel, Paul

Titel/Untertitel:

Schriften zur Förderung häuslicher Andacht 1877

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I2i Theologifche I.iteraturzeitung. 1877. Nr. 5. 122

armer, verlaffcncr und vcrwahrlofter Kinder inj zur Förderung eines chriftlichen Familienlebens. Er
Familien zu Neukirchen bei Moers, der Heil- und ' redet in den fünf erften vom Werth und vom Bau des
Pflegeanftalt Hephata für blödfinnige Kinder u. a. m. j Haufes, von den Kindern des Haufes, von der socialen
erzählt, die Sache der PräparandenanBalten, der | Frage im Hause, vom Hausfrieden und den Hausfreu-
Fortb ildungs-, Kleinkinder- und Sonntagsfchu- | den und vom Hauskreuz, in dem fechften Vortrag ,vom
len, fowie der Jünglingsvereine und der Herbergen Haus Gottes', über die Gotteshäufer und den Gottes-
,zur Heimath', deren erfte Profeffor Clemens Perthes J dienft, Hellt dann im fiebentcn ,der letzte Auszug' die

im Jahre 1854 in Bonn gründete, mit grofser Umficht
befprochen. Die Beantwortung der zweiten Frage (B)
gefchieht eingehend auf Grund eines fleifsig gefammclten
und forgfältig gelichteten Materials, wobei wir an der

chriftliche Auffaffung des Todes dar und befpricht endlich
im achten Vortrag: ,das himmlifche Vaterhaus'
die chriftliche Hoffnung auf ein ewiges Leben. Der
Gegenftand diefer Vorträge ift alfo ein folcher, der viel-

Hand des ortskundigen Verfaffers die 27 evangelifchen j fach fchon in erbaulicher Weife behandelt worden ift,
Kreisfynoden der Rheinprovinz durchwandern und über 1 über den fich auch nicht immer etwas Neues fagen läfst.
die fchöne Blüthe des Werkes der inneren Miffion in : Dennoch hat es der Verf. verftanden, den Lefer von
mancher Gemeinde uns freuen dürfen. i Anfang bis zu Ende zu intereffiren und für feinen

Zum Schluffe fragt Höpfner: ,Was fehlt uns
noch?' und ,Was fordert insbefondere die Gegenwart
?' Es fehlt noch vieles, lautet die Antwort, aber

Gegenftand zu erwärmen. Seine Vorträge find ein
Mimer edler und geiftvollcr Darftellungsweife. Er ver-
werthet in denfelben ebenfowohl feine reiche Belefen-

weniger im Ganzen, als in den einzelnen Gemeinden und heit in deutfeher und altclaffifcher Literatur wie feine
Synoden der Provinz (S. 235). Eine grofse Aufgabe j pfarramtliche Erfahrung , fein feines Verftändnifs für
bleibt überall noch zu löfen; .und diefe grofse Aufgabe bildende Kunft, wie feine theologifche Durchbildung
hat die Kirche zu löfen, die Kirche, nicht als hier- und Schriftkenntnifs. In edler aber durchaus einfacher
archifche Anftalt von Prieftern und Laien, fondern und ungekünftclter Sprache weifs er ebenfowohl den
als Gemeinde der Gläubigen gedacht, die Kirche als | Ton herzlicher Ermahnung wie den der verftändlichen
Organismus, in dem jedes Glied dem Ganzen Hand- Belehrung zu treffen. Bei aller lfntfchiedenhcit confer-

reichung zu thun befähigt und berufen ift' (S. 237). Als
folche Seiten unferes Volkslebens, die in der Gegenwart
,fcharf und feft' in's Auge gefafst werden müffen,
werden vornehmlich bezeichnet: 1) Die Sonntagsheiligung
; 2) der Verfall des Familienlebens; 3)
d ie Verw ilderu ng unferer erwachfenen männlichen
und weiblichen Jugend; 4) der Verfall! als gern gelefenes Andachtsbuch in gebildeten Familien

vativer und kirchlicher Ueberzeugung hat fich der Ver-
faffer einen weiten Blick bewahrt. In feinem Urtheil
über religiöfe Streitfragen, die er freilich kaum einmal
berührt, zeigt er fich durchaus mafsvoll und frei von
confeffioneller Parteilichkeit. Wir wünfehen feinen Vorträgen
die weitefte Verbreitung; fie find ganz geeignet,

und die Verirrungen der handarbeitenden Klaf
fen, denen allein durch cncrgifchcs Zufammenwirkcn aller
Wolilgefinntcn im Staat, bürgerlicher und kirchlicher Gemeinde
zu wehren ift; 5) die, wenn nicht religions-,
fo doch meift kirchenfeindliche Stellung unferer
Tagespreffe, die vor Allem bei denen, die
überhaupt noch evangelifeh-kirchliches Intereffe haben,
zur wirklichen Anerkennung gebracht und dann durch
pofitive nüd negative Mittel bekämpft werden mufs'

(S- 249)- „ •

Möge die vortreffliche Schrift dazu beitragen, nicht

nur in unferer Provinz, fondern überall, wo fie aufmerk-

fame Lefer findet, den Eifer für das Werk der inneren

Miffion neu zu erwecken! Die Zeichen der Zeit mahnen

dazu.

Crefeld. F. R. Fay.

Schriften zur Förderung häuslicher Andacht.

Moderne Andachtsfchriften find feiten von tieferem
Gehalt, und dem Urtheil R. Rothe's ift nur beizuftimmen,
dafs auch die heften unter ihnen, was den eigentlichen
Gcift und Schwung der Andacht betrifft , den älteren
weit nachftehen. Indefs können doch die letzteren dem
befonderen Bedürfnifs unferer Zeit nicht mehr genügen.
An ein gutes Andachtsbuch wird die Anforderung ge- j wahrt. Jeder einzelnen ift in der Regel ein kurzes
Hellt, dafs es aus dem Leben der Gegenwart erwachten 1 Schriftwort vorausgefchickt, welches dann öfters wieder
ift, ihre Sprache redet und doch in der neuen Form die j anklingt, ohne dafs der Inhalt und Gang der Betrachtung
alte Wahrheit bewahrt und den Herzen nahe bringt. j dadurch wefentlich beftimmt würde. Anleitung zu tie-
Mit Freude begrüfsen wir es, dafs unter den neueften ferem Schriftverftändnifs, ethifche oder dogmatifche Re

Eingang zu finden.

Von verwandtem Inhalt, wiewohl nach Form und
Tendenz verfchieden ift die Schrift des weiland Propftes
u. Confiftorialrathes Vers mann in Itzehoe: Das Haus.
Zwölf Betrachtungen. (Kiel 1876, Homann. 2. Auflage.
IV, 228 S. gr. 8. M. 2. —) Der am 2. Auguft 1873 verdorbene
Verfaffer hat diefe Betrachtungen zunächft in
dem von ihm herausgegebenen ,Sonntagsboten' in den
Jahren 1871 — 1873 veröffentlicht, der Herausgeber Th.
Jefs hat fie unverändert und nur am Schlufs ergänzt
zu einem Buch vereinigt, welches nun nach Verlauf von
zwei Jahren in 2. Auflage erfcheint. Das Buch, das uns
fo geboten wird, ift ein rechtes Volksbuch. Ueberblicken
wir zunächft feinen Inhalt. Derfelbe greift nicht über
das hinaus, was der Titel des Buchs erwarten läfst. Er
beschränkt fich auf Ermahnungen bezüglich des häuslichen
Lebens. Es wird zunächft die Frage beantwortet,
was unfere Häufer fein follen und auf welchem Grunde
erbaut; dann folgen Betrachtungen über die Eheleute,
Kinder, Herrfchaften und Dienende, über Freunde des
Haufes, über Gottesdienft und Arbeit, Leid und Freud'
und über das tägliche Brot im Haufe, und das Schlufs-
capitel trägt die Ueberfchrift: ,Das Haus ein Sterbehaus'.
So fchliefsen fich diefe Betrachtungen wohl an einander
und der einheitliche Charakter des Buchs bleibt ge-

Erfcheinungen auf dem vielangebauten Felde der Erbauungsliteratur
fich folche finden, die diefer Anforderung
zu genügen fuchen. Wir heben im Nachfolgenden einige
derfelben hervor und verflachen es, fie im Untcrfchied
von minder Guten und Unbedeutenden zu charakteriliren.

An erfter Stelle verdienen genannt zu werden die
erbaulichen Vorträge von P. E. Lehmann, die derfelbe
im Winter 1875 gehalten und nun unter dem Titel: ,das
chriftliche Haus' veröffentlicht hat (Leipzig 1877, Hin-
richs. VIII, 260 S. gr. 8. M. 3. — geb. M. 4. —). Der
Verfaffer will in diefen Vorträgen einen Beitrag liefern

flexion bietet das Buch nicht. Dafür aber greift es tief
in's Volksleben ein. Die Lebensverhältnifse des einfachen
Bürgers und Landmanns werden darin und zwar bis
in's Einzelnfte berückfichtigt. Für Jedermann aus dem
Volke hat der Verfaffer ein Wort herzlicher Ermahnung,
bis herab zu der Bauermagd und dem Kindermädchen.
Und was er fagt ift immer fo gehalten, dafs auch der Ge-
ringfte im Volke es fich aneignen, kann. Freilich verficht
er es nicht, fo plaftifch, malerifch und ergreifend zu reden,
wie etwa A. Stolz, deffen volksthümlicher Weife er fonft
nicht fern fteht. Dafür ift er aber auch frei von der