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Ausgabe:

1877

Spalte:

101-102

Autor/Hrsg.:

Soulier, Henry

Titel/Untertitel:

La Doctrine du Logos chez Philon d’Alexandrie 1877

Rezensent:

Schürer, Emil

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101

Thcologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 5.

102

erften Bildung des Begriffs ,grofse Kenefeth' und der
Redaction der Mifchna reicht vollkommen aus, um eine
folche Umbildung der urfprünglichen Idee zu erklären.
Der Verf. widerlegt noch mehrere mögliche Einwürfe
und weift am Schlufs darauf hin, dafs Jost, Derenbourg
und Schürcr, welche die Syn. m. als ein Schriftgelehrten-
Collegium betrachten, der Wahrheit am nächftcn kommen
. Aber nur dadurch, dafs fie ihre richtige Auffaffung
der nachexilifchen jüdifchen Entwickelung, welche exe-
getifch nicht zu rechtfertigen ift, in die Mifchna hineintragen
. Die Schriftgelehrten, welche die mündliche
Ucbcrlieferung fortpflanzten und fortbildeten, haben in
der That den Platz eingenommen, welcher den Männern
der grofsen Syn. in der Kette der talmudifchen Ueber-
lieferung angewiefen wird.

Die Vorftellung einer Synagoga magna aber ift ein
Phantom und mufs, wenn diefe Hypothefe richtig ift,
aus den Unterfuchungen über die Entwickelung des
nachexilifchen Judenthums ganz verfchwinden.

Der Nachweis, deffen Einzelheiten hier natürlich
nicht ausgeführt werden konnten, ift vorzüglich gelungen
und ich bin überzeugt, dafs die Unterfuchung des Ver-
faffer strotz ihres negativen Refultats fleh allen unbefangenen
P"orfchern als ein pofltiver Gewinn für die Erfor-
fchung der Wahrheit erweifen wird.

Moers. Joh. Hollenberg.

Soulier, Dr. Henry, La Doctrine du Logos chez Philon
d'Alexandrie. Turin 1876, Löfcher. (VIII, 165 S. 8.)
. M. 2. 40.

In dem Verzeichnifs der benützten Literatur, welches
der Vcrfaffer diefer Studie (einer Leipziger Doctordiffer-
tation) feiner eigenen Unterfuchung voranfehickt (S.2 .f.),
finden fleh neben 15 Werken deutfeher Verfaffer nur 3 in
franzöflfeher Sprache gelchriebene (Vackerot, Hist. ertt. de
VEcole d'Alcxandrie, Frank, La Kabbale ou la pliil. des
Jnifs, Pelaunay, Philon d'Alcxandrie); und der Verf.
bemerkt mit Recht, dafs in keinem diefer drei eine eingehendere
Behandlung feines fpeciellen Thema's enthalten
lei. So ift alfo feine Arbeit die erftc auf franzöflfehem
Boden, ja wohl überhaupt die erfte aufserhalb Deutfch-
lands, welche das in Erage flehende Thema eingehend
unterfucht. Und wir freuen uns, conftatiren zu können,
dafs fie nicht nur den Ifrtrag deutfeher Arbeit in kundiger
Weife auf fremden Boden verpflanzt, fondern auch ihren
Gegenftand mit fo gründlicher Sachkenntnifs und fo felb-
ltändigem Urtheil behandelt, dafs fie auch innerhalb
Deutfchlands Beachtung beanfpruchen kann. Man fieht
zwar leicht, wie viel der Verf. den deutfehen Arbeiten,
befonders der vortrefflichen Darfteilung Zeller's (Phi-
lofophie der Griechen III, 2), an welche er fich in allen
wefentlichen Punkten anfchliefst, verdankt. Aber er fleht
feinen Vorgängern keineswegs unfrei gegenüber; und feine
Arbeit hat fchon wegen ihrer Ausführlichkeit und Voll-
ftändigkeit neben der kürzeren Darfteilung Zeller's und
auch neben derjenigen Heinze's (Die Lehre vom Logos
in der griechifchen Philofophie 1872) ihren eigenen Werth.
Ebenfo wohlgeordnet in ihrer Anlage, als klar und an-
fchaulich in der Darfteilung, ebenfo fcharf in der Auffaffung
, als vorfichtig und behutfarn in der Ecffftellung der
philonifchen Gedanken ift feine Unterfuchung eine nicht
unwichtige Bereicherung der philonifchen Literatur.

Das eigentliche Thema bildet nur die Logoslehre
Philo's. Aber der Verf. weifs wohl, dafs diefe nicht
dargeftellt werden kann, ohne dafs man dabei von der
Gotteslehre Philo's und von feiner Anfchauung über die
Welt, vor allem über die Materie, ausgeht. Und fo
fchickt er denn der eigentlichen Logoslehre eine Dar-
ftellung ihrer principiellen Grundlagen: des Gottesbegriffs
, des Begriffes der Materie und des Begriffes der Welt
voraus. Darauf folgt dann die Lehre vom Logos 1) in

feinen Beziehungen zu Gott, 2) in feinen Beziehungen
zur Welt, 3) in feinen Beziehungen zu den anderen
Mittelwefen. Im Refultat trifft der Verf. ganz mit Zeller
zufammen. Wie diefer, fo hält auch er das eigenthüm-
lichc Schwanken zwifchen Perfonlichkeit und Unpcrfön-
lichkeit des Logos für eine nothwendige Confequenz
des philonifchen Syftems (II attribue a la fois la per-
somialite et l' impersonnalite au Logos; mais rette coneeption
contradictoire, dont Pauteur ria pas conscience, est un pos-
tulat du Systeme pkilonien). Sehr treffend weift aber der
j Verf. (S. 67) darauf hin, dafs diefe Doppelfeitigkeit in
der Auffaffung des Logos fchon darin zu Tage tritt,
dafs dem Philo der Logos wefentlich beides zugleich ift:
die denkende Vernunft Gottes und der Complex der.
durch diefe denkende Vernunft hervorgebrachten Ideen.
In diefer Vermengung des Denkenden und des Gedachten
(welche bereits Heinze S. 218 f. hervorgehoben hat)
wurzeln alle weiteren Schwierigkeiten und Unklarheiten
der philonifchen Logoslehre. Denn fchon hiemit ift
gegeben, dafs der Logos fowohl als immanente Eigen-
fchaft Gottes, wie als felbftändigcs Wefen aufgefafst
wird. Denn das Gedachte ift nach der an Plato fich
anlehnenden Ideenlehre Philo's immer ein real und für
fich Exiftirendes. Die Erinnerung daran, dafs auf jene
grundlegende Vermengung alle weiteren Schwankungen
und Amphibolien zurückzuführen find, ift eine der bellen
Bemerkungen diefer auch fonft vortrefflichen Monographie.

Leipzig. E. Schürer.

Tjjg xatvrjs ötaltlyrg anavza. Novum Testamentum graece.

Coloniae Agrippinae 1874. (2 Bl. 574 S. 16u). In
fchwarzem Ledertuchband mit Goldfchnitt M. 1. 20.

Diefe äufserlich fehr niedliche Ausgabe des N. T.
gr. ift bei W. Haffel und zwar wahrfcheinlich am Verlagsorte
Cöln gedruckt. Dafs fie von der cölner Agentur
der brittifchen und ausländifchen Bibelgefellfchaft auf
Koftcn diefer letzteren herausgegeben ift, ift zwar aus
dem Buche felbft nicht zu erfehen, da in ihm weder
ein Herausgeber noch ein Verleger genannt ift; aber es
ift theils allgemein bekannt, theils aus dem Zufammen-
hange diefer Ausgabe mit andern gleich zu nennenden
erfichtlich. Es ift nämlich diefe Ausgabe nicht, wie man
nach dem Titel meinen könnte, der erfte Druck einer
neuen Recenfion oder eine erfte Auflage, fondern wenig-
ftens die fiebente Auflage (der fiebente Druck) diefer
Textesausgabe des griechifchen N. T. ohne Ueberfctzung.
Vor diefem Druck v. J. 1874 waren fchon in den Jahren
1866 und 1871 ganz gleiche Ausgaben erfchienen, auch
wie der oben genannte in ganzen Zeilen und ohne Vers-
abfätze; und fchon vor diefen drei Ausgaben waren in
den Jahren 1856, 1859, 1861 und 1865 Ausgaben der-
felben Textgeftalt in etwas kleinerem PVrmat mit ge-
' fpaltenen Seiten und mit Versabfätzen erfchienen, auf
j deren Titel unter der Ortsangabe Coloniae Agrippinae
fich der Vermerk befindet: sumtibus societatis bibtiophi-
lorum britannicae et externae. Es fcheinen für diefe fieben
Abdrücke zweimal Stereotypplatten gemacht zu fein,
die einen für die altern v. j. 1856 an erfchienenen, die
andern für die i. J. 1866 und fpäter veranftalteten Drucke.
Aufser diefen Ausgaben des griechifchen Textes giebt
es noch andere, welche ihnen im übrigen völlig gleichen,
I nur dafs fie auch die deutfehe (lutherifche) Uebcrfetzung
enthalten und demgemäfs in etwas grösserem Format
find; von diefen giebt es wenigftens zwei Drucke mit
ganz verfchiedenem Satz aus den Jahren 1864 und 1869;
der frühere diefer beiden ift fehr fchon, während bei
I dem fpätern, der in ganzen Zeilen und ohne Versabfätze
I ift, die Typen für den deutfehen Druck im Vergleich
j mit den griechifchen zu klein find. Die erfte aller diefer
neun cölner Ausgaben, die v. J. 1856, ift nun aber ein
genauer Abdruck einer cambridger Ausgabe des grie-