Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1877 Nr. 3

Spalte:

60-61

Autor/Hrsg.:

Bezold, Friedrich von

Titel/Untertitel:

König Sigmund und die Reichskriege gegen die Husiten. 2. Abth. Die Jahre 1423 - 1428 1877

Rezensent:

Tschackert, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

59

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 3.

60

felbft discreditirt, dafs der des Aethiopifchen Unkundige
in zweifelhaften Fällen es vorziehen dürfte, fich an jenen
zu halten.

Zum Schlufs fei bemerkt, dafs die Wahrnehmung
des Verf.'s, die griechifche Vorlage des Aethiopen fei
am meiften mit dem Texte verwandt, nach welchem der
dritte Corrector des Sinait. (7. Jahrh. ?) diefen Codex ver-
beffert hat, zwar im Ganzen richtig zu fein fcheint, aber
nicht in dem Umfange gilt, welchen Schodde ihr
gegeben hat.

3. Der Verf. der obengenannten Abhandlung zur
Erklärung des Barnabasbriefes will nachweifen, 1) dafs
der Verf. des Briefes nach Abftammung und Erziehung
ein Jude gewefen, 2) dafs fein Brief für ein anonymes
gegen die Juden gerichtetes Denunciationsfchreiben bei
der heidnifchen Obrigkeit zu halten fei. Die letztere
Thefe ift einfach zu ignoriren (vgl. die fchwindelhaften
Ausführungen S. 114 f. zu c. 5. 16); fie darf als tendenziöfe
Entftellung einer richtigen Wahrnehmung bezeichnet
werden. Zur erfteren ein paar Worte. Die jüdifche Abftammung
des fog. B. will Güdemann aus der Vertrautheit
desfelben mit den jüdifchen Opfervorfchriften, dem
Urtext des A. T. und der Hagada erweifen, fowie aus
feiner biblifchen und zuweilen felbft rabbinifchen Redeweife
. Was die erftere betrifft, fo kommen c. 7 u. 8 zu-
nächft in Betracht. Ref. will die Möglichkeit, den c. 7, 4
genannten Bock mit dem Num. 29, n erwähnten zu
identificiren, nicht leugnen (fo Cotelicr, Braunsberger); 1
aber fehr wahrfcheinlich ift dies nicht; denn aus Tertull.
adv. Marc. III, 7 ift zu erfehen, dafs die irrige Meinung,
der eine der beiden bei dem Verföhnungstagritus gebrauchten
Böcke fei verzehrt worden, auch fonft gegolten
hat. Doch dem fei wie ihm wolle, mehrere hand- j
greifiiehe Verftöfse in den Angaben des 7. Cap. mufs
auch G. anerkennen; diefelben nicht aus oberflächlicher j
Kenntnifs, fondern aus tendenziöfer Entftellung und J
,Malice' des Renegaten abzuleiten, ift jedenfalls nicht das j
Nächftliegende. Dazu kommt aber, dafs G. auf den
Auslegern bisher unbekannte talmudifche Stellen auf- [
merkfam gemacht hat, durch welche fonft unbezeugte |
oder nur für die babylonifchen Juden bezeugte Angaben ;
bei B. für den alexandrinifch-jüdifchen Opferritus j
belegt werden. Nach R. Jochanan afsen die alexandrini-
fchen Priefter den Bock roh (Barn. 7, 4b) und nach
Talmud Joma 66b find es alexandrinifche, nicht babylo-
nifche Juden gewefen, welche den Bock, der in die Wüfte
entfandt wurde, an den Haaren zupften (c. 7, 8; vgl. j
meine Note S. 29). Ref. ift aufser Stande zu entfeheiden,
wie weit diefe Nachrichten irgend Glauben verdienen;
aber das ift doch jedenfalls einleuchtend, dafs G. fie
zum Erweife feiner Behauptung nicht hätte verwenden
dürfen. Hier ift doch vielmehr umgekehrt zu fchliefsen,
dafs der alexandrinifche Verf. des Briefes eine gelehrte
Kenntnifs der jüdifchen Opfervorfchriften nicht braucht
befeffen zu haben, wenn die wenigen richtigen Angaben
desfelben fich eben aus dem befonderen alexandrinifchen
Opferritus erklären laffen. Oasfelbe gilt nun auch für
Cap. 8 (die rothe Kuh). Auch hier zeigt B. eine gewiffe
Kenntnifs des Rituals; aber die Freiheit, die er fich in der
Darftellung desfelben genommen hat, läfst fich nicht aus
abfichtlicher Verdrehung erklären. G. hat es unterlaffen
nachzuweifen, dafs je ein chriftlicher Jude den ihm wohlbekannten
Opferritus in ähnlicher Weife entftellt hat,
um das jüdifche Pricfterthum lächerlich zu machen.
Vielmehr ift auch hier das wahrfcheinlichfte, dafs eine
nur fehr oberflächliche Kenntnifs es dem Verf. des Briefes
ermöglichte, feine typologifche Weisheit auch bei dem
Bericht über den Ritus Num. 19, 2 ff. leuchten zu laffen j
und den wahren Vollzug desfelben zu entftellen. Viel
unbedeutender ift aber noch was G. S. 119 f. nach dem
bereits charakterifirten Excurs S. 114—119 beigebracht
hat, um die Vertrautheit des B. mit der Hagada und dem
Urtext des A. T., damit aber die jüdifche Erziehung 1

desfelben zu erweifen. Der Urtext foll in c. 9, 8 zu
Grunde liegen, weil B. 18 -j- 300 und nicht umgekehrt,
wie die LXX, gefchrieben hat; allein einerfeits bleibt die
Möglichkeit, dafs auch griech. Handfchriften fo gelefen,
nicht ausgefchloffen, andererfeits zeigt der Context, dafs
B. die Zahl 18 voranftellen mufste. Auslegungen wie
die c. 9, 8; 11, 8 f.; 12, 2 f.; 15, 1 f.; 6, 17; 13, 1 mag
man immerhin hagadifche nennen oder mit G. behaupten,
,der Hagada würde hier gleichfam ein Schnippchen ge-
fchlagen'; aber wenn G. folche Stellen zum Beweife der
jüdifchen Abftammung und Erziehung des Schreibenden
benutzen will, fo verräth er nur feine Unkenntnifs der
älteftenheiden-chriftlichen Literatur und ift auf das Studium
derfelben zu verweifen. Ueber die ,biblifche zuweilen
felbft rabbinifche Redeweife' des B. ift kein Wort zu
verlieren (S. 128). Somit wird es dabei bleiben: der
B.-Brief ift ein wichtiges Document des älteften, fchroff
antijüdifchen Heidenchriftenthums und ift von einem
Heidenchriiten gefchrieben.

Leipzig. Ad. Harnack.

Huidekoper, F., The Belief of the first three centuries
concerning Christ's Mission to the Underworld. New York
1876, J. Miller. (XI, 183 S. 8.)

Im Jahre 1854 fchon hatte der Verfaffer diefe Abhandlung
in erftcr Auflage erfcheinen laffen; die nun vorliegende
Ausgabe ift mithin, was nur in der Vorrede,
nicht auf dem Titel bemerkt ift, die zweite, verbefferte
und vermehrte. Man findet hier alle für den locus de
descensu irgend wichtigen Stellen aus den chriftlichen
Schriften der drei erften Jahrhunderte mit grofsem Fleifse
gefammelt, und ausführlichelndices erleichtern die Ueber-
fleht. Allein ein Weiteres läfst fich zu Lob diefer Schrift
nicht fagen; die Behandlung, welche dem hiftorifch-theo-
logifchen Gegenftande in 26 Capitcln zu Theil geworden
ift (Cap. 25: Genuincness of the Gospels. Cap. 26: Church
aut/tortty), ift weder hiftorifch, noch theologifch, wenn
gleich anzuerkennen ift, dafs der Verf. die Abficht hatte,
vorurtheilslos den wahren Sachverhalt darzuftellen. In
der deutfehen Literatur ift er nicht unbewandert; um fo
auffallender erfcheint es, dafs er die neueren Arbeiten über
das apoftolifche Symbolum überfehen hat. Die Citate
aus lateinifchen und gricchifchen Schriftftellern find faft
durchgängig nur in englifcher Ucberfetzung mitgetheilt.
Die Vorrede ftellt ein Werk ,Judaism at Rome', auf
welches fich der Verf. fchon in diefer Abhandlung hie
und da bezogen hat, in Ausficht.

Leipzig. Ad. Harnack.

Bezold, Dr. Frdr. v., König Sigmund und die Reichskriege
gegen die Husiten. 2. Abth. Die Jahre 1423—1428.
München 1875, Th. Ackermann. (168 S. gr. 8.) M. 3.—

Im Anfchlufs an die im Jahre 1872 erfchienene erfte
Abtheilung feines Werkes behandelt der Verf. in der
vorliegenden zweiten die Plufitcnkriege vom Jahre 1423
bis 1428. Die hufitifche Bewegung, welche in der Vor-
gefchichte der Reformation von enormer Bedeutung ift,
wird hier nach ihrer politifchen und focialen Seite hin
dargeftellt, und erft von hier aus erkennt man fie ganz,
weil in ihr keineswegs blos religiöfe Motive wirken. Da
das deutfehe Reich zu wiederholten Malen die böhmi-
fchen Ketzer bekriegt, werden uns auch deffen Zuftände
gefchildert; fich diefe zu vergegenwärtigen, ift aber für
die richtige Würdigung der Verhältnifse, unter welchen
das Bafeler Concil zufammentrat, unerläfslich. Die tüchtige
Arbeit v. Bezold's legt die ganze Erbärmlichkeit des
deutfehen Reiches blofs: unbekümmert um deffen Wohl
und Wehe treibt Sigmund ,in Sachen der Chriftenheit'
im Offen auswärtige Politik, während die deutfehen Fürften