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Ausgabe: | 1877 |
Spalte: | 692-693 |
Autor/Hrsg.: | Arthur, William |
Titel/Untertitel: | The Pope, the Kings and the People. A history of the movement to make the Pope governor of the world by a universal Reconstruction of Society, from the issue of the Syllabus to the close of the Vatican |
Rezensent: | Benrath, Karl |
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Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 26.
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letztern weit nicht hin; er ift im' Gegentheil, wie felbft
Bickell anerkennt, entfchieden matt, breit und langweilig,
kann lieh in einen Gedanken gleichkam fortfahren, fodafs
er ihn ganze Seiten hindurch in ermüdenden Tautologien
hin und her wendet (das galt damals für fchön und
kunftvoll) und hat keine Spur von dichterifchem Genius.
Dafs er aber für den Kirchen- und Dogmenhiftoriker
intereffant fei, dafür nur wenige Beifpiele.
In der angeführten Notiz des Jakob von Edeffa lefen
wir weiter,-dafs Ifaak in Antiochien auf der Strafse einen
Mann gefehen habe, der einen oiptfEPOD (ipivvaxoc) genannten
Vogel auf der Hand trug, welchen er das Trisa-
gion gelehrt mit dem Zufatz ,der für uns gekreuzigt
wurde'; davon habe Ifaak feinen Text genommen zu
einer Streitpredigt gegen die Neftorianer. Diefe haben
wir nun in dem längften Stück des erften Bandes S. 84—
175, und ein eigentümliches Licht fällt durch diefe
Gefchichte auf die aus andern Quellen bekannte Notiz,
dafs Petrus Fullo jenen Zufatz eingeführt habe. Erheiternd
ift, wie Ifaak in jedem Fall ein grofses Wunder darin
fehen will, möge der Vogel von dem Menfchen das gelehrtworden
fein, oder es aus göttlichem Antrieb gelungen
haben; die Fähigkeit des Lernens flamme ja doch von
Gott, und wenn man bedenke, welche Schwierigkeit der
Unterricht beim vernünftigen Menfchen mache (bei diefer
Gelegenheit erfahren wir eine ganze Reihe der zu jener
Zeit in den Schulen gebrauchten Strafmittel), fo muffe
man fich nur noch mehr wundern, wie ein Vogel das
ohne Schläge habe lernen können, er trage daher kein
Bedenken, es auf die göttliche Weltregierung zurückzuführen
. Den Neftorianern ift Ifaak nach diefer Predigt
befonders feind, ebenfo bekämpft er aber auch die
Eutychianer. Band I S. 77 läfst er den Neflorius und
Eutyches einander in der Hölle gegenfeitig Weh! zurufen
und ins Geficht fpeien und den erftern bekennen, dafs
Chriftus Gott gewefen, den letztern, dafs er Menfch geworden
fei. Darnach könnte es fcheinen, dafs er lieh
zur vermittelnden Orthodoxie gehalten und fo fagt auch
Affemani orthodo.xum eum fiiisse certum est. Bickell hat
es ebenfo für gut befunden, ,fchon jetzt die Gründe anzugeben
, welche feine Orthodoxie ficher ftellen', da fich
ganz gewifs ein Streit darüber erheben werde, fobald
erft das Material vollftändig vorliege; er hat dabei aber
zu dem bedenklichen Auskunftsmittel gegriffen, folche
Stellen, die nur eine Natur in Chrifto behaupten, daher
zu erklären, dafs fie ihren gegenwärtigen Wortlaut durch
Fälfchung monophyfitifcher Abfchreiber erhalten haben.*)
Ich glaube, dafs fchon die vorliegenden zwei Bände genügendes
Material zu einer Entfcheidung bieten; für
diefelbe wird aber zu beachten fein, dafs die meiflen
Gedichte offenbar zu einer Zeit entftanden find, als der
Monophyfitismus noch keine ftarr ausgeprägte Formu-
lirung erhalten und fich noch nicht kirchlich abgefondert
hatte.
Für die Kirchen-, im Unterfchied von der Dogmen- 1
gefchichte dürfte insbefondere eine Reihe Predigten (zu
Anfang des zweiten Bandes) von Werth fein, in denen
Ifaak fich an folche wendet, die fich vom heiligen Abendmahl
zurückziehen. Es fcheint dies damals in gröfserem
Umfang flattgefunden zu haben, aus Gründen, die nicht
ganz klar werden, hauptfächlich wie es fcheint aus Furcht
unwürdig zu erfcheinen, mit Berufung auf Prov. 25, 17.
Die Entgegnung Ifaak's ift ungemein ernft, würdig und
freundlich ; aber wie auch er den Glauben der andern
theilt, zeigt die merkwürdige Stelle II, 61: testatar mihi
coelum quod nonnunquam digitos 111 cos ineurvo, nt experi-
menio discam, mim ob indignitatem meam carinii usum
amiserim; auch er fürchte, der Blitz könne aus der Hoftie
*) So wenigstens 1873 p. 114, und p. 143 im Text überfetzt er: ,Die
Perlon des Eingeborenen ift eine einzige, aber in zwei Naturen ohne J
Umwandlung', wahrend die Handfchrift hat: ,Die Natur des Eingebornen j
ift nur eine einzige, eine zufammengefetzte Perfon ohne Umwandlung'; |
Band I S. 73 hat er keine Anmerkung und überfetzt den Text richtig. |
fahren und ihn verbrennen oder verftümmeln. *) Weiter
die grofse Anzahl folcher Predigten, in denen Ifaak die
kirchlichen Mifsftände und die fittliche Verkommenheit
feiner Zeit bekämpft; z. B. den Unfug, der mit den
Märtyrergebeinen getrieben werde, die falfche Werth-
fchätzung des Faftens, der Ehelofigkeit, überhaupt des
Mönchthums; die Unfittlichkeit, die in den Klöftern und
noch mehr bei den Anachoreten an der Tagesordnung
fei, den Götzen- vor allem den Venusdienft, der befonders
bei den Frauen neben dem Chriftenthum herlaufe
(I, 245 f. ,Mit denfelbcn Händen, die fie zum Empfangen
des heiligen Leibes Chrifti ausftrecken, giefsen fie Trankopfer
aus, den Teufel zu verföhnen; auf das Dach fteigen
fie und mit demfelben Mund, mit dem fie im Haus der
Verformung vom Kelche unferes Erlöfers trinken, rufen
fie den Venusftern an, ihre Schönheit zu vermehren').
So grell find die Schilderungen, fo tief die Schatten,
dafs man faft verbucht fein könnte, zu glauben, der
Bufsprediger übertreibe. Aber wenn wir an mehreren
Stellen die Verficherung lefen, dafs er lieber fchweigen
möchte, und fehen wie er andererfeits auch bereit ift, das
Gute anzuerkennen, wo er noch folches findet, wenn wir
weiter den hohen fittlichen Ernft ins Auge faffen, der
durch alles hindurchgeht, werden wir anerkennen müffen,
die Schattenfeiten der Zeit find ftark, aber nicht zu ftark
hervorgehoben. Wir vertagen uns, weitere Einzelheiten
herauszugreifen; möge derjenige, der für die Kirchen-
und Dogmengefchichte jener Zeit und jener Gegenden
Intereffe hat, fie bei Ifaak felbft nachlefen. Durch eine
dem fyrifchen Text gegenüber geftellte lateinifche Ueber-
fetzung find feine Predigten auch denen zugänglich gemacht
, welche das Original nicht verliehen können ; wie
von Bickell nicht anders zu erwarten, ift diefelbe faft
durchgängig richtig; einige Verbefferungcn, die bei der
Ueberfetzung eines Schriftftellers, der nicht gerade zu
den leichterten gehört, fich natürlich immer beibringen
laffen. hat Nöldeke bei Befprechung der beiden Bände
im Literarifchen Centralblatt (1873 Nr. 8, 1877 Nr. 6)
mitgetheilt. Von Herzen fchliefsen wir uns dem Wunfchc
am Schlufs der Vorrede des erften Bandes an, das Werk,
das von Buchhändler und Herausgeber rein im Intereffe
der Wiffenfchaft unternommen worden, möge eine folche
Aufnahme bei den Gelehrten finden, dafs es fortgefetzt
und zu Ende geführt werden könne. Noch beffer freilich
wäre es, wenn durch das bisher Gebotene ein folches
Intereffe erweckt würde, dafs die von Bickell, Rohling und
Gutberiet fchon vor mehreren Jahren geplante Bibliotheca
Patrum Syriacorum endlich zu Stande käme. Man würde
finden, dafs manche Bände einer folchen Patrologia Sy-
riaca fich mit manchen der lateinifchen und griechifchen
Patrologie Migne's meffen könnten.
Tübingen. Dr. E. Neftle.
Arthur, William, The Pope, the Kings and the Peopie. A
history of the movement to make the Pope governor
of the world by a universal Reconstruction of Society,
from the issue of the Syllabus to the close of the
Vatican Council. 2 vols. London 1877, W. Mullan
& Son. (XL, 424, VIII, 526 p. 8.) Cloth. 25 Sh.
Die kluge Taktik der jefuitifch-ultramontanen Partei,
gewiffe Schlagwörter wie ,Gewiffensfreiheit', ,Wort Gottes
', ,Gefetz Gottes' u. drgl. auf ihre Fahne zu fchreiben
und, obwohl die Partei felbft im Grunde ganz andere Begriffe
damit verbindet als die herkömmlichen, befonders
als die in proteftantifchen Kreifcn längft reeipirten,
doch durch gefchickte Manipulation den Schein zu erwecken
, als ob es fich ihr wirklich in dem Kampf, den fie
gegen den modernen Geift führt, um jene höchften Gü-
*) S. 35 Propter quaestiones e codieibus petitas cessaut hom'mes
a sacrificio aicharistico; ftatt (leiten nmfs es heifsen : quaestiones par-
vas, leves, wie Nöldeke in der anzuführenden Kecenfiun bemerkt hat.