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Ausgabe:

1877 Nr. 26

Spalte:

686-687

Titel/Untertitel:

Esdrae Liber Quartus Arabice. E codice Vaticano nunc primum edidit Joannes Gildemeister 1877

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 26.

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nach dem Vorgang Vieler einen Conflict an zwifchen j 6, 8 f., wo der Redende feine ,Eine Taube' den vielen
der Liebe ,SulamitV zu einem Hirten und den Liebes- i Frauen des königlichen Harems gegenüberftellt. Auch
Werbungen Salomo's. Richtig wird daran die Annahme; die Erklärung als Drama ift nicht ohne Anhaltspunkte;
eines Hirten neben dem König fein. Bei der Anfchauung, ; denn das ift klar: dialogifche Form liegt hier vor. Ein
dafs es fich nur um Einen Liebhaber, den König Salomo, einheitliches Ganzes eiber läfst fich aus diefen Reden mit
handle, bleibt es in hohem Grade befremdlich, dafs Su- exegetifch erlaubten Mitteln fchwerlich herftellen, und
lamit den Salomo als Völkerhirten anreden foll mit den • Ref. ift darum der Anficht, dafs die herrfchend gewor-
Worten wie: ,0, fage mir, den meine Seele liebt: wo | dene Auffaffung als Drama aufzugeben ift. Es fcheint
weideft du, wo lagerft du zur Mittagszeit: warum foll mir nur die ältere (unter den Neueren von Bleek und
ich einer Verhüllten gleich [oder ,als Verfchmachtcnde'?] Dieftel, Artik. .Hohes Lied' in Schenkel's B.-L. vertre-

erfcheinen bei den Hcerden deiner Genoffen?' (1, 7) —
Worte, welche doch wohl nur einem wirklichen Hirten
gelten können.

Nach Kaempf's im Wefentlichcn mit den meiften
früheren Entwickelungen der dramatifchen Anlage über-

tene) Annahme ftatthaft zu fein, dafs in dem Hohenliede
eine Sammlung verfchiedener zufammenharigslofer lyri-
fcher Gedichte vorliegt, welche im Ganzen als Worte
der Liebenden zu verliehen find, und da fie öfters fich
als Rede und Gegenrede geben , hie und da auch mit

eindämmenden Darfteilung wird Sulamit, wider ihren chörartiger Zwifchenrede ' der Töchter Jcrufalem's, der
Willen von Salomo im Jerufalemifchen Königspalafte Brüder) vermifcht find, der dramatifchen Form lieh nähern,
feftgehalten, dort von ihrem Freunde, dem Hirten, heim- Speciell als Commentar kann die vorliegende Ar-

lich befucht (c. 1. 2). Mit einigen Variationen wieder- , beit fich der ihr (um von Schäfer zu fchweigen) nächft-
holt fich dasfelbe in der königlichen Sommerrefidenz auf ; vorhergehenden forgfamen Einzelerklärung von Delitzfch
dem Libanon; der Hirte fordert wiederholt auf zur Flucht I nicht entfernt an die Seite ftellen. Anzuerkennen ift,
(c. 3 — c. 5, I). Diefer Aufforderung endlich Gehör ; dafs aus der rabbinifchen Literatur manches Material
fchenkend, begiebt fich Sulamit in den Garten des Hir- j beigefteuert wlirde. Dagegen ift zu vermiffen eine ins
ten und entweicht mit ihm in die Heimat (c. 5,2 — ■ Einzelne durchgeführte Auseinanderfetzung mit abwei-
c. 8). —Auch diefe Rechtfertigung der dramatifchen Form j chenden Gliederungen des Inhalts. Die Befprechung des
fcheitert an vielen Einzelheiten , von denen hier nur poetifchen Gehaltes der Dichtung ftreift zuweilen ans
einige genannt werden können. Sehr auffallend ift, dafs Triviale, worüber auch die poetifche Dedication: ,An
in der ganzen Dichtung kein einziges Wort der Abwei- ] Sulamith!' nicht hinweghilft. Gefchmacklos find die
fung oder des Widerftrebens gegen die angeblich uner- j vielen parenthetifch in das ,Drama' eingefchalteten Anwiderte
Liebe des Königs vorkommt; was der Erklärer ! weifungen für die fupponirten Schaufpieler; bald redet
daran bedarf, wird durch eingelegtes Hümmes Spiel ge- Sulamit ,verdriefslich', bald ,munter'; es wird die Ordre
wonnen. Seltfam ift auch, dafs Sulamit die ,Töchter | gegeben: ,mit Nachdruck' und ,mit Pathos' u. f. w. —

Doch um von folchen Nebenfachen abzufeilen, fei die
Schrift empfohlen als ein neuer fo.rgfältig durchdachter
Vernich zur Rechtfertigung der dramatifchen Gliederung.
Die Unwahrfcheinlichkeiten und Gewaltfamkeiten, welche
wir hier auszuftellen haben, treffen diefen Verfuch nicht
mehr als die früheren verwandten und fcheinen uns bei
dem unternommenen Beweife unvermeidbar.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Jerufalems' mit der mehrmals wiederholten Befchwörung,
die Liebe nicht zu wecken, ,bis fie es felbcr begehrt',
auffordern foll, nicht ein Wort für Salomo einzulegen.
Da Sulamit ihr Herz fchon dem Hirten gefchenkt hat,
kann von einem ,Begehren' der Liebe zu Salomo gar
nicht die Rede fein. Die Liebesbetheuerungen, welche
Sulamit im Palaft in Gegenwart des Königs äufsert,
dürfen nach dem entworfenen Plane nicht diefem gelten;
andererfeits ift für das Auftreten des Hirten dort kein
Plätz; darum wird auch von K. das verhängnifsvolle Esdrae Uber Quartus Arabice. E codice Vaticano nunc
Fenfter infeenirt, durch' welches Sulamit fich mit dem j primum edidit Joannes Gildeme ifte r. Bonn 1877,
Hirten unterhalt. Der Konig fagt: ,Du bift fchon, o | f c
meine Freundin! Ja, fchön bift du! . . .', unmittelbar dar- j Marcus. (44 S. gr. 4.) M. 3. —

auf Sulamit: ,0, fchön bift du, mein Freund, und lieblich : Vom vierten Buch Efra exiftiren zwei, wie es fcheint,
dazu!...' (I, 15 f-); der unbefangene Lefer ift aber voll- von einander unabhängige arabifche Ueberfetzungen.
ftändig im Irrthum, wenn er meint, das fei Rede und Ge- Von der einen hat fchon Ockley im J. .1711 eine eng-
genrede; vielmehr wendet fich Sulamit mit diefen Worten lifche Ueberfetzung veröffentlicht. Den arabifchen Text
vom König ab und fpricht fie, ,den Blick auf das Garten- felbft gab dann Ewald nach einer Handfchrift der Bod-
fenfter, wo der Hirte geftanden, richtend, halblaut' (S. 5). lejana 1863 heraus (Abhandlungen der königl. Gefell-
C. 3, I wird nach dem Vorgang Anderer wieder der Zu- ! fchaft der Wiffenfch. zu Göttingen Bd. XI). Die andere
fatz eingefchaltet: ,hab ich geträumt' S. 9), lediglich weil j Ueberfetzung war bisher nur in einem Auszug bekannt,
die Erzählung als Bericht einer wirklichen Begebenheit in welcher ebenfalls in einer Handfchrift der Bodlejana erden
fingirten Zufammenhang nicht pafst. In einer Dich- halten ift und daraus von Ewald zugleich mit jener
tung, welche von einer Liebe Salomo's handelt, wird bei erftgenannten vollftändigen Ueberfetzung edirt wurde,
der 3, 11 gefchilderten hochzeitlichen Pracht des Königs '< Eine deutfehe Ueberfetzung diefes Auszugs lieferte Stei-
Jeder zunächft an die Hochzeit mit der in diefer Dich- ( ner (Zeitfchr. f. wiffenfch. Theol. 1868, S. 396—425).
tung gefeierten Geliebten denken; allein diefe pafst wie- i Ueber denfelbcn vgl. auch Ewald, Göttinger Nachrich-

der nicht in den Plan, und fo wird die Sache dahin gewendet
, dafs ,eine Stimme von aufsen' höchft unmotivirt
und unbedacht die augenblicklich umworbene Geliebte
an eine frühere Hochzeit des Königs erinnert (S. 11. 86).

So viel fcheint uns ficher, dafs im Hohenliede fo-
wohl die Liebe eines Königs (Salomo's) als auch die

ten 1863, S. 163—180.

Eben diefe zuletztgenannte Ueberfetzung ift nun
aber vollftändiger auch in einem Codex Vaticanus {Ar.
462) erhalten. Gildemeifter hatte fich davon fchon
im J. 1865 eine Abfchrift durch den an der Propaganda
als Profeffor angeftellten Maroniten Sciahuan anfertigen

eines Hirten Gegenliebe findet. Bei diefer Annahme [ laffen. Erft jetzt tritt er in der obigen Publication da-
läfst fich aber ein Drama unmöglich conftruiren; ent- j mit an die Oeffentlichkeit. Er giebt hier den arabifchen
veder mufs man nach Delitzfch's originaler und geiftvoll j Text in der Weife, dafs der Vaticanus zu Grunde gelegt
durchgeführter Gliederung den Hirten zum König ma- ' ift, der bodlejanifche Auszug aber durchgängig zur
chen oder mit K. und feinen Vorgängern Sulamit's Lie- , Emendation des Textes herbeigezogen ift. Leider ift
besworte an den König befeitigen. Keines von beidem j nämlich der Text des Vaticanus fehr fehlerhaft, während
ift ohne Gewaltfamkeiten möglich. Einigen Schein ge- j der Text des bodlejanifchcn Auszuges wefentlich beffer und
winnt die Annahme eines Liebesconflictes lediglich durch ! correcter ift. So viel als möglich ift deshalb der letztere