Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1877 Nr. 25

Spalte:

674-675

Autor/Hrsg.:

Buchrucker, Karl

Titel/Untertitel:

Christian Friedrich Buchrucker. Ein Seelsorgerleben aus der Wende des vorigen und des gegenwärtigen Jahrhunderts 1877

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

6/3

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 25.

674

als irgend ein Mönch durch fein mönchifches (cf. Luth.
de capt. Bab. ib. 72 sq.). Auch die kurze Aeufserung über
das Abendmahl (7 p. 34 f-) erinnert an de capt. Bab. p.
39 sq. Auch aus dem zweiten Theile der Schrift, den
höchft intereffanten Belehrungen über wahrhaft chrift-
liches Leben in den verfchiedenen Ständen, liefsen fich,
wie ich glaube, ähnliche Wahrnehmungen gewinnen. —
Es fei mir geftattet bei diefer Gelegenheit vorläufig noch
auf eine andre Publication hinzu weifen, ebenfalls ein Er-
zeugnifs der italienifchen Reformation, nämlich den im
Seminatore {Roma 1877 Januar—April) abgedruckten und
ebend. im Juliheft vom Herausgeber Oscar Cocorda be-
fprochnen Dialogo di Giacopo Riccamati Ossanese. In-
deffen wird eine Befprechung desfclben beffer verfcho-
ben, bis auch die dem Dialog angehängte ,Somma auf
welche derfelbe am Schlufs felbft hinweift, gedruckt vorliegt
.

Kiel. Möller.

Nielsen, Prof. Fred., Die römische Kirche im neunzehnten
Jahrhundert, t. Bd. Das Papftthum. Deutfch v. A.
Michelfen. Gotha 1878, F. A. Perthes. (VIII,
533 S. gr. 8.) M. 6. -

Der neuefte Kampf Rom's gegen die Selbftändigkeit
der Staatsgewalt und gegen den Beftand des Proteftan-
tismus hat vielerorten Anlafs gegeben, auf die letzte
Gefchichte der römifchen Kirche genauer zurückzublicken
, um folchen Kampf, den Viele für unmöglich
gehalten hatten, zu begreifen und dann auch richtig zu
würdigen. In Deutfchland verdanken wir diefem Be-
ftreben vornehmlich die beiden bekannten Werke von
O. Mejer und von H. Schmid. Aber auch in rein pro-
teftantifchen Ländern, die nicht unmittelbar vom Kampfe
berührt find, empfand man das Bedürfnifs, fich beffer
über die ftreitbare päpftliche Kirche und ihre Entwicklung
zu unterichten, in dem ganz richtigen Gefühle,
dafs, was von ihr jetzt angeftrebt wird, zuletzt alle
chriftlichen Völker angeht und von allen zeitig beachtet
zu werden verdient. Hieraus ift das vorgenannte Werk des
Kopt nhagenerKirchenhiftorikcrs erwachfen, unsDeutfchen
gleich übermittelt durch AI. Michelfen, der für Bekanntmachung
dänifcher Theologie in Deutfchland foviel
gethan hat, wie kaum Einer vor ihm. —■ Diefe Gefchichte
der römifchen Kirche ward von dem Verf. zuerfl in einer
Reihe von Vorlefungen gegeben, die er im Frühling
1876 vor einer gemifchten Zuhörerfchaft von Männern
und Frauen hielt. Die deutfehe Ausgabe, welche er als
einen ,friedlichen Grufs' an alle Diejenigen ausgehen
läfst, ,die in Luthcr's Vaterlande für den Glauben
kämpfen, der die Kraft Luther's im Leben und fein Troft
im Sterben gewefen ift', hat auf Grund neueren Materials
einige Erweiterungen erfahren. So liegt uns hier kein
Werk in ftreng wiffenfchaftlichem Gewände vor; aber
darum hat es dem Verf. keineswegs an tiefem wiffen-
fchaftlichcn Ernftc gefehlt. Die Gründlichkeit der For-
fchung und die aufrichtige Wahrheitsliebe erkennt man
uberall; die Gefälligkeit der F"orm aber, die bekanntlich
bei dänifchen Theologen keine Seltenheit ift, wird — das
ift zu hoffen — dem Buche in Deutfchland einen um
fo gröfseren Lcferkrcis erwerben.

Der erfte bisher erfchienene Band handelt vom Papftthum
, und mit Recht, denn leider fleht es ja fo, dafs
in der römifchen Kirche des 19. Jahrhunderts das Papftthum
, diefe pars regni Anticliristi, das Wefentliche und
Entfcheidende ift. Der 2. Band foll das ,innere Leben'
innerhalb jener Kirche vorführen, alfo über ,die Stillen
im Lande oder die evangelifche Strömung, die Propaganda
, die reformatorifchen und die revolutionären Be-
itrebungen' berichten. Die ,Gefchichte des Papftthumes'
behandelt die 5 Päpfte Pius VII, Leo XII, Pius VIII,
Gregor XVI, Pius IX und geht bis auf die Bcfetzung
Roms durch die italienifchen Truppen herab. Dafs im

Thatfächlichen Neues beigebracht wäre, wird man kaum
fagen können; aber das Gefchehene ift, wie fchon bemerkt
ward, gründlich erforfcht, gefchmackvoll darge-
ftellt und vom Standpunkte eines fchriftgetreuen evan-
gelifchen Chriften gut bcurtheilt. Mit Spannung werden
die Lefer dem Verf. bei Schilderung der verfchieden-
artigen Wahlumtriebe im Conclave folgen; recht gut
ift ihm die Charakterifirung der einzelnen Päpfte gelungen
, und auch andere hervorragende Perfönlichkeitcn
wie z. B. befonders Confalvi und deffen Gegner Napoleon
I hat er fehr lebendig und treffend gefchildert.
So hat man guten Grund, zu erwarten, dafs er auch des
zweiten, wohl fchwierigeren, Theils feiner Aufgabe Herr
werden wird. — Kleine Berichtigungen: S. 18 Z. 8 v. u.
1. München ftatt Wien; S. 83 Z. 5 v. u. 1. Pius VI ftatt
VII; S. HO Z. 8 v. u. 1. verdeckt ftatt verhehlt;
S. 123 Z. 9 v. u. 1. fie ftatt es; S. 125 Z. 12 v. u. 1. die
Partei ftatt der; S. 142 Z. 13 v. u. 1. feiner ftatt ihrer;
S. 190 Z. 9 v. u. ift ,der Gattung' undeutlich; S. 200
Z. 9 v. u. 1. folches ftatt folche; S. 290 Z. 14 v. o. 1. Vor-
! fahren ftatt Vorfahrer; S. 337 Z. 16 v. u. 1. es ftatt fie;

S. 351 Z. 4 v. u. 1. gefchloffen ftatt gefchaffen; S. 386 Z. 4
■ v. u. 1. welcher ftatt welche; S. 472 Z. 6 v. u. 1. ift ftatt
[ war; S. 489 Z. 9 v. o. 1. Sitzung ftatt Satzung.

Erlangen. G. Plitt.

Buchrucker, Dek. Stadtpfr. Karl, Christian Friedrich Buch-
rucker. Ein Seelforgerlcben aus der Wende des vorigen
und des gegenwärtigen Jahrhunderts. München
1876 u. 1877, Kaifer. (373 S. gr. 8.) M. 4. 80.

Der Mann, deffen Leben uns hier von feinem Enkel
gefchildert wird, trägt keinen in den Handbüchern der
Kirchengefchichte genannten Namen. Er war ein einfacher
Landgeiülicher, Pfarrer eines kleinen Dorfes im abgele-
j genen Steigerwalde, einem Theile des jetzigen bayerifchen
Kreifes Unterfranken. Aber darum ift diefe Schrift doch
nicht blofs als ein Familiendenkmal anzufehen, fondern
fie hat eine umfaffendere Bedeutung, fie ift geradezu als
ein fehr dankenswerther Beitrag für die Kirchengefchichte
1 der neueren Zeit zu bezeichnen. Es ift ja einmal fo, dafs
1 gemeinhin in der Kirchengefchichte mehr von dem Un-
! chriftlichen, dem Entarteten, den Entftellungen die Rede
ift, als von dem wahrhaft Chriftlichen. Zum Theil wird
dies darauf zurückzuführen fein, dafs für das letztere die
1 ficheren, reinen Quellen weniger reichlich fliefsen. In der
' Beziehung bietet nun unfere Schrift eine fehr erwünfehte
' Ausbeute für die letzten Jahrzehnte des vorigen und die
erften unferes Jahrhunderts. Vor einigen Jahren hat Tho-
mafius das Wiedererwachen des evang. Lebens in Bayern
gefchildert und dabei natürlich auch Buchrucker's gedacht.
Aber ihm ftand nur ein geringer Theil des auf diefen bezüglichen
Quellenmaterials zu Gebote. Daher konnte er
damals Buchrucker's Perfönlichkeit nicht vollftändig würdigen
; dem Biographen Buchrucker's aber war nicht nur
hier Berichtigung und Ergänzung möglich, fondern er
konnte auch zur Charakterifirung jener Zeit überhaupt
; noch manchen dankenswerthen Beitrag liefern.

Das Leben des Mannes war nicht gerade ein vielbewegtes
. Geboren 1754 erhielt er den erften Unterricht
im Elternhaufe, kam nach dem frühen Tode des Vaters
auf das Alumneum zu Rothenburg an d. Tauber und ftu-
dirtc dann in Altdorf, welches er als den Ort feiner Bekehrung
feinen 2. Geburtsort nannte. Der junge in der
erlten Liebe flehende Candidat kam 1777 nach Trieft als
Prediger der kleinen evangelifchen Gemeinde. Er fand
I Eingang, bald aber auch, da er ernft und auch wohl etwas
, zu fcharf auftrat, heftigen Widerfpruch, fo dafs er fchon
1779 wieder aus diefer Stellung fchied. Nach einem Jahre
voll fchwerer Seelenanfechtungen ward er Pfarrer in dem
gräflich Kaftell'fchen Dorfe Rehweiler, welche Pfarrftelle
er 1794 mit der des benachbarten Ortes Klcinweifach ver-
taufchte. Hier blieb er bis an feinen Tod im Jahre 1824.