Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1877

Spalte:

657-664

Autor/Hrsg.:

Iwanzow-Platonow, A. M.

Titel/Untertitel:

Die Haeresieen u. Schismen der drei ersten christl. Jahrhunderte. 1. Thl 1877

Rezensent:

Harnack, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schürer.

Erfchcint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. HinrichsTche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 25. 8. December 1877. 2. Jahrgang.

Iwanzow-Platonow, Die Härefleen und Schismen
der drei erflen chriftlichen Jahrhunderte,
1. Bd.: U eher licht Uber die Quellen (Ilarnack).

Secundam Synodum Ephesinam e codicibus
Syriacis manuscriptis in Museo Britannico
asservatis primus edidit Sam. I'erry (Nestle).

The Second Synod of Ephesus, Acts, English
Version with notes by Rev. Perry (Ders.).

Garrucci, Storia della Arte Cristiana nei primi
otto secoli della chiesa, Vol. III (Brockhaus).

Lübeckifche Kirchenordnung von Joh. Bugen-
hagen Pom., getreu nach dem Autograph
von 1531 (Bertheau).

II Sommario della Sacra Scrittura. Trattato del
secolo XVI, ristampato con prefazione del
Prof. Comba (Möller).

Nieifen, Die römifche Kirche im neunzehnten
Jahrhundert, I. Bd.: Das Papftthum. Deutfch
v. A. Michelfen (Plitt).

Buchrucker, Chrillian Friedrich Buchrucker,
ein Seelforgerleben aus der Wende des vorigen
und des gegenwärtigen Jahrhunderts (Plitt),

Ulrici, Die Regelung der kirchlichen Lehrfreiheit
durch die ordentliche Generalfynode,
ein Wort zur Verftändigung (Koehler).

II im n Horn,-II.in tu 11 <>B'i. , A. M«, U|)UToic|ieH , Bp«OI ■ Pnc-
n oa M nepHiiixii Tpexii uhhnin. xp ucri a 11 ctb a. "lac ri, UtQMM,

Otospiaie ■eronaiROVb ajh ncTO|iin ai><-'h» '1>huihxti ccktti
MucKBn 1877.

[I wanzo w- Platonow, A. M., Oberpricfler, Die Haeresieen
u. Schismen der drei ersten christl. Jahrhunderte. Erfter
Theil: Uebcrficht über die Quellen für die Gefchichte
der alterten Secten. Moskau 1877. Jb 351 S. gr. 8.)]

Es irt dem Ref. eine Freude, diefcs rufhfehe Werk
über die Gefchichte der alterten chriftlichen Härefieen bei
den Eachgenoffen in Deutfchland einführen zu können.
Noch irt es ja feiten genug, dafs die kirchenhiftorifchen
Arbeiten ruffifcher Gelehrter auf Beachtung feitens der
occidentalifchen Eorfcher Anfpruch erheben. Angcftchts
des Werkes von Iwanzow-Platonow aber mufs man es
bedauern, dafs es in Deutfchland wenige Lefer finden
wird. Ich will damit nicht fagen, dafs die Refultatc der
Arbeit überrafchend neu, die Unterfuchungen methodifch
tadellos geführt, und die Quellen eingehender, als es
bisher gefchehen, kritifirt und verglichen find. Man wird
umgekehrt behaupten dürfen, dafs der Verf. die Reful-
tate nicht feiten in einer unvollkommeneren Gcrtalt giebt,
als dies geboten, und dafs feine Kritik gegenüber com-
plicirteren Problemen oft frühzeitig erlahmt, wahrend
er gegen feine Vorgänger den Vorwurf des im Dunkeln
fehen Wollens erhebt. Auch irt nicht zu verkennen, dafs
der Nimbus, welchen der ruffifchc Gelehrte über dem
Haupte fart eines jeden heiligen Härefcomachen fehweben
fieht, keine zweckmäfsige Beleuchtung für die kritifche
Erforfchung ihrer Werke gewefen irt — aber diefe Mängel
treten zurück hinter dem nüchternen Sinn, der Wahrheitsliebe
, den nicht gewöhnlichen Kenntnifsen und vor
allem der kritifchen Vorficht, welche der Verf. durch-
gehends bekundet. Ich hebe diefe Vorzüge hier um fo
bereitwilliger hervor, als der Verf. felbrt in befcheiden-
fter Weife überall feine Abhängigkeit von den Vorgängern
betont, deren Arbeiten er in fo umfaffender und
eingehender Weife rtudirt hat, als lebte er unter uns in
Deutfchland. Ueber gewiffe Verftöfse und Ungerechtigkeiten
, fo bei der Kritik der deutfehen ,rationaliftifchen'
Gelehrten aus der Tübinger Schule, foll hier nicht gerechtet
werden. Wenn der Verf. den Verdacht nicht zu
unterdrücken vermag, die Hypothefe des Ref. über die
Zeit Marcion's flehe im Dienfte der Baur'fchcn Ge-
fchichtsconrtruction (S. 52 n. 3), fo irt ihm wohl entgangen
, dafs Volkmar gerade den entgegengefetzten
Verdacht hat laut werden laffen. Ohne Tendenzfpürerei
feheint es nun einmal nicht zu gehen. Zur Sache aber
verweife ich auf Theol. Lit.-Zeitung I. Jahrg. S. 137 und
Lipfius, Quellen d. altert. Ketzergefch. S. 225 f.

Nur der erfte Band des umfaffend angelegten und

657

oft zu breit ausgeführten Werkes liegt bisher vor. Er
behandelt die Quellen für die Gefchichte der alterten
Secten, und zwar nicht nur die Originalquellen, fondern
auch die abgeleiteten bis zum MA. herab, in Anlehnung
an die Arbeiten von Döllinger, Lipfius, Volkmar
und dem Ref. Aber felbrt Differtationen, wie die Hück-
ftädt's über das pfeudotertull. Gedicht wider Marcion,
find eingefehen. Dagegen vermifst man leider die Benützung
des 3. Bandes der Caspari'fchen Quellen.
Auch hätte die Kenntnifs der jüngrten Arbeiten über
Apelles den Verf. vor einzelnen Irrthümern bewahrt.
Die wenigen Vorarbeiten und Hülfsmittel in ruffifcher
Sprache, die der Verf. benützen konnte, find genau verzeichnet
. Am häufigrten wird Philaret's freilich unzureichendes
Werk citirt, daneben aber auch eine Reihe
ruffifcher Ueberfet/.ungcn patriftifcher Werke. Mit In-
tereffe hat Ref. gelcfcn, dafs nicht nur die wichtigften
und alterten Schriften der Kirchenväter, wie die des
Irenäus, Eufebius, der App. Väter, fondern auch Werke wie
die Philofophumena, die Clementinen, das Panarion des
Epiphanius, Ephram, Theodoret,Tertullian,Cyprian u. f. w.
vollftändig oder doch gröfstentheils bereits in ruffifcher
Ueberfetzung vorliegen. Befonders in den Zeitfchriften
der geiftlichen Akademieen find viele Monographieen zur
Patriftik verftreut; die Akademieen haben auch für die
Ueberfctzungen Sorge getragen. S. 37 n. 34 theilt der
Verf. mit, dafs eine Apokalypfe des Baruch in alt-
flavifcher Vcrfion exirtirt, welche demnächft Tichon-
rawow im 3. Bd. der Dammaaii orpe*«u. pyoeR.dLatepaTypbi
veröffentlichen wird. S. 43 n. 46 erfahren wir, dafs
mehrere Texte altflavifcher Ueberfctzungen apokrypher
NTlicher Bücher in der Sammlung von Tichonrawow
und Pypin zu finden find. S. 268 n. 16 berichtet der
Verf., dafs die leider nur bis zur Hälfte gediehene ruf-
fifche Ueberfetzung des Panarion auf einer Collation des
Codex Nr. 443 der Mosk. Synod.-Biblioth. mitberuht,
,der an einigen Stellen einen richtigeren und durchfichtigeren
Text giebt, als die occidentalifchen Ausgaben'.
So fällt nebenbei manche Bemerkung ab, die uns orien-
tis igtiaris von Wichtigkeit irt. (Ueber Hippolytea in
altflav. Ueberf. vgl. S. 74 n. 1, Ztfchr. f. die hift. Theol.
1875 S. 38 f., Theol. Lit.-Ztg. 1877 S. 405 f.) In dem
errten Cap. (S. 1 —17) legt der Verf. einleitungsweife den
Gegenrtand und die methodifchen Grundfätze feiner Un-
terfuchung dar. Er weift unter anderem auf die hiftorifchen
Zufammenhänge hin, welche die Secten der alten Kirche
mit den mittelalterlichen verbinden. Möchte doch der
Verf. diefen Zufammenhängen in einem der folgenden
Bände recht gründlich nachgehen, eingehender wenig-
ftens, als er dies nach S. 15 beabfichtigt! Gerade ein
orientalifcher Gelehrter, der auch über Kenntnifse der
heutigen Secten im Gebiete der byzantinifchen Kirche

658