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Ausgabe:

1877

Spalte:

649

Autor/Hrsg.:

Löfflad, Johs.

Titel/Untertitel:

Die Kirche im Mannesalter. Studien und Kritiken zur Kirchen- und Culturfrage. 1. Hft 1877

Rezensent:

Köhler, Karl

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649

Theologifche Literaturzeitung 1877. * Nr. 24.

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Löfflad. Ffr. Jobs., Die Kirche im Mannesalter. Studien fuche bis herab zu der evangelifchen Allianz und der
und Kritiken zur Kirchen- und Culturfrage. 1. Hft. ; Oxforder Bewegung einerfeits, den Bonner Unionscon-

„ , 0 0 . , r> 1 u ■ r__Ami nt~ i ferenzen andrerfeits. Der zweite Theil befpricht fodann

Braunsbere 1877, Feters Buchh. in Lomm. [VIII, 70 . . „ , .. f
, 5//' !ln "rel Oapiteln die ,relative Berechtigung der Confef-

S. gr. 8.) M. 1. 50. i fionen für die Zukunft', den ,wahrfcheinlichen Erfolg

Die 14 Auffatze diefes Heftes find ein Abdruck aus ! aller künftigen Unionsverfuche' und ,die wahre Union',
den ,friedlichen Blättern für die protefi Gemeinde', j Des Verf.'s Standpunkt ifl crklärtermafsen der der frei-
welch'e der Verf. von April 1875 bis Juli 1876 heraus- finnigen neueren Theologie (S. 12). Grundlegend für feine-
»•egeben hat. Ein Nervenleiden nöthigte ihn damals von Auffaffung der Frage ift feine Anfchauung über den Finder
ferneren Herausgabe abzuftehen, nun aber gedenkt flufs des nationalen Factors auf die Kirchcnbildung.
er in der Form zwanglofer Hefte feine unterbrochene Die eine und allgemeine Kirche im Sinne des Katholi-
publiciftifche Arbeit wieder aufzunehmen. I cismus ift eine Unmöglichkeit. Entfprechend der von

Der Verf. gehört zu den Vielen unferer Zeitgenoffen, Gott gefetzten Gliederung der Menfchheit in Nationen
welche eines Neuen warten, das da kommen foll. Es gliedert fich auch die chriftl. Welt in Nationalkirchen:
wird, fagt er, in der Gegenwart gerüftet auf eine neue | dies die wahre Bedeutung der Confeffionen — auch die
Hochzeit. ,Es liegt aber am Tage, wie füfsfauer oder 1 kathol. Kirche ift nichts anderes als die Nationalkirche
bitterfüfs die Vorbereitungen und Zurüftungen find, es ; der romanifchen Völker. In diefem Sinne wird es zu
giebt dabei viel Herzbrechen. Denn es gilt Abfchied allen Zeiten Confeffionen geben müffen, nicht fo, dafs fich
nehmen von alten, lieb gewordenen, mit unferm ganzen i diefelben einander ausfchliefsen und bekämpfen, fondern
Sein verwachfenen Verhältnifscn, und das will Vielen : fich gegenfeitig ergänzend, je ihre eigcntlkimlichen Gaben
fchwer, ja unmöglich fcheinen. Dazu tritt das Neue un- j neben einander entfaltend. Innerhalb der Nationen foll
fertig und als ein Werdendes in die Erfchcinung, und j man die kirchl. Einigung nicht auf dogmatifchem Wege
das giebt denen, die folchen Grund fuchen, weil ihnen herbeizuführen fuchen: die dogmatifchen Unionsverfuche
der Glaube an den lebendigen Herrn und fein Fort- | find ftets gefcheitert und werden ftets fcheitern, fondern

fchreiten in der Gefchichte fehlt, fofort Grund zur Ab
lehnung' ;S. 8). ,Wir ftehen vor einer neuen Entfaltung
des chriftlichen Geiftes, welche die Vermählung des
Gehles Jefu Chrifti mit dem Geifte der neuen Zeit uns
bringen wird' (S. 14). Als diejenige Geftalt des religiöfcn
Lebens, welcher die Zukunft gehöre, fchwebt ihm die
Vermählung von Myftik und Rationalismus vor. ,Die

foll die Mächte der chriftl. Frömmigkeit einerfeits, der
Wiffenfchaft andrerfeits im Stillen dafür wirken laffen.

Was der Verf. fagt, wird vielfeitig und nicht blofs
bei folchen, die feinen Standpunkt principiell beftreiten,
Bedenken und Widerfpruch erregen. Ref. würde neben
der relativen Berechtigung der Confeffionen auch ,Roms
Unrecht' — mit W. Menzel zu reden — zum beftimmteren

Verbindung von Myftik und Rationalismus, von Herz ! Ausdruck gebracht haben, ift jedoch der Meinung, dafs
und Kopf ift die lebendige Quelle wie der gefunden Re- ! der Verf. im Wefentlichen richtig den Weg .bezeichnet
ligiofität, fo jeder fruchtbaren Schöpfung in allen Gebieten, hat, den die religiöfe Entwickelung der chriftl. Völker
Die Myftik ift die Meifterin und Führerin, der Rationa- nehmen mufs, wenn fie einer gedeihlichen Zukunft ent

lismus der Begleiter und Ordner. Das grofse Herz ift
höheren Ranges und mächtiger als der grofse Gcift' (S.
42). Von diefem Standpunkte aus befpricht er, ohne
fyftematifche Anordnung, eine Reihe bedeutfamer Er-
fcheinungen der Zeit. Das ftaats- und reichsfelige Cul-
turphiliftcrthum ift ihm ebenfo wenig fympathifch wie

gegen gehen foll. Ob wir uns freilich auf diefem Wege
befinden, das mag Gott wiffen, die Hemmnifse (der Verf.
redet darüber S. 169 ff.) lind unermelslich. Üebrigens
ift es nicht richtig, dafs die Union in Freufsen fo völlig
als gefcheitert zu betrachten fei, wie der Verf. anzunehmen
fcheint; fie befteht als unwiderrufliche Thatfache

der rückwärts ftrebende Orthodoxismus. Dem landläufi- 1 trotz allem, was dagegen geredet oder gefchrieben wer-
gen religiofen Liberalismus macht er nicht mit Unrecht I den mag.

den Vorwurf, dafs er viel weniger aus einem religiöfen Friedberg. K Koehler
Trieb und Bedürfnifs erwachfen fei als aus einem Cul-____

turbedürfnifs — hier liegt in der That der tieffte Grund, .

der die Stellung der liberalen Theologie dermalen zu Erwiederung.

einer fo ungeheuer fchwierigen macht - , in dem Ortho- j In Nr. 21 diefer Zeitung hat Herr Prof. Dr. R. Lepfius
doxismus ficht er den unähnlichen Zwillingsbruder des meine Schöpfungsgefchichte einer Beurtheilung unterzogen.
Vorigen. Er ftrebt nach einer Erneuerung aus den in- ; Soweit nun derfelbe ein Urtheil über diefes Buch abgiebt,
nerften Seelengründen, den tiefften Quellen des religiöfen ; fleht es mir nicht zu, mit ihm zu rechten, wohl aber glaube
Geiftes und Lebens. ,Der Glaube mufs wieder Leiden- [ ich ein Recht zu haben, die von ihm ganz entftellten und
fchaft werden im reinften und tiefften Sinne des Worts' : zum Theil geradezu umgekehrten Angaben, die fich in mei-
(S. 70). Eine abgefchloffene Gefammtanfchauung ge- j nem Buche nach ihm finden und fein Urtheil begründen follen.
winnt man aus den Ausfprüchen des Verf.'s nicht, dazu in ihrer richtigen Geftalt dem Lefer vorzuführen, umfomehr,
find fie zu rhapfodifch. Manches fordert zum Wider- | als fall in jedem Falle, wo er näher auf meine Darftellung
fipruch auf; nicht Alles, was er fagt, ift neu, aber im ; eingeht, diefelbe falfche Auffaffung von ihm in geradezu un-
Grofsen und Ganzen bringt er hoch bedeutfame Wahr- ' begreiflicher Weife wiederkehrt. Ich führe nur die wichtigheiten
zur Ausfprache. Als Weisfagungen einer beffern ( flen Beifpiele an, zunächft das Referat des Herrn L. über
Zukunft find folchc Stimmen wie die des Verf.'s mit meine Behandlung der Gelleinslehre. Er wirft mir hier vor:
Freude zu begrüfsen. Wir wünfehen ihm Luft und Muth j a) ,er läfst fich nicht leiten, einerfeits von der geologifchen
zur F"ortfetzung feines Unternehmens. ! Lagerung der Gelleine im Gebirge, andrerfeits von den exaeten

Friedberg. K. Koehler. Unterfuchungen der Gelleine wie fie in den letzten Jahren

Rofenbufch und Zirkel mitteilt des Mikrofkopes angebahnt

Joss, Ffr. Glieb., Die Vereinigung christlicher Kirchen. Eine ■ haben, fondern b) theoretifirt im 18. Kap. über die Einteilung
von der Haager Gefellfchaft zur Vertheidigung der j und Entflehung der Gefleine vom chemifch-voreingenommenen
chriftlichen Religion gekrönte Freisfchrift. Leiden Standpunkte aus. Es ift oft genug von den Geologen geltend
o u -Ii Amt e „. ü m -> rn • gemacht worden, dafs wir dasjenige, was die Chemiker in

1877, Brill. iv111, 194 i>. gr. ö.) m. 3. 50. ihrgm kleinen Laboratorium nicht hervorbringen können, noch

Eine vortreffliche Arbeit. Im erften Theil, dem um- ; lange nicht zu den unmöglichen Dingen zu rechnen brau-
fangreichften, giebt der Verf. eine zwar nicht auf Quel- J chen .... die genaue Beobachtung der Natur mufs für den
lenftudien, doch auf den beften neuern Forfchungen Geologen die einzige Richtfchnur feiner Anfchauung fein,
ruhende Gefchichte fämmtlicher kirchlichen Unionsver- c. Pfaff dürfte daher nicht von einem gefchichteten Granite