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Ausgabe:

1877

Spalte:

587-589

Autor/Hrsg.:

Lechler, Karl

Titel/Untertitel:

Die Confessionen in ihrem Verhältniss zu Christus. Andeutungen zu einer biblisch-theologischen Lösung der Confessionsfrage 1877

Rezensent:

Ritschl, Albrecht

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logie mit ihren Wirkungen auf die Myfterien der Griechen, I Kreis einer enger gefchloffenen Erörterung hineingezogen
und der mögliche Einflufs der perfifchen Efchatologie j zu werden', — fagt der Verf. in der Vorrede. Hierdurch
auf Judenthum und Chriftenthum, fo würde man wirklich j ift die Erörterung des grofsen und wichtigen Themas
den Eindruck einer Entwicklungsgcfchichte haben. auf eine ziemlich fchmale Diät gefetzt, und auf dasjenige

Was foll uns aber eine Darftellung nützen, in welcher Mittel der Löfung angewiefen, bei welchem der ,mächtige
die Aegypter im Punkte der Efchatologie auf die ,rohen üdemzug der Einheit, der durch die Chriftenwelt geht'
Völker' folgen, und in welcher der Buddhismus der ger- : bisher feine Rechnung gar nicht gefunden hat. Denn
manifchen, flavifchen und celtifchen Mythologie vor- wenn ,dic katholifche Kirche behauptet, dafs der Menfch
ausgeht? Als ob es hier auf das Zeitalter ankäme, in aus den Werken gerecht werde, die evangelifche es
welchem uns die Anfchauungen der betreffenden Reli- leugnet und den Glauben an die Stelle der Werke fetzt'
gionen bekannt werden, und nicht auf ihre Stellung (S. 6) — fo ift diefe Faffung ihres Gegcnfatzes unfrucht-
in der religiöfen Entwicklung! Was foll uns die bar oder vielmehr verwirrend; denn das Wort Gerecht
weitläuftige Berichterftattung über Gelten, Slaven, Römer, hat in den beiden Formeln nicht den gleichen Sinn.
Germanen und Griechen, — als ob nicht die Religionen Ferner bemerke ich, dafs man über die Spaltung der
diefer Völker nur eine Efchatologie in verfchiedenen Ent- abendländifchen Kirche nicht richtig urtheilen kann, wenn
wicklungsformen zeigten? Was follcine Darftellungdergrie- man fich nicht auf die Spaltung der katholifchen in die
chifchen Efchatologie, welche die von fo vielen andern griechifche und lateinifche verfteht. Der Verf. hätte fich
Elementen berührten grofsen Dichter und Philofophen [ alfo gerade wegen der befondern Aufgabe, die er Ach
der Griechen einfach an die Volksreligion anreiht? Was gefetzt hat, um den ,Stoff bemühen dürfen, den die
hilft eine Darftellung, welche nicht erkennen läfst, dafs griechifche Kirche reichlich darbietet. Er hält fich jedoch
die Aegypter, Juden und Moslemim optimiftifch aus der j auf einem Pfade, wie ihn die ordinäre Symbolik anweift,
Efchatologie ein pofitives Motiv der Sittlichkeit machen, j und zwar auf dem fchmalften, der fich denken läfst,
während die Brahmanen und Buddhiften diefelbe nur als i nämlich dem der Vergleichung der beiden Rechtferti-
Motiv der Furcht in rein peffimiftifcher Stimmung ver- 1 gungslehren, die zwar gleichnamig, aber auf ganz ver-
werthen? | fchiedenartige praktifche Beziehungen angelegt find.

Wenn alles dies berückfichtigt wäre, fo würde auch j Eigentümlich ift nur das Motiv, mit welchen! er den
das Refultat kaum fo zuverfichtlich lauten, wie es ge- I Pfad betritt. Er meint, dafs nicht die duldende Liebe
fchieht. Die Religionsgefchichte, der consensus gen- zum Zweck der Einigung der Confcffionen der abend-
tiitm, lehrt uns für die Efchatologie in Wirklichkeit nur, ! ländifchen Kirche aufzubieten fei, fondern vor derfelbtn

dafs die Phantafie aller Völker das bewufste Leben als
ein zu irgend einem Zeitpunkte völlig beendetes fich
nicht vorftellen kann. Aber arf fich hat das, wie die
femitifche Scheolvorftellung zeigt, keinen religiöfen
Werth. Und bei den Turaniern und Ariern hängt ihr

die Hochachtung, in welcher man nach Phil. 2, 3 den
andern höher achtet als fich felbft, ,indem ich Eigen-
fchaften an ihm finde, welche mir abgehen und mich
nöthigen, an ihm hinaufzufchen', — was eine falfche Auslegung
des paulinifchen Satzes ift. Diefe Hochachtung

Glaube an Fortdauer nach dem Tode mit einer ziemlich : des Andern foll nun auch in dem Wechfelverhältnifs der
niedrigen naturaliftifchen Göttervorftellung unzertrennlich beiden Confeffionen in einem gewiffen Mafse fchon gd-
zufammen. I ten. ,Die evangelifche Theologie ift fchon feit langer

Aber auch die Behandlung felbft ift, trotz der grofsen : Zeit bereit, wo die katholifche Kirche Hervorragendes
Belefenheit des H. Verf.'s in Literatur zweiter Hand, nicht | leiftet, es anzuerkennen und die Schwäche der eigenen
überall befriedigend. Eine genügende und gleichmäfsige j Kirche in diefem und jenen Theilc offen cinzugeftehen'.
Benutzung der Quellen liegt nicht vor. Sonft hätte nicht < Die katholifche Kirche folgt ihr freilich auf diefer Bahn
der Buddhismus nach der Trimurti-Phafe der indifchen [ nur fehr langfam und in weitem Abftande. Aber ,feit
Religion behandelt fein können, und wir würden nicht ; Möhler mit den evangelifchen Theologen Tü-
lefen: ,nach Buddha regiert ein höchftes Wefen die Welt; bingens in dem Saale des theologifchen Stiftes
es ift unfichtbar und ohne finnliche Geftalt' etc. (229). Wir , zufammenfafs, um das Jubelgedächtnifs der Augswürden
nicht die Saddukaeer als ,Vertreter des Ratio- j burgifchen Confcffion zu feiern, und nachher, als
nalismus bezeichnet finden, welche mit aufklärcrifcher ; die Kölner Wirren den Confeffionskampf wieder anTheorie
epikureifche Praxis verbanden' etc. (470). Die fachten (1837), feine Schlciermacher'fche Bildung in den
Literatur der alttcftanientlichen Theologie würde nicht Streitfchriften gegen Baur (1834) auf den Kampfplatz
mit 1848 abfchliefsen, ohne von Kuenen, Oehlcr, Well- treten liefs, hat man auf beiden Seiten ein unaustilgbares
häufen etc. Notiz zu nehmen. : Gefühl, dafs man fich näher gekommen ift'. ,Die

Das Buch zeigt uns, dafs die Aufgabe der Religions- evangelifche Theologie konnte doch, wenn lie Möhler's
gefchichte durch das kaum zu überfehende und fo viel- Symbolik in ihren erhabenen Zügen vor fich ftehen fah,
fach noch unfichere Quellenmaterial und den Mangel an i nicht anders als geftehen, dafs das Fleifch fei von ihrem
einer feften Methode, noch faft unüberwindliche Schwierig- Fleifch und Bein von ihrem Bein' (S. 13. 14). ,Es ift eine
keiten bietet, und dafs fie jedenfalls mit umfaffenderen unleugbare Thatfache, was Hafe von dem proteftantifchen
Mitteln und mit klarerer Ausfcheidung des nicht zur Zuge fagt, der durch die katholifche, und von dem ka-
Aufgabe Gehörigen vollzogen werden mufs, als es hier tholifchen Zuge, der durch die proteftantifche Kirche
gefchieht. geht' (S. 15). Allerdings hat Hafe hierin Recht. Denn

Göttingen. H. Schultz.

Lechler, Karl, Die Confessionen in ihrem Verhältniss zu
Christus. Andeutungen zu einer biblifch-theologifchen

Löfung der Confeffionsfrage. Heilbronn 1877, Hen- 1 Er ift vielmehr, wie feine vorher angeführten Ausfprüche

unter den Katholiken denken manche über den Werth
des Staates anders als es nach Gregorianifchcm Syftem
folgerecht ift, und unter den Lutheranern denken leider
viele über Staat und Kirche gregorianifch. Der Verf.
ift nur weit davon entfernt, fich diefe Auskunft zu geben.

' ,Vr ^ai i' i m i a, beweifen, in gefchichtlicher Erkenntnifs der reine Nacht-

mnger. (ai, -47 »• »0 3- bo. Wandler. Diefes bewährt er auch in folgenden Sätzen.

,Es find Andeutungen, die in diefer Schrift gegeben ! ,Die Reformation Luthcr's hat ihre Vorläufer gehabt; die
werden. Daher ift von den ftreitigen Principien des | Hufs, Weffel, Wiklef u. A. (bemerke die Reihenfolge!)
evangelifchen und des katholifchen Bekenntnifses nur die j hatten mehr als ein Jahrhundert zuvor ganz diefelben
RechtfcrtUungslehre genauer erörtert, es ift auch die i Wege eingefchlagen; die böhmifchen Brüder und die
griechifche Kirche ganz aufser Acht gelaffen. Vorerft i Waldenfer (bemerke die Reihenfolge; gleichfalls'. ,Die
gab diefe Confcffion nicht Stoff genug, um auch in den j altkatholifche Kirche und das nachapoltolifche Zeitalter