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Ausgabe:

1877 Nr. 21

Spalte:

572-574

Autor/Hrsg.:

Dehio, Georg

Titel/Untertitel:

Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen bis zum Ausgang der Mission. 2 Bde 1877

Rezensent:

Bertheau, Carl

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571 Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 21. 572

Romanis impugnata est' charakterifirt; die zweite und
dritte, ,qua ecclesia versata est sub tntela Imperatorum
Graeco-Romanorum' refpective ,regum et deinde Imperatorum
Francorum et Germanorum'; die vierte, ,qua Ponti-
fices Romani supremam quandam auctoritatem sibi com-
pararunt et exercuerunt, quae etiam aliquatenus ad res
politicas se extendebaf; die fünfte, ,qua auctoritas S. Sedis
depressa et humiliala est per infausta certamina Bonif icii VIII
cum Philippo, exilium Avenionense et magnum schisma occi-
dentale'. Frappirt fchon die Begrenzung diefes Zeitraums
als einer befonderen Periode, fo erfcheint die Ableitung
der 6. und letzten von dem Conftanzer Concil
an noch auffallender; allein bei näherer Erwägung wird
zuzugeftehen fein, dafs,- unter der Vorausfetzung, die
Reformation dürfe fchlechterdings nicht als epochemachend
bezeichnet werden, der von Smedt angegebene
Terminus richtiger gewählt ift, als z. B. der von F. X.
Kraus vorgefchlagene, der Sturz von Conftantinopel
und die Erneuerung der antiken Cultur. Jedenfalls ver-
läfst Smedt fein fiintheilungsprincip nicht, wenn er die
6. aetas alfo charakterifirt: ,ubi plerique reges ecclcsiam
et praesertim S. Scdem tarn non ut matrem et magistram,
sed fere eodem loco habere videntur quo societates civiles
a sua distinctas et plus minus sibi acmulas; unde cum illa
sicut cum Iiis foedera contraliere consueverunt, quibus quam
plurima et maxima poterant commoda et auctoritatem sibi
conciliare, quam minima vero Uli concedere conabantur. Ita
usque ad extrem, saec. XVIII vel etiam usque ad anri. saec.
nostri XXX'. Er fetzt aber hinzu: ,a quo tempore iam
videiur compidanda nova aetas, ubi omnimodam separatio-
netn ecclesiae et status politici procurare nituniur ii, qui
societatum civilium regimini praesunt'. Diefe Eintheilung
ift ohne Zweifel auf ftreng-curialiftifchem Boden die fach-
gemäfsefte. Der Verf. unterfcheidet nun weiter die innere
und äufsere Gefchichte der Kirche und theilt jede in
vier Zweige: Gefchichte der Hierarchie, der Lehre, der
Disciplin und des Cultus, der Sitten einerfeits, Gefchichte
der Miffion, des Verhältnifses zum Staat, zum öffentlichen
Recht und zur Cultur andrerfeits. S. 57f. giebt er im An-
fchlufs an Franzelin Anweifungen, in welchem Sinne
die Dogmengefchichte aufzufaffen fei, und fetzt die modernen
jefuitifchen Beftimmungen über das Wefen der Tradition
auseinander. In der dritten Tractatio wird nun
(S. 65 — 402) von den fontes hist. eccles. gehandelt und
zwar zuerft von den Quellen zur allgemeinen Kirchcn-
gefchichte (S. 67—HO), fodann von denen zur Heiligen-
gefchichte (S. 111 — 197), weiter folgen die Quellen zur
Gefchichte der Päpfte (S. 198 — 281), zur Gefchichte der
einzelnen Landeskirchen (S. 282—346) und der Mönchsorden
(S. 347 — 382); die Aufführung der Quellenwerke
zur kirchlichen Archäologie, Eipgraphik, Numismatik
(S. 383—402) bilden den Befchlufs. Es find zum gröfsten
Theil Titel, die uns hier vorgeführt werden; aber fehr
überfichtlich geordnet. Wo der Verf., wie z. B. bei den
älteren Papftkatalogen, nähere Ausführungen giebt, ift
Vieles zu beanftanden. Ergänzungen, die fich Ref. beiläufig
gemacht, mitzutheilen, hl hier nicht der Ort. Bei
der Gefchichte der einzelnen Landeskirchen wird die
Literatur zur Gefchichte der einzelnen Diöcefen nur foweit
mitgetheilt', als diefelbe in Specialfchriften befteht. In
Folge deffen find einzelne Bisthümer gar nicht erwähnt.
In der Schlufs- Tractatio werden die subsidia ad hist. eccl.
tractandqm iuvantia zufammengeftellt (S. 403—482), und
zwar im erften Capitel die Collectiones äocumentorum circa
hist. impcrii Gracco-Romaui, weiter circa hist. gentium occi-
dentalium tempore medii aevi, einfchliefslich der juriftifchen
Literatur, fodann die Handfchriftenkatalogeund die grofsen
Regeftenwerke und Bibliotheken; im zweiten Capitel die
neueren Arbeiten zur Kirchengefchichte. Der Verf. hat
feiner Introductio zwei Appendices beigegeben: 1) Emendata
a demente VIII. et deinde ab Urbano VIII. in lec-
tionibus de historiis Sanctorum inscrtis Breviario Romano.
2) einen Abdruck des Catal. Liberianus nach Mommfcn

und des Eortologium Romanum. Ein ausführliches Regifter
fchliefst das Werk ab; die Ausftattung desfelben ift fehr
fplendid. Wir wünfchen, dafs fich diefes einzigartige
Hülfsbuch auch bei uns einbürgern möge'; es wird gewifs
in vielen Fällen mühfames Suchen erfparen und Entfernteres
nahebringen.

Leipzig. Ad. Harnack.

Dehio, Georg, Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen
bis zum Ausgang der Mission. 2 Bde. Berlin 1877,
Hertz. (XIV, 277, 73 u. VI, 192, 46 S. gr. 8.) M. II. —

Im diefem Werke erhalten wir eine fleifsige, werthvolle
Arbeit, welche in vielen Kreifen um fo lebhafter
begrüfst werden wird, als ein Werk diefer Art geradezu
ein Bedürfnifs geworden war. Namentlich wir Hamburger
und nicht minder die Bremer haben dem Ver-
faffer für diefe Zufammenftellung der älteften Nachrichten
über unfer Erzbisthum zu danken; aber auch für die
Gefchichte der Kirche und des deutfchen Reiches im
Mittelalter überhaupt ift hier ein Beitrag geliefert, der
den Theologen und den Gefchichtsforfchern in gleicher
Weife wichtig fein mufs.

,Bis zum Ausgang der Miffion' erzählt der Verf.
die Gefchichte des Hamburger Stuhles. Das Erzbisthum
war recht eigentlich zum Zwecke der Miffion gegründet;
den Norden und den Often zu chriftianifiren war die ihm
geftellte Aufgabe. Der letzte Verfuch auf diefem Gebiete
war die Gründung der livländifchen Kirche, die i.
J. 1186 mit der Errichtung des Bisthums zu Uexkull unter
dem Erzbifchof Hartwich II vollendet ift. Als dann
nach vielerlei Wirren, welche der Verf. uns aus ihren
Beziehungen zu den allgemeinen politifchen Verhältnifsen
verdeutlicht, Papft Alexander IV am 20. Jan. 1255 Riga zur
felbftändigen Metropole der livländifchen und preufsifchen
Kirche erhob und fo die letztere für immer vom Verbände
mit Hamburg-Bremen löfte, da war unferem Stuhle das
letzte aufserdeutfehe Bisthum verloren gegangen (der
Norden war ihm fchon i. J. 1104 durch Errichtung des
Erzbisthums Lund entriffen), und fortan ift es mit aller
Thätigkeit für die Miffion zu Ende. Bis z. J. 1255 reicht
alfo der Abfchnitt der Gefchichte des Erzbisthums Hamburg
-Bremen, den unfer Verfaffer uns darfteilt; er beginnt

1 mit den erften Anfängen der Miffion unter den Sachfen

! und Friefen.

Aufser dem grofsen Intereffe an dem Stoffe felbft,

j das man ihm überall anmerkt, hat den Verf. zur Bearbeitung
desfelben noch der Umftand aufgefordert, dafs
die Vorarbeiten für eine folche Arbeit gröfstentheils erledigt
find. Diefe Vorarbeiten liegen vor allem in den
von Pertz u. a. edirten monumenta Germaniae historica
und in dem hamburgifchen Urkundenbuch von Lappenberg
(1. und einziger Band, Hamburg 1842, 4.) vor,
aufserdem in einigen andern Quellenfammlungen, denen
fich Bearbeitungen einzelner Theilc anfchliefsen. Der
Verf. fagt in Bezug hierauf von feiner eignen Arbeit:
,es ift ein wohlbeftelltes P"eld, auf das ich mich begeben
habe; zur Ernte reif: ich glaube nicht vorfchnell zu
handeln, wenn ich diefelbe jetzt einzufammeln verfuche.
Den Weizen von der Spreu zu fondern, das ift die Arbeit,
die mir zu thun übrig bleibt. Ein höheres Verdienlt

' kann ich nicht beanfpruchen'. Uns will diefe Selbftbe-

! urtheilung feiner Arbeit eine zu befcheidenc fcheinen;

I wenigftens hat der Verf. es fich keine Mühe koften laffen,
aus den vorliegenden Quellen, die oft lückenhaft und
räthfelhaft find, eine recht lesbare, worauf er felbft Gewicht
legt, und anfehauliche Darfteilung der Ereignifse
zu liefern, die freilich, je nachdem die Quellen dazu ausreichen
oder nicht, mehr ins Einzelne eingeht oder nur
die Hauptgefichtspunkte zur Beurtheilung hervorhebt. Und
an eignen F"orfchungen und Zufammenftellungen, an der
felbftändigen Bearbeitung des Stoffes fehlt es in feinem