Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1877 Nr. 20

Spalte:

548-554

Autor/Hrsg.:

Langen, Jos.

Titel/Untertitel:

Das Vaticanische Dogma von dem Universal-Episcopat und der Unfehlbarkeit des Papstes in seinem Verhältniß zum Neuen Testament und der kirchlichen Ueberlieferung. 4 Thle. in 1 Bde 1877

Rezensent:

Kolde, Theodor

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

547

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 20.

548

fobald man erwägt, dafs Hieronymus über 2 Jahrh. fpäter
gefchricben hat, als der Verf. das Alter des Bildes anfetzt
, und dafs im 2. u. 3. Jahrh. der Hirte den abend-
ländifchen Kirchen mehr als bekannt gewefen ift. Die
in der That vorhandene Incongruenz wird von dem Verf.,
der die Worte des Hirten nur flüchtig gelefen zu haben
fcheint, überfchätzt. Nicht vier Pforten hat der Thurm
bei Hermas, fondern eine, diefe eine befindet fich allerdings
nicht im gemauerten Thurm, fondern im Felfen.
Aber der Verf. hat überfehen, dafs fie fich auch auf dem
Katakombenbilde nicht, wie er meint, am Thurme, fondern
an dem dem Thurme zu Grunde liegenden kubi-
fchen Felfen angegeben findet. Weiter: Hermas fpricht
allerdings von 12 Jungfrauen und das Bild führt uns
deren nur 3 vor, allein das Bild zeigt eben nur eine von
den 4 Seiten des Thurmes; fodann: nicht aus dem Innern
des Felfens tragen die Jungfrauen nach Hermas
Steine herbei, wie der Verfaffer behauptet, fondern,
ganz wie auf dem Bilde, von aufsen; endlich: auch
auf dem Bilde finden fich rings um den Thurm Steine
zerftreut liegend. Es bleiben fomit nur die Incongruenzen
nach, dafs auf dem Bilde die eine Jungfrau felbft als
thurmbauend erfcheint, während nach dem Hirten die
Engel, welche auf dem Bilde ganz fehlen, die Maurer
find; weiter, dafs das Bild den Eindruck macht, als habe
der Maler von der Regel nichts gewufst, dafs jeder Stein,
um eingemauert zu werden, erft durch die Thür getragen
werden müffe. Beide Incongruenzen jedoch
laffen fich aus den Schranken, welche dem Maler gezogen
waren, hinreichend erklären. Dazu kommt, dafs
auch die im Thurm flehende Jungfrau nicht die Steine
einmauert, fondern die Hand ausftreckt, um diefelben
zu empfangen. Mithin reducirt fich die Verfchieden-
heit auf ein Minimum , und wir werden bei der Anficht
verharren dürfen, dafs der Hirte des Hermas
zu dem anmuthigen Bilde das Motiv geliefert hat, welches
, foweit Ref. die ältere chriftl. Literatur kennt, überall
, wo es fich findet, nachweisbar auf Hermas zurückgeht
. Leider läfst fich das Alter des neapolit. Katakombenbildes
nicht beftimmen. Die Priapusfäule in der
erften Katakombe hält Schultze für eine Myfhncation
des MA. und verzichtet auf eine Deutung der räthfel-
haftcn hebräifchen Infchrift. Hoffentlich wird das nicht
das letzte Wort in diefer Frage bleiben.

Leipzig. Ad. Harnack.

Hans, Jul., Beiträge zur Geschichte des Augsburger Schulwesens
II. Neubildungen zur Zeit der Reformation.
[Aus: ,Zeitfchr. d. Hiftor. Vcr. f. Schwaben und Neuburg
.' IV. Jahrg. 1. Hft] Augsburg 1877, Druck der
J. P. Himmer'fchen Buchdr. (55 S. gr. 8.)

Der Verf. behandelt zuerft kurz und überfichtlich
die Bedeutung der Reformation für die Gelehrtenfchulen
und das Volksfchulwefen in Deutfchland. Sein Urtheil
ift ein mafsvolles und befonnenes. Er hat Recht, wenn
er hinfichtlich der Gelehrtenfchulen fagt: ,So ift es die
ganze Zeit mit allen ihren Beftrebungen und Errungenschaften
— die Erfindung der Buchdruckerkunft nicht zu
vergeffen —, die auf eine Neugeftaltung des Schulwefens
hindrängte und die Mittel dazu lieferte, und man thäte
Unrecht, wollte man der Reformation allein das Ver-
dienfl dafür zufchreiben. Aber man thäte cbenfo Unrecht
, wollte man ihr nicht den wefentlichften Antheil
daran zuerkennen'. Auch damit ift er im Rechte, dafs
er bemerkt, Luther habe bei feinem Eifern für die Schulen
noch nicht das, was wir Volksfchule nennen, im
Auge gehabt, und dafs er betont, fchon in vorrefor-
matorifcher Zeit habe es nicht ganz an deutfehen Schulen
gefehlt. Aber dann fcheint er mir die Bedeutung
der Reformation für die Volksfchule nicht hinlänglich
zu würdigen. Allerdings ift diefe nicht von jener ,ge-

fchaffen', aber eine ,nothwendige und unausbleibliche
Frucht jener ganzen Zeit' darf man fie doch auch
nur dann nennen, wenn man die Reformation als das
eigentlich Beftimmende und Entfcheidende in jener Zeit
betrachtet. Wo die Reformation nicht zur Herrfchaft
gelangte, kam es zunächft auch noch zu keiner Volksfchule
, und wenn fpäter katholifche Länder hierin nachzukommen
fuchten, fo gefchah es, weil fie den Vorfprung
erkannten, welchen die proteflantifchen durch die Volksfchule
gewannen. — Nach folcher Einleitung berichtet
der Verf.: 1) über die Anfänge des St. Anna-Gymna-
fiums, und 2) über die Anfänge des Volksfchulwefens
in Augsburg. Beide Abfchnitte, befonders der zweite,
find recht dankenswerthe Beiträge zur Entwickelungs-
gefchichte der Schule in Deutfchland. Als Anhang ift
beigegeben eine Schulordnung für die Stadt Augsburg,
die der Verf. in die Interimszeit fetzt, und eine Denk-
fchrift des Matthias Schenk, des Wiederherftellers der
Augsburger Gelehrtenfchule über eben diefe Anftalt.

Erlangen. G. Plitt.

1. Das Papstthum in seiner allmähligen Entwickelung bis
auf die Gegenwart. Dargeftellt von H. M. E. Leipzig
1876, Brockhaus. (VIII, 230 S. gr. 8., M. 4. —

2. Friedrich, Prof. Dr. J., Der Mechanismus der Vatikanischen
Religion. Nach dem Fakultätenbuch der
Redemptoriflen dargeftellt. 2. Aufl. Bonn 1876, Neuffer.
(72 S. gr. 8.) M. 1. 20.

3. Langen, Prof. Dr. Jos., Das Vaticanische Dogma von
dem Universal-Episcopat und der Unfehlbarkeit des Papstes
in feinem Verhältnifs zum Neuen Tcftamcnt und der
kirchlichen Ueberlieferung. 4'Phle. in 1 Bde. 2. (Titel-)
Ausg. Bonn 1876, Weber's Verl. (IV, 116; 138, 158
u. 102 S. gr. 8.) M. 8. -

4. Lichtenstein, Palt. A., Lehre und Leben der römischkatholischen
Kirche gemeinfafslich dargeftellt. Elberfeld
1875, Mofel. (IV, 156 S. 8.) M. 1. 50.

Die drei erften Schriften wollen jede in ihrer Weife
dem Kampf gegen das Vaticanum dienen, während die
letzte eine gedrängte, populäre Darfteilung der römifch-
katholifchen Lehre geben will. Der anonyme Verfaffer
der erften Schrift hat, wie er felbft angiebt, fchon vor
30 Jahren in zwei dem Ref. nicht bekannt gewordenen
Arbeiten, ,üalberg, die letzten Lebenstage eines deutfehen
Bifchofs' und ,Ganganelli, der Kampf gegen den Jefuitis-
mus', den Satz ausgefprochen: ,das einzige Ziel, welches
fie (die Päpfte oder Jefuiten) anltreben, ift die Gründung
der Herrfchaft eines Dalai-Lama in Europa'. Die Richtigkeit
diefes Satzes nach der nunmehr durch das Vaticanum
erfolgten Papftvergötterung auf hiftorifchem Wege dar-
zuthun, ift der Zweck, welchen der Verfaffer, wie aus der
befondern Bezugnahme auf Baiern hervorgeht, ein Baier,
mit diefem Buche verfolgt. Er fchreibt dabei, wie es
fcheint, für gebildete Laien und feine Darftellung ift bisweilen
nicht ohne Gefchick. Ueber die Entftehung und
Gefchichte der alten Kirche fcheint er fich nicht befonders
klar zu fein, fo wenn er S. 4 erzählt: ,der erfte
Lehrer (d. h. der, welcher der Gemeinde zuerft das Evangelium
verkündet hat), von der Gemeinde als folcher anerkannt
oder eigens gewählt, hiefs Bifchof und war der
Leiter der Gemeinde'. S. 5 wird von den 7 Kirchenämtern
, von denen wir doch erft aus dem Jahre 251 ausdrückliche
Kunde haben, behauptet, fie feien ,offenbar
von den neubekehrten Juden aus ihrer gefelllchaftlichcn
Verfaffung mit ins Chriftcnthum hinübergenommen'. Ganz
unzulänglich und zum Theil falfch find die Erörterungen
über die Entftehung des Papftthums und der Concilien