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Ausgabe:

1877 Nr. 19

Spalte:

526-527

Autor/Hrsg.:

Schmidt, G. L.

Titel/Untertitel:

Georg Witzel. Ein Altkatholik des 16. Jahrhunderts 1877

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 19.

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doch preisgiebt, indem er fie dem einen Gott unterwirft
cf. IV, 20 f. p. 198 sqq. u. f. w.) Von feiner Vorausfetz-
ung über die Heimath des Makarius aus fucht Uuchesne
noch nachzuweifen, dafs derfelbe, von welchem er annimmt
, dafs er fpäteftens bald nach Mitte des Jahrhunderts
gcfchrieben habe, befondere örtliche Veranlaffung
zur Bekämpfung des Hierokles gehabt habe; auf diefen
nämlich bezieht er eine palmyrenifche Infchrift bei Lebas
und Waddingt. III, No. 2626, wonach er annimmt, dafs
der Chriftenfeind Hierokles auch einmal und zwar unter
Diöcletian Präfes der fogen. Provinz Pliocnicia Libanesia
gewefen fei. Ich laffe die jedenfalls fehr unfichere Com-
bination dahingeftellt. Wenn wir an den Bifchof des
aliatifchen Magnefia von 403 denken, fällt ohnehin die
Vorausfetzung einer befondern localen Veranlaffung hinweg
. Immer bleiben nun aber, wenn wir annehmen
wollten, dafs alle Aeufserungen des Heiden bei Makarius
unmittelbar aus Hierokles gefchöpft wären, ähnliche Bedenken
beftehen, wie bei Porphyrius geltend gemacht
find. Anderfeits drängt fich die Frage auf, ob fich, wenn
wir unferfeits eine fo fpäte Abfaffungszeit der Schrift
annehmen, dann nicht eine Beziehung auf den gekrönten
Chriftenfeind finden müffe. Auf ihn vor Allen würde ja
die Aeufserung von den 300 Jahren paffen, wie fie fich
denn in der That bei Julian, freilich in einem andern Zu-
fammenhang, findet (Cyrill, c. Jul. p. 191 ed. Spanh.).
Directe Anfpielungen auf Julian habe ich nun nicht auffinden
können, wohl aber einige fehr beachtenswerthe
Berührungen. So in den Selbftwiderfprüchen, welche
der Heide in der Anficht Pauli vom Gefetz findet. Namentlich
erinnert aber die Auslaffung über 1 Cor. 6, 11
an Julian (1. 1. p. 245), ebenfo der Verfuch, die Götter«
vielheit aus der Schrift felbft zu rechtfertigen (Engel =
Götter) IV, 20—23 cf. Jul. 1. 1. p. 290 und dabei die
Verwerthung von Exod. 22, 28: Mac. IV, 23, p. 203 cf.
Jul. 1. 1. 238. Wie man fich nun aber auch die Vorlage
(refp. die Vorlagen) denkt, aus denen Makarius gelchöpft,
das wird wohl anzunehmen fein, dafs Vieles, vielleicht
das Meifte, was hier von Polemik gegen die Schrift laut
wird, in letzter Beziehung auf Porphyrius zurückzuführen
fein wird, auf deffen Schultern die Späteren flehen. Namentlich
hat Hierokles, worauf Eufebius ausdrücklich
hinweift, ältere Anfeindungen aufgewärmt.

Auf einigebemerkenswertheEinzelheiten fei hier kurz
hingewiefen. Makarius dürfte der ältefte bekannte Autor
fein, welcher das Weib von Paneas Berenike nennt (Joh.
Malal. clironogr.: Beronike). M. kennt und aeeeptirt bereits
die Sage, dafs nach der Enthauptung des Paulus
Blut und Milch aus feinem Rumpfe geflohen (IV, 14 p.
182 cf. Linus, Bibl. Lugd. II, 73a Abdias, Fabr. cod. N. T.
apoer. p. 455). UieAngabeDuchesne's, dafs die Gefchichte I
nach de Rossi Bul/etino di arch. crist. 1867 p. 71 auf
einem Marfeiller Sarkophage des 4. od. 5. Jahrh. abgebildet
fei, kann ich hier nicht controlliren. — III, 24 p.
109 wird das Regenwunder des h. Polycarp erzählt (vgl.
die vita Polyc. des Pionius, Act. SS. Boll. II, 701 sq.)
und zwar fo, dafs Polycarp, als des Regens zu viel wurde,
auch wieder das Aufhören bewirkte. IV, 6 p. 164 sq.
citirt der Heide eine Stelle aus der Apokalypfe des
Petrus: tj yij 7cuga(uljaei 7idvcugcd> A-eqi iv iyiegu xoioewg j
/.cd avrtj ftikXova« y.gi'reaäui oiv xai toi ifEQiiyovTi oigavqi, i
KOI tCOMfdaät 7ia.au devcaiig oiqavov xai ili%llijOETai
d uüquvög tag ßifilwv xai navea tcc aarga neaehax tag
ipvhka £*£ utiniloxi xai cög Txinxei au'/Ua «Vro avy.rg (Jef.
34, 4). Makarius läfst die Autorität der Schrift dahingeftellt
, nimmt fich aber des Gedankens an. — Unter den
III. 41 p- I51 «• IV", 15 p. 184 aufgezählten Häretikern
ift ein üroferius, mit dem ich nichts anzufangen weifs.
Von den Enkratiten, Apotaktikern, Eremiten in den
kleinafiat. Ländern Pifidien, Ifaurien, Cilicien, Lykao-
nien und ganz Galatien fpricht er als von Erfchcinungen
feiner Zeit ganz ähnlich, wie Epiph. Laer. 46. Dabei erwähnt
er einen Dofitheus aus Cilicien, welcher in 8 Bb.

die enkratitifche Lehre (Eheverwerfung) vertheidigt habe
(dt« fiiv /.(nvavtag 6 xöofiog xi.v ägyiy i'aye diu de rrtg
iyxgaieittg tb xilog irilei kaßeiv). Gewifs ift hier nicht
an den bekannten Dofitheus zu denken, fondern an einen
der Zeit des Verf. naheftehenden Mann (etwa an den
Bifch. D., welchen der B. Alexander von Antiochien, ein
Zeitgenoffe des Makarius, von Seleucia [in Pifidien:] nach
Tarfus in CiL verfetzte, Socr. VII, 36?). — Da fich das
ganze Werk um Schriftftellen dreht, bietet es für den
Text des N. T. manches Intereffante. Joh. 12, 31 die
beiden Lesarten ßli^ijatcai ifio und ßkrjir. /.dtio: p. 24,
3- 37> 3; Jon- °> 44 T°v natgng iav ätaßnkov von Makarius
gt fafst als Vater des Diabolus (/'. e. der Schlange
= Antichrift), fonft müfste daftehen ix rov n. Vftmv tat
6. (wie Theodoret wirklich lieft) p. 42, 10 f. U. a. m.

Duchesne hat feiner Schrift die wenigen kleinen
Fragmente (10) aus den Homilien des Makarius zur Ge-
nefis beigefügt, von denen die Mehrzahl fchon Crufius gebammelt
hatte (vgl. Migne, Patr.gr.Yi). Endlich giebt er zum
Text eine Anzahl gröfstentheils empfehlenswerther Con-
jecturen, doch bleibt hier noch viel zu thun. Ich fuge
hinzu: 72, 23 ivvip/ouivrj (ft. £>'£/.); .124, 2 laioain'f.nvg
(ft. ornknig); 125, 19 war vnojiqgnv beizubehalten; 157,
4 ovvaiQOUtvov (ft. — ovutvnv); 186, 22 sq. lefe ich: 7cgog-
XQOvavta, 7iQog 10 [irj xeleov uvtov 7rgoat<gcnceiv roig
Aet'ntg [xai] TtruSfta yevioDui xik. (od. 7iQoaaguxTovxa —
ohne y.ai); 195, 15 ift wohl ygwaiv beizubehalten, vgl.
216, 6; 214, 20 war VTiot07iüv feftzuhalten.

Kiel. Möller.

Schmidt, Dr. G. L., Georg Witzel. Ein Altkatholik des
XVI. Jahrhunderts. Wien 1876, Braumüller. (V, 140 S.
gr. 16.) M. 1. 60.

Der Verfaffer, fchon bekannt durch eine Monographie
über Juftus Menius, befitzt die gewifs feltene Eigenthüm-
lichkeit, fich für Witzel erwärmen zu können. Eine genaue
Lebensbefchreibung des fo vielfach umhergeworfenen
Mannes wäre nun auch nach den Arbeiten von
Neander und Kampfchulte noch erwünfeht gewefen, und
man würde es dem Verfaffer gedankt haben, wenn er
eine folche geliefert hätte. Dafs er es konnte, zeigt auch
das vorliegende Büchlein, in welchem man überall eine
gute Quellenkunde durchmerkt. Noch Köftlin fchrieb in
feinem Luther, II, 636: ,über Witzel's Betheiligung am
Bauernkrieg weifs man nichts Sicheres'. Schmidt macht
hierüber ganz genaue Mittheilungen, giebt fogar Bruch-
ftücke aus damals gehaltenen Gefprächen. Aber dies ift
auch faft der einzige Punkt, wo er fein Quellenmaterial
zur Aufftellung und Feftftellung gcfchichtlicherThatfachen
ausgiebig verwerthet; fonft erfährt man in der Beziehung
von ihm wenig Neues. Nirgends nennt er eine feiner
Quellen, nirgends ftellt er eine Unterfuchung über unfichere
oder ftreitige Punkte an. So fagt er z. B. einfach,
Witzel habe ein halbes Jahr in Wittenberg ftudirt; und
er wird feinen Grund dafür haben; aber im Wittenberger
Univerfitätsalbum finde ich Witzel's Namen nicht. Kurz,
man fieht, dafs es ihm leider nicht um die Löfung einer
wiffenfehaftlichen Aufgabe zu thun war. Vielmehr hatte
er praktifche Ziele im Auge. Seine Arbeit ift nicht fo-
wohl eine Lebensbefchreibung, als eine Charakteriftik
Witzel's. Dafs ihm diefe geglückt fei, kann man nicht
fagen, und gewifs ift, dafs die praktifchen Ziele, denen
er mit feinem Schriftchen dienen möchte, unerreichbare
find. Was er wünfeht, deutet er an, indem er Witzel
als Altkatholiken bezeichnet, und fpricht es deutlicher
aus mit dem Schlufsfatz'der Vorrede: .ich übergebe das
Schriftchen der Oeffentlichkeit mit dem innigen Wunfche,
dafs durch die jetzige Bewegung auf katholifchem Gebiete
Witzel's Ideal der Verwirklichung wenigftens fo
viel als möglich näher gerückt werde'. Er fchildert aus
den Schriften feines Helden fehr umftändlich, wie diefer
gut erasmifch auf die Evangclifchen in allen Tonarten