Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1877 Nr. 19

Spalte:

521-526

Autor/Hrsg.:

Duchesne, L.

Titel/Untertitel:

De Macario Magnete et scriptis eius 1877

Rezensent:

Möller, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

52I

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 19.

522

Stellen behandeln , deren Befprechung vor genauer
Kenntnifs des agobardinifchen Textes fich nicht empfahl.
Auch für die fachliche Erklärung der intereffanten ter-
tull. Schrift fällt dabei Manches ab. Hoffentlich erfahren
wir nun auch bald, wie die anderen im Cod. Ago-
bard. enthaltenen Schriften Tertullian's dort überliefert
find. Aber wer bringt uns den zweiten Codex des Gag-
neius oder doch wenigftens den Masbwensis wieder?
Sehen wir uns doch heute noch, z. B. für die Schrift
de baptismo auf die Ausgaben des Gagneius und Pamelius
allein angewiefen, und betreffs des von dem Erfteren
gebotenen Textes müffen die wichtigffen Fragen unbeantwortet
bleiben.

Die Ausgabe des Carmen apolog. des Commodian
von Ludwig enthält eine neue Recenfion des Gedichts,
welches uns in einem trofllofen Zuftandc durch den Cod.
Mediomont. überliefert ift. In der ausfuhrlichen Praefatio
fetzt fich Ludwig mit den früheren Herausgebern und
Correctoren (Pitra 1852, Ebert 1868, Leimbach 1871,
Rönfch 1872, Hilgenfeld 1872) auseinander. Ludwig
weicht von der Rönfch'fchen Recenfion bei Anerkennung
ihrer Trefflichkeit vielfach ab; auch fchützt er hier und
da die Ucberlieferung vor ihren Correctoren; aber ein
lesbarer Text kann an fehr vielen Stellen auch von L. !
lediglich durch umgeffaltende Conjectur hergeftellt werden
. Zwei forgfame Indices find der trefflichen Ausgabe
beigegeben, deren Particula I, die Instructioncs um-
faffend, hoffentlich nicht lange mehr auf fich warten läfst. I

Leipzig. Ad. Harnack.

1. MaKKQ lov MdyvijTog Anov.Qiiw.bs 1] Movoyevig
Macarii Magnetis quae supersunt ex inedito codice
edidit C. Blondel. Paris 1876, (Klincksieck;. (VII,
232 S. 4.) M. 9. —

2. Duchesne, Canonicus L., De MIacario Magnete et scrip-

tis eins. Paris 1877, Klincksieck. (458.4., M. 2. 80.

In der Nr. I genannten Publication liegt uns eine
neue Entdeckung auf dem Gebiete der patriftifchen Literatur
vor. Ein bisher fehr wenig bekannter kirchlicher
Schriftfteller des 4. (refp. des beginnenden 5.) Jahrhunderts
tritt uns damit näher und beanfprucht unfer In-
tereffe in mehr als einer Beziehung. Diefer Makarius
Magnes hat merkwürdige literarifche Schickfale gehabt.
Als um die Zeit des zweiten Concils von Nicäa (787)
die Bilderfeinde fich auf fein Zeugnifs gegen den Bilder-
dienft beriefen, wunderte man fich über den unbekannten
Zeugen, aber Nikephorus (Secretär auf jenem Con-
cil, nachher feit 806 Patriarch von Conftantinopel) fpürte
das Buch des .Bifchofs (itQi'ar/jld] Makarius' auf und ver-
fafste darüber, um den Bilderfeinden den darin gefundenen
Stützpunkt zu entziehen, eine feiner Streitfchriften
(4niQQtpr/.ä), welche erft Pitra (Spicd. Solesm. I, 302 —
335) veröffentlicht hat, nachdem fic bereits hin und wieder
handlchriftlich benutzt worden war. Mak. Magnes
war feit Nikephorus Zeiten fo gut wie verfchollen geblieben
, obwohl der Grieche Zacharias Cretensis zur Zeit
des tridentinifchen Concils ihn erwähnte (Duchesne p. 2).
Erft der Jefuit Fr. Turrianus kannte die Schrift aus einem
venetianifchen Codex und citirte in feinen Streitfchriften
eine Anzahl Stellen, darunter eine ihm dogmatifch wichtige
über das Abendmahl. Seine Citate wurden aber
von proteftantifchen Gegnern (Blondel, Aubertiff mit Mifs-
trauen aufgenommen. Als fpäter der Parifer Bibliothekar
Bovinius die Schrift herausgeben wollte, fand fich
der Codex in Venedig nicht vor, B. erhielt aber aus
Rom die Abfchrift einer anderen Schrift des Mak. M.
'sermones in genes in) aus der Ottobonianifchen Bibliothek.
Zur Herausgabe kam er aber ebenfowenig als A. Ban-
duri zu der von ihm vorbereiteten umfaffenderen Herausgabe
des Nikephorus. Die Papiere der beiden Gelehrten
wie die Codices der Parifer Kgl. Bibliothek

durchforfchte und verwerthete dann Magnus Crufius
in den beiden Göttinger Differtationen, deren erftere
(Disput, inatig. bist, theol. exhibens notitiam et tltnloynifieva
Macarii Magnetis etc. Gott. 1737. 4.) fehr bcachtenswerth
ift. Die zweite, in welcher die ihm zugänglichen Fragmente
aus Nikeph. und aus den serm. in Genes, gefam-
melt find, konnte ich nicht vergleichen. Der Cod. Otto-
bonianus aber und die Abfchrift des Bovinius waren ver-
fchwunden. Endlich, nachdem Pitra die Fragmente bei
Nikephorus zugänglich gemacht hatte, wurden in Athen
1867 die 'Anny.otTiAK in einer Handfchrift entdeckt,
worüber Dumont in den Comptcs rendus der Academie
des inscriptions ei bclles lettres III 1867 p. berichtete
(mir nicht erreichbar). Der der franzöfifchen Schule zu
Athen angehörige C. Blondel machte fich an die Herausgabe
, welche nach feinem frühen Tode Paul Foucart
vollendet und zum Druck befördert hat. Duchesne
aber, ebenfalls früher jener Schule angehörig» übernahm
es in der Monographie (Nr. 2) Rechenfchaft über den
Fund zu geben und Unterfuchungen über den Verf.,
das Zeitalter u. f. w. der Schrift anzuflehen. Ob er
Recht darin hat, in dem neuaufgefundenen Athener Codex
den vermifsten Venetus wiederzufinden, vermag ich
nicht zu controlliren. Der jetzt aus 125 Blättern klein
Quart beftehende Codex gehört nach Duchesne dem
15., nach Foucart diefem oder dem 16. Jahrh. an und
enthält Buch II—IV der Apokritika, doch fehlen die
6 erften Capp. des 2. Buches und der Schlufs des letzten
Cap. des 4. Buches.

Makarius berichtet an einen Freund Theofthenes
über eine mehrtägige zur Winterszeit gehaltene Streitunterredung
mit einem hellenifchen Philofophen und
Chriftenfeindc, in welcher letzterer eine Anzahl Schrift -
ftcllen eine nach der andern zum Gegenftande feiner
Angriffe macht, welche dann M. in derfelben Reihenfolge
vertheidigt. Was Nikephorus über die Zeit der
Schrift aus dem Buch entnommen, wird durch den Text
beftätigt: der Heide fagt, dafs feit Paulus gefchrieben
300 Jahre (p. 160, 6), feit Chriftus gefprochen fchon
300 und mehr Jahre verfloffen feien (163, 4). Genauer
führen uns die Aeufserungen des M. über das mächtig
in Aufnahme gekommene ascetifche Leben, wovon
die Städte und die ganze Eparchie Syriens Zeugnifs
geben (p. 6), wohl in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts
1 herab. Treten uns doch in der angeführten Stelle Fa-
I milien, wie die des Bafilius, gleichfam vor Augen: Söhne
angefehener Männer und Städtebewohner fcheiden fich,
das ascetifche Leben ergreifend, von väterlicher Sitte,
| und die Väter zürnen nicht darüber, die Mütter bekla-
> gen es nicht, noch die Brüder. Die dogmatifchen Aeus-
ferungen ftimmen damit überein (vgl. p. 209: ivet tquöv
I vnooiuoeav ev oeaia «<y yrwQiaDfj ta ilvOflCt). Dafs wir
in nachconftantinifcher Zeit flehen, darüber laffen fchon
die eingehenden Erörterungen über die Myfterien des
Abendmahls und der Taufe p. 103 ff. 206 ff. keinen
Zweifel. Die an erfter Stelle entwickelte, von Turrianus
freilich mit Unrecht für die römifche Doctrin verwerthete
Anfchauung berührt fich fehr verwandtfehaftlich
; mit der bekannten Auffaffung des Gregor von Nyffa
{or. cat. 37, an welchen auch die Ausführungen über
den Betrug des Teufels durch Chriftum (p. 69—73) nch
eng anfchliefsen.

Duchesne glaubt nun, einer fchon von Tillemont
| geäufserten Vermuthung beiftimmend, unfern Makarius
; im Offen, etwa in der Gegend von Edeffa fuchen zu
müffen. Für das Anachoretenleben verweife er nicht
auf Egypten, fondern auf den Offen und Syrien insbe-
I fondere. Namentlich aber zeige die Stelle über Antio-
I chia (p. 7) auf die fyrifche Kirche. Dafs M. der (in
j Antiochia befonders verehrten) h. Thekla und ihrer
[ Mutter Theokleia (ganz flüchtig) gedenkt, will nichts
befagen. Ferner bringe M. in dem aus dem 1. Buche allein
I bekannten Fragmente (Pitra Sp. I, 332. Blond, p. I) das