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Ausgabe:

1877 Nr. 18

Spalte:

504-505

Autor/Hrsg.:

Saphir, Adolph

Titel/Untertitel:

Christus und die Schrift 1877

Rezensent:

Kern, R.

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503 Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 18. 504

lieh, wie der eigentliche Grund der Bewegung ein focia-
ler war. — Der folgende Bericht, XHI (S. 479—492), die
Aufzeichnung eines Ritters Georg von Werdenftein, einer
Burg an der Iiier bei Immenftadt, hat nur in dem Werth,
was er über die eigenen Erlebnifse des Ritters giebt. Zu
ihm tagten feine Bauern, S. 486, ,fy wellen auch, dafs
der pfarer predige, wie man zur Kempten predige', ein
Zeichen der herrfchenden Unklarheit. Kurz darnach fand
er bei den Bauern Einen ,auf dem wagen, der prediget,
hiefs. mit namen Hanfs Ulwin Oberdorf, und fagte, der
Herzog von Sachfen zug daher mit 60,000 mannen und
weite das evangelium helfen befchirmen'. (!) — Eigentümlich
ift XIV (S. 497—503) das Werk des Abtes von
Weifsenau bei Ravensburg, zwölf gezeichnete Bilder von
feinen Erlebnifsen im Bauernkrieg, wozu er den Text
fchrieb; doch bietet diefer kirchlich nichts Bemerkens-
werthes. — Aehnlich fleht es mit XV (S. 509—515), einem
Bruchftück aus einer fonft noch kaum benützten
Ueberlinger Sammlung. Hier werden Luther und ,feins-
gleichen fectenmaifter' als Schwärmer bezeichnet. Man
lieht, dafs Luther fich bei letzterem Worte an einen
fchon vorhandenen Sprachgebrauch anfchlofs. — Auch,
der Bericht über die Unruhen am Weitende des Boden-
fees, XVI (S. 519—522), entnommen einer Sammlung
zur Gefchichte der Stadt Konftanz, giebt über Kirchliches
keinen neuen Auffchlufs. — Zu den wichtigflen Urkunden
in unferem Sammelwerke gehört XVII (S. 527—
606), ,der Schreiber des Truchfeffen Georg von Waldburg
', eine von diefem felbft veranlafste Erzählung feiner
Kriegsthaten gegen die Bauern. Der Verf. hatte, das
fieht man, Truchfefs begleitet und erzählt als Augenzeuge.
Dadurch wird fein Bericht fehr anfehaulich und lebendig,
wie man denn z. B. die Schwierigkeiten, die Truchfefs in
feinem eignen Heere zu überwinden hatte, hier recht
erkennt. Der Charakter des oberften Feldherrn, zu deffen
Ehren doch das ganze Schriftftück verfafst ward, gewinnt
hierdurch in keiner Weife. Seine Graufamkeit tritt
ins hellfte Licht. — Das nächfle Stück, XVIII (S. 615—
636), hat einen verwandten Urfprung. Es ift eine Aufzeichnung
, welche der Augsburger Hans Lutz, der Herold
Georg's von Truchfefs machte. Sie bringt in Einzelheiten
manche Ergänzungen zu dem vorigen, z. B. die
Angabe, dafs man (der Befehl ging von Markgraf Ka-
fimir von Brandenburg aus, f. S. 685.) in Kitzingen 63
Mann die Augen ausftach, dann die Erzählung vom
Durchzug der Bündifchen durch Nürnberg. Auf diefer
Aufzeichnung und auf der oben erwähnten Weifsenhorner
Chronik beruht zum gröfsten Theile XIX (S. 641—-717),
das Schriftchen Rustica seditio totius fere Germaniae, verfafst
von dem erasmifch gefinnten Jakob Holzwart, Schul-
meifter im Klofter Roggenburg füdöftlich von Ulm. So
hat es, ausgenommen einige wenige Stellen, keinen eigentlichen
Quellenwerth, verdient aber immerhin Beachtung
als der erde Verfuch einer pragmatifchen Gefchichte
des ganzen Bauernaufftands. Der Verf., der fein Werk

nung eines andern, ungenannten, Theilnehmers an dem
22wöchentlichen Feldzuge. Man gewinnt durch ihn einen
rechten Einblick in die graufige Blutarbeit, bei der man
im Kampfe felbft keinen am Leben liefs, ,dann die öb-
riften woltens alfo', S. 767. — Den Schlufs macht XXII
(S. 783—796) die vielleicht frühefte Schrift über den
Bauernkrieg, ein noch vor völliger Beendigung der Unruhen
im Jahre 1525 niedergefchriebenes Büchlein des
bekannten Schnellfchreibers Cochläus. Sein gefchicht-
licher Werth ift unbedeutend, da Cochläus nirgends als
Augenzeuge fchreibt, fondern nur nach Hörenfagen und
fog. Zeitungen, wie fie in jenen Tagen durch ganz Deutfch-
land gingen, vgl. z. B. Luther's Briefe bei de Wette
3, 13, 19. Er erzählt nachweisbar falfches, z. B. über
Müntzer's Tod S. 787, indem er diefem das graufame
Ende beilegt, welches dem Zinkenbläfer von Weinsberg
widerfuhr. Uebrigens fcheint des Cochläus' Schrift fchon
Jakob Holzwart, dem Verf. von XIX, vorgelegen zu
haben; vgl. S. 786 mit 711. Der Herausgeber bemerkt
zu S. 785: Hegaw, Badenfer: ,man beachte das frühe
Vorkommen diefer Form'. Aber da ift keinesfalls .Badenfer
' zu lefen, was auch gar nicht pafst. Hier fleht
ein Druckfehler fchon bei Cochläus. Er wird ,Bodenfee'
gefchrieben haben, was allein einen Sinn giebt.

Diefer gedrängte Ueberblick wird zur Genüge zeigen,
welch' ein reiches Quellenmaterial der vorliegende Band
bietet, ein Material, für deffen umfichtige Sammlung
auch die Kirchengefchichte dem Herausgeber zu grofsem
Dank verpflichtet ift. Es wäre fehr zu wünfehen, dafs
für die übrigen Gebiete, in denen der Bauernkrieg
wüthete, bald ähnliche Sammlungen veranftaltet würden.
— Für Franken findet fich ein kleiner urkundlicher Beitrag
, nur gelegentlich fei das hier erwähnt, in einem
Volksfchriftchen von Wild, betitelt: Martha, bei Beck
in Nördlingen, S. 152 f. Ueberhaupt möchten wohl
manche Pfarrarchive noch derartige Beiträge liefern. Das
Neuefte über die Unruhen bei Eifenach f. bei Schmidt,
Georg Witzel, S. 18 ff.

Erlangen. G. Pütt.

Saphir, Adolph, Christus und die Schrift. Bevorwortct
vom Hofpred. D. Kögel. Aus dem Englifchen. Berlin
1877, Verlag der Gofsner'fchen Mifüon. (VIII,
118 S. 8.) M. 1. 20.

Der Unterz. hat diefes Büchlein, das nach der Vorbemerkung
des Verf. das Wefentliche mehrerer Reden
an feine Gemeinde enthält, mit Liebe und Werthfehätzung
durchgelefen, gleichwohl fühlt er (ich ein wenig in Verlegenheit
, wenn er es beurtheilen foll. Vor Allem will
es nicht recht gelingen, die Kategorie in der Literatur
zu bezeichnen, unter welche das Werkchen eingereiht
werden foll und will. Seinem Inhalt nach würde es zur
Einleitung in die Dogmatik, bezw. zur Apologetik zu
i53o"dem Augsburger Bifchof widmete, fpricht fich im rechnen fein; allein es macht allzuwenig Änfpruch auf

Ganzen recht mafsvoll aus; er erkennt an, dafs die wiffenfehaftliche Form, es zeigt allzuwenig dialektifche
Bauern viel Grund zu klagen hatten, und wirft die fie Argumentation, zu wenig technifche Structur und techaufreizenden
Prädicanten nicht ohne weiteres mit denRe- nifche Ausrüftung, um einem anderen als dem populär

formatoren zulammen. Gar manche feiner Bemerkungen
erinnern an Luther's Schrift über die 12 Artikel der
Bauernfchaft und es fcheint mir die Vermuthung berechtigt
, dafs er diefe Schrift gekannt habe. Truchfefs
rühmt er S. 707 und 716 nicht blofs feiner umfichtigen
Tapferkeit, fondern auch feiner Milde wegen! — Eine
weitere Ergänzung giebt XX (S. 723—747), der Bericht
eines fränkifchen Edelmanns, Ambrofius Geyer, der als
Hauptmann der würtzburgifchen Reifigen im Heere des
Bundes den ganzen Zug mitmachte. Er fchildert vorzüglich
die Schlachten felbft, giebt aber auch z. B. S.
745 über das Verhalten des Bamberger Bifchofs eine an
dere Nachricht als fonftige Quellen. — In ganz ähnlicher
Richtung bewegt fich XXI (S. 753—778), die Aufzeich-

chrifllichen Fach zugetheilt zu werden. Auf der andern
Seite find feine Ausführungen im Ganzen doch wieder
etwas zu hoch gehalten, zu fehr auf ein theologifch vorbereitetes
Publicum eingerichtet, um innerhalb der eigentlich
populären Erbauungsliteratur mit Leichtigkeit ihre
Stätte zu finden. Indeffen — wir find weit entfernt, unfrer
Beurtheilung eines Buchs durch die Gefichtspunkte eines
Bibliothekars präjudiciren zu laffen, und wenn ein Schrift-
fteller mit fo liebenswürdiger Einfachheit wie der unfrige
nichts anderes für fein Buch in Anfpruch nimmt als .die
Anlegung einiger Gedanken, welche dem Lefer bei Betrachtung
der Schrift in ihrer Beziehung zu Chrifto und
dem heiligen Geifte nützlich fein könnten', fo wäre es
fehr pedantifch, ihn mit der Frage aufzuhalten, in welches