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Ausgabe:

1877 Nr. 18

Spalte:

501-504

Autor/Hrsg.:

Baumann, Franz Ludw.

Titel/Untertitel:

Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben 1877

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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501 Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 18. 502

zu Abraham, Ifaak und Jacob namentlich in Aegypten, ! reichlichen Bemerkungen über den Aufftand der Bauern
wo unter den Chriften viele aus dem Judenthum Bekehrte j verdienen noch manche Angaben über die Wiedertäufer,
lebten und ihre urfprünglichen Vorftellungen beibehiel- ! fo z. B. S. 141 über den Augsburger Eytclhans Langenten
, vorkommt, kehren Aeufserungen des Lebensüber- i mantel, Beachtung. — Das Zweite (S. 243—44) find ein
druffes und der Genugthuung, der Erde Weh entrückt j paar Bruchftücke aus der Chronik des bei Burgau gele-
zu fein, häufig wieder (S. 24 f.). Sodann treten zweifei- : genen Auguftinerftiftes Wettenhaufen, in denen von Au-
los auch in früherer Zeit Anrufungen und fingirte Ver- i genzeugen das Verhalten der dortigen Bauern im Februar
fprechungen der Todten, Fürbitte für die Lebenden ein- ! und März 1525 gefchildert wird. — Bisher noch nicht
zulegen hervor (S. 42). Endlich fehlen auch nicht die j benütztes Material bietet das dritte Stück (S. 249—74),
im Heidenthum üblichen Fluchformeln gegen die, welche ein Abfchnitt aus der Donauwörther Chronik, welche der
das Grab öffnen und fchänden (S. 36 f.). — Diefe Hin- Ciftercienfermönch Johann Knebel im benachbarten Stifte
weife mögen genügen, um zu beweifen, welches werthvolle Kaisheim 1529 verfafste. Derfelbe umfpannt mit feinen
Material zur Gewinnung von Einblicken in die Anfchau- 1 Mittheilungen, in denen er die Bauern mit viel Hohn
ungen und Vorftellungen des Chriftenvolkes in diefen In- [ übergiefst, fo ziemlich das ganze Gebiet der Erhebung;
fchriften befchloffen liegt. Sie find in derThatfehr wichtige I das Zuverläffigfte aber und Wichtigfte ift das, was er
Baufteine zu einer künftig zu fchreibendenchriftlichen Sitten- j über die Wirren in der Umgegend von Donauwörth bis

gefchichte. Dem Verf. aber gebührt Dank, durch feine
fleifsige Unterfuchung darauf hingewiefen und zu weiteren
Arbeiten in diefer Richtung Anregung gegeben zu haben.

Leipzig. Cl. Brockhaus.

nach Nördlingen und Oettingen hier berichtet. Verwunderlicherweife
legt er S. 250 die Abfaffung der 12 Artikel
Luther bei. Beachtenswerth ift, was er gleich zu
Anfang über die Furcht der Bewohner jener Gegend vor
dem Weltuntergang erzählt. Man erwartete ja in weiteren
Kreifcn des Volkes auf Grund aftrologifcher Vor-

Baumann, Dr. Franz Ludw., Quellen zur Geschichte des

• Bauernkriegs in Oberschwaben. [Bibliothek des littera- ! ausfagungen, fog. Prognoltiken, für 1524 eine allgemeine
rifchen Vereins in Stuttgart CXXIX.j Tübingen 1876, ! vernichtende Flut. - Das vierte Stück:Jß 279 -93 der
_ , TT T &, . J„, & ' Bericht einer Nonne des Klofters Heggbach bei Biberach

Druck von H. Laupp. (906 S. gr. 8.) ! uber daSj was diefem Klofter feitens der Bauern wider-

Schon feit längerer Zeit befchäftigt fich Dr. Baumann fuhr, ift von Wichtigkeit, weil zu den Befitzthümern
mit der Gefchichte des Bauernkriegs, in welcher es ja j Heggbachs einige der tonangebenden Dörfer gehörten,
immer noch Punkte, die der Aufhellung bedürfen, giebt. Die Nonne erzählt etwas gefchwätzig, aber fehr anfehau-
Seine vorliegende Arbeit bezweckt, der Forfchung fichern lieh und lebendig. Luther's Auftreten fetzt fie 1520; man
Grund zu geben und ift dadurch befonders dankenswerth. , merkt darin den Wiederhall feiner gröfseren deutfehen
Das erfte Stück der Sammlung, S. 1—231, ift eine Chro- j Schriften, wie denn auch Knebel S. 250 dem fehr bald
nik von Weifsenhorn, einem Städtchen einige Stunden . überfetzten ,verguft buch: die babilonifch gefenknufs',
füdöftlich von Ulm, verfafst von dem dortigen St. Leon- j die Hauptfchuld an de Erhebung des armen gemeinen
hardskaplan Nikolaus 'Pilomann, über den man nichts j Mannes wider die Geiftlchkeit beimifst.—Als V fchliefst
weiter weifs, als was er gelegentlich felbft von fich er- 1 fich an (S. 299—300) ein kurzer Bericht über die Vorzählt
. Sie ift eine tagebuchartige Aufzeichnung, begin- ! gänge in derfelben Gegend, aufgezeichnet von einem da-
nend 1480 und fortgefetzt bis 1542. Was die Zeit ge- 1 mals in Biberach weilenden Mönche Amandus Scheffer
rade brachte an merkwürdig Erfcheinendcm, das fchrieb ' Aus derfelben Quelle, nämlich aus Pflummern's Annales

der Verfaffer in bunteftem Wechfel nieder. Das Meiftc

Biberacenses, ftammt VI (S. 305—310), einige Aufzeich-

war Selbfterlebtes, Gcfehenes oder doch von Augenzeu- nungen auch über die Begebenheiten in der Umgegend
gen Gehörtes, und bezog fich auf des Verf.'s nähere und von Biberach mit zum Theil fehr eingehenden Einzel-
nächfte Umgebung. Wo ihm folche Sicherheit abging, heiten. — Das VII Stück (S. 315—353) ift eine in ziempflegt
er es anzudeuten, mitunter mit naiven Worten, j lieh phrafenhaftem Latein gefchriebene Gefchichte der
Aufserdem hat er auch fog. ,Zeitungen' eingeflochten, Eroberung des bei Kaufbeuren gelegenen Klofters Irrfee,
bald abfehriftlich, bald in den gedruckten Exemplaren verfafst 1531 von einem Mönche Markus Furter, der jenes
felbft. Der Hauptwerth der Chronik befteht natürlich in 1 Ereignifs miterlebte. Auch in diefer etwas breiten Erden
Aufzeichnungen der erften Art, die im Ganzen recht ] Zählung fehlt es nicht an einigen lebensvollen Zügen,
den Stempel der Glaubwürdigkeit tragen. Am meiften 1 Beachtenswerth ift das über die Bauernfeinde und die
ift ihnen für die Kulturgcfchichte zu entnehmen, aber Bauernfreunde in der Stadt Kaufbeuren Mitgetheilte. Auch
auch an folchem, das für die Kirchengefchichte Werth läfst dies eine' Beifpiel ahnen, was damals an wiffen-
hat, fehlt es nicht. Der Verf., bis an fein Ende ftrenger fchaftlichen und Kunftfchätzen in den Klöftern mag zu
Anhänger der römifchen Kirche, verzeichnet mit Eifer Grunde gegangen fein. — Kaufbeurifches bringt auch
und Aerger die Fortfehritte der Reformation, z. B. in VIII (S. 359—364), einige Auszüge aus einer Kaufbeurer
Ulm S. 62,149,171 ff., in Memmingen S. 137,148,180; alle I Sammlung. —Die Nachrichten aus zwei Memminger Chro-
Thaten der lutherifchen ,Buben'. Doch beginnt er damit niken in IX (S. 369—373) find dürftig. — Dagegen ift X
erft S. 57 im Jahr 1522: ,Wiewol Martinus Lutter, ein ' rS. 377—389), ein Auszug aus Fläfchutz's Chronik des
Auguftinerminch, zu Wittenburg, vor etlichen jaren fich Stiftes Kempten wieder wichtig. Die Kemptener Bauern
hat laffen merken in ful artiklen mintlich und fchriftlich, gehörten ja zu den erften, die fich erhoben. Die Schuld
fo ift doch föllichs nit fo weytief erfchollcn bufs auf j fchreibt der Chronift fonderlich dem Kemptener Pfarrer
dufe zeyt. Anno domini 1522 da kam die ketzerifch ; Matheys Weybel zu, der nach dem Aufftande von den
handlung von im von tag zu tag herfur und liefs die I Bündifchen an einen Baum gehängt ward. — Das nächfte
im truck ausgaun in alle lant'. (S. 59 Z. 9 v. u. ift wohl (XI) Stück (S. 393—412), ein Abfchnitt aus den Füffener
nach 1524 zu lefen: da nara ftatt da man.) Man kann j Annalen, welche ein Prior Gallus Knöringer verfafste,
dann an feiner Hand das Umfichgreifen der Bewegung [ berichtet über die Kämpfe an der Grenze von Allgäu
in den oberfchwäbifchen Städten verfolgen und befon- ! und Tyrol, wo die Bauern den vergeblichen Verfuch
ders belehrend ift, was er über die Verfuchc in Weifsen- machten, die Päffe in ihre Gewalt zu bringen, um fich "

horn und deren Unterdrückung mittheilt, fo S. 60—6l,
66 f. und vornehmlich S. 135 ff. Hier erhebt man bezeichnende
Einzelheiten, während das, was über gröfsere

mit den unruhigen Standesgenoffen in Tyrol in Verbindung
zu fetzen. — Ausführlicheres über die Bedrängung
der Stadt Füffen durch die Bauern erzählt in XII (S.

Ereignifse berichtet wird, z.B. S. 128 über die Dis- j 419— 472) der Füffener Stadtfchreiber Martin Furtenbach,
putation zu Baden in der Schweiz, S. 162 ff. über den i Doch berühren beide Berichte Kirchliches fo gut wie
Augsburger Reichstag, ohne Bedeutung ift. Neben den | gar nicht. Man erfleht in folchen Berichten ganz deut-