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Ausgabe:

1877 Nr. 16

Spalte:

445-446

Autor/Hrsg.:

Schuurmans Stekhoven, J.

Titel/Untertitel:

Het Fragment van Muratori 1877

Rezensent:

Schürer, Emil

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445

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 16.

446

Vergleich zur Londoner Ausgabe von 1866 ift der Ausdruck
wefentlich correcter und fchmiegt fich der alt-
jüdifchen Denk- und Redeweife weit mehr an (z. B. für
,Auferftehung' r-rnn ftatt des feltenen nmpri). Der
Ueberfetzung liegt zu Grunde die editio ocfava von
Tifchendorf; doch find die aus dem textus reccptus bekannten
, von der neueren Kritik ausgefchiedenen Zusätze
nicht gänzlich getilgt, fondern in eckige Klammern ein-
gefchloffen (z. B. Matth. 6, 13. 10, 3. 17, 21. 18, II.
19, 9. Joh. 7, 53 ff., I Joh. 5, 7. 8).

Wenn diefe erfte Ausgabe Anklang findet, hofft
Prof. Delitzfch eine zweite in Octav veranftalten zu
können. Mehrere für diefe vielleicht verwendbare
einzelne Bemerkungen beabfichtigt Referent ihm direct
zuzufenden: möchten Viele dasfelbe thun und fo das
wichtige Werk fördern helfen! Der Herr Ueberfetzer
hat erklärt, jeden, auch den kleinften Beitrag mit Dank
annehmen und berückfichtigen zu wollen.

Schliefslich fei noch bemerkt, dafs eine überficht-
liche Gefchichte des hier angezeigten Ueberfetzungs-
werkes zu finden ift in ,Saat auf Hoffnung' 1877, S. 80—89.

Berlin. - * Hermann L. Strack.

Schuurmans Stekhoven, J., Het Fragment van Muratori.

Academifch Proeffchrift. Utrecht 1877, van Huffei.
(175 S. gr. 8.)

Nach der fleifsigen und höchft dankenswerthen Arbeit
Hefie's über das Muratori'fche Fragment (1873) ift
man berechtigt, an eine neue Monographie über diefes
Schriftftück die Anforderung zu ftellen, dafs fie entweder
durch Beibringung neuen Materiales oder durch Eröffnung
neuer, und zwar richtiger, Gefichtspunkte die Erklärung
und das Verftändnifs des Fragmentes fördere.
Legt man diefen Mafsftab an die obige Schrift, fo mufs
man ihr unbedingt die Exiftenzberechtigung abfprechen.
Der Verfaffer fleht zwar, wie wir im Vorworte erfahren,
crft am Ende feiner fünfjährigen akademifchen Studienzeit.
Und infofern ift man verpflichtet, billige Rückficht walten
zu laffen. Diefe kann uns aber nicht dazu veranlagen
, den Druck einer Arbeit gut zu heifsen, die voll-
ftändig überflüffig ift. Der Verf. hat eben in der Wahl
des Thema's gefehlt. Es giebt genug Stoffe, hinfichtlich
deren auch ein Anfänger etwas leiften kann. Wer aber
über das vielbehahdelte Muratori'fche Fragment noch
etwas Neues bringen will, mufs vor allem in der patri-
ltifchen Literatur ganz anders belefen fein, als es der
Verf. augenfeheinlich ift. Wir thun ihm fchwerlich Unrecht
, wenn wir fagen, dafs er die hier in Betracht kommenden
Kirchenväter überhaupt nicht gelefen hat, ge-
fchweige denn gründlicher als Heffe. Ja er hat nicht
einmal das von Heffe beigebrachte Material forgfältig
ausgenützt. Diefer Mangel wird natürlich dadurch nicht
ausgeglichen, dafs der Verf. fich in der Literatur über
unfer Fragment einigermafsen umgefehen hat. Denn
was aus diefer zu entnehmen ift, findet man ebenfalls
bei Heffe, nur noch vollftändiger als bei unferm Verfaffer
zufammengeftellt. Auch in der Auffaffung und
Beurtheilung des Ganzen wie des Einzelnen haben wir
nirgends etwas Neues gefunden, wenigftens nichts, was
fich als haltbar erwiefe. Der Verfaffer folgt eklektifch
bald diefer bald jener Anficht, und ift dabei nicht einmal
in der Auswahl fehr glücklich gewefen. Namentlich
hat er von Hilgenfeld gerade einige feiner verkehr-
teften Vorfchlägc fich angeeignet.

Bei diefer Gefammtbefchaffenheit unterer Schrift hat
es wenig Intereffe, auf das Einzelne näher einzugehen.
Der Verf. ift der Anficht, dafs das Fragment fchon ur-
fprünglich lateinifch gefchrieben fei und zwar in Rom
oder deffen Umgebung um 170 n. Chr. Aus der Einzelerklärung
ift als eigenthümlich nur etwa das hervorzuheben
, dafs er in dem Satze fertur ctiam [ad latidecenses]

alia ad alexandrinos die eingeklammerten Worte für
fpätere Interpolation hält. Mit beiden Bezeichnungen,
ad Laodicenses und ad Alexandrinos, foll nämlich der
Hebräerbrief gemeint fein; erfteres aber fei die Gloffe
eines fpäteren Abfchreibers, der diefe Worte an den
Rand fetzte, weil er wufste, dafs der Hebräerbrief auch
fo bezeichnet wurde (S. 123). — Am unglücklichften ift
der Verf. in der Herftellung des Schlufsabfchnittes gewefen
. Er folgt hier faft ganz Ililgenfeld, indem er
lieft: Marcionis autem seu Valentini vel Basi/idis nihil in
töhtin recipinnis; quin ctiam novum psahnorum libnim
Marciani conscripserunt. Alfo felbft die gewaltfamen und
ganz willkürlichen Aenderungen von Arsinoi in Marcionis
und von M.tia.i in Basi/idis verfchmäht er nicht.
Und letzteres wagt er aufzunehmen, ohne Harnack's
wohlbegründete Conjectur Tatiani (die bereits von
Leimbach, Zeitfchr. f. luth. Theol. 1875, S. 461 ff. gebilligt
worden ift) auch nur einer ernften Erwägung zu
würdigen. Er mufs anerkennen, dafs man im Mittelalter
, wo unter Tatian's Namen eine beliebte Evangelienharmonie
in Umlauf war, fehr leicht dazu kommen konnte,
feinen Namen hier in der Lifte der Bücher, die verworfen
werden, zu befeitigen. Aber er meint dann Harnack's
Conjectur abthun zu können mit der Frage: Wie man
denn von Tatian gerade auf Miltiades gekommen fei
(S. 144)? Er feinerfeits erklärt aber nicht einmal, weshalb
man den Bafilides befeitigte, gefchweige denn, wie
man auf Miltiades kam. Unter allen bisher aufgeftellten
Erklärungsverfuchen ift jedenfalls derjenige Harnack's
bei weitem der befte. Ref. hat fich durch Autopfie überzeugt
, dafs in der Handfchrift nur noch folgende
Buchftaben deutlich lesbar find: m.tia.i. Der zweite
und fechfte Buchftabe find radirt; und es ift abfolut
nicht mehr erkennbar, was urfprünglich dageftanden
hat. Der letzte ift ein zwar abgeblafstes aber noch
deutlich erkennbares i. Erft fpäter ift ein e darüber gefchrieben
und is angehängt worden. Das einzige, was
Harnack's Vermuthung entgegenfteht, ift alfo das deutliche
m am Anfang, an welchem allerdings keine Spuren
von Correctur mehr erkennbar find. Da aber bei dem
Charakter der Schrift ein t immerhin fo in m geändert
werden konnte, dafs die Correctur kaum bemerkt wurde,
fo wird man fich bei Harnack's Vermuthung mindeftens
fo lange zu beruhigen haben, bis etwas Befferes gefunden
ift. Beiläufig mag hier in Betreff von Tatian's
Diatessaron auch auf die werthvollen Ausführungen von
Zahn (Gött. gel. Anz. 1877, S. 182—184) und Light-
fo ot [Contemporary Review 1877, Mai, S. 1132—1143) ver-
wiefen werden, die es wohl aufser Zweifel ftellen, dafs
das Diatessaron auch das Johannesevangelium enthielt,
womit freilich für die Echtheitsfrage des vierten Evan-
liums nichts gewonnen ift. —• Die Polemik gegen Harnack
's gewaltfame Aenderung von psalmormu in propo-
sitionum hätte fich der Verf. erfparen können, da fie in-
zwifchen von Harnack felbft zurückgenommen worden
ift, vgl. Zeitfchr. f. wiffenfchaftl. Theol. 1876, S. 109—■
113. Hier ift auch aus einer arabifchen praefatio ad con-
cilium Nicaenum (bei Mansi, Sacr. Conc. T. IIp. 1057) der
Nachweis geführt, dafs es in der That marcionitifche
Pfalmen gegeben hat, wodurch zugleich die Richtigkeit
der Lesart Marcioni beftätigt wird.

Leipzig. E. Schürer.

Dobel, Stadtbibl. Friedr., Memmingen im Reformationszeitalter
nach handfehriftlichen und gleichzeitigen
Quellen. I. Liefg. Memmingen 1877, Befemfelder.
(V u. S. 1-83. 8.)

Gründliche und durch Einzelheiten lebendige Spe-
cialgefchichten aus der Reformationszeit find eine Hauptvorbedingung
für eine gute allgemeine Reformationsge-
fchichte. Man wird alfo jede derartige Leiftung mit