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Ausgabe:

1877 Nr. 15

Spalte:

433-435

Autor/Hrsg.:

Baur, Wilh.

Titel/Untertitel:

John Coleridge Patteson, der Missionsbischof von Melanesien. Ein Lebens- und Märtyrerbild aus der Mission der Gegenwart 1877

Rezensent:

Wurm, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 15.

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den Worten anhebt: ,fo wenig wir hoffen dürfen, dafs trachten diefelben als ein geeignetes Mittel zur Belebung
Cultur und Kirche fich an einander meffend jemals fich j des Miffionsintereffes und des kirchlichen Sinnes und
vergleichen werden'. Er beruhigt fich aber doch gewiffer- ; .zur Erweiterung des Gefichtskreifes für eine Land-
mafscn mit der Hoffnung der Ausgleichung, indem er ' gemeinde, aber es fehle ihnen an dem geeigneten Stoff,
fortfährt: ,defto gewiffer können wir fein, dafs fie in der | In der That, man kann nicht das nächfte hefte Miflions-
Anfchauung des gleicherweife über ihnen liegenden blatt vor der Gemeinde ablefen oder den Stoff des-
Reiches Gottes ihre Verformung finden werden'. Diefes felben reproduciren. Der Pfarrer mufs orientirt fein in
,gleicherweife' müffen wir beanftanden. Wir geben zu: j der Miffionsgcfchichte oder wenigftens in der Gefchichte
das Reich Gottes ift das verborgene Ziel aller idealen 1 eines einzelnen Miffionswerks, wenn feine Miffionsftunden
Beftrebungen auch der modernen Menfchheit, und es j etwas mehr fein follen, als Anekdotenfammlungen. Aber

gilt auch gegenüber dem Menfchen diefer Zeit das fchöne
Wort Auguftin's: ,Sucht nur, was ihr fucht, nur nicht,

wie follen die Pfarrer fich orientiren in dem vielverzweigten
Werk der neueren evangelifchen Miffion, da

wo ihr's fucht'. Aber die Cultur, die fich, fei's mit Be- i die wenigften auf der Univerfität fich mit diefem Theil
wufstfein, fei's mit Inftinct auf das Diesfeitigkeitsprincip j der neueften Kirchengefchichte befonders befchäftigt
Hellt —■ und die Neigung dazu geht auch nach dem Verl". ' haben?— Burkhardt's Kleine Miffionsbibliothek
neben einem unverkennbar tief-religiöfen Zug durch ; war fchon in ihrer erften Auflage die befte Fundgrube
die Anfchauungen fclbft unfrer grofsen Denker und : für diefen Zweck. Allein fie ftand, wie der Herausgeber
Dichter hindurch — unterdrückt damit auch immer mehr j der zweiten Auflage im Vorwort bemerkt, noch zu lehr
den eingeborenen religiöfen Zug und entwickelt fich j unter dem Eindruck jener idealiftifchen Auffaffung der

immer entfehiedener zu einer antichriftlichen Macht, zu
einem Weltreich in offenbarem Gegenfatz gegen das
Reich Gottes. Auf diefem Boden bedeutet die Ver-
föhnung zwifchen Chriftenthum und Cultur nicht eine
höhere Einigung; fondern nur die Auflöfung des Erfte-
ren in Letzterer.

Gleichwohl ift es von wefentlicher Bedeutung, diejenigen
unter unfern der Kirche fernftehenden Zeitge-
noffen, welche noch religiöfe Bedürfnifse haben, auf das
Reich Gottes als das höhere Ziel ebenfo der Denk- und

Miffion, welchcjahrzehnte lang in Miffionskreifen herrichte,
die mit rührenden Anekdoten fich begnügte und in ftark
aufgetragenen Farben, fei es im fchönften Licht, fei es
in den dunkelften Schatten malte, fo dafs die Erzählung
von einer Hand zur andern gehend etwas Legendenhaftes
gewann (I, S. VI). Da Dr. Burkhardt zu einer
neuen Bearbeitung nicht die nöthige Mufse finden konnte,
hat Dr. Grundemann, der rühmlich bekannte Verfaffer
des Miffionsatlaffes, fich zur Herftellung der zweiten Auflage
entfchloffen und manche Partien durchaus umge-

Lebensarbeit der Kirche, als aller gediegenen geiftigen arbeitet. Wir finden nun treffliche geographifche und
und fittlichen Arbeit auf dem Boden des natürlichen ethnographifche Schilderungen, die nicht nur den Mif-
Geifteslebens mit Nachdruck hinzuweifen und zwar an fionsberichten entnommen find, und von welchen der
der Hand der Gefchichte, wie es der Verf. in fo meifter- Bearbeiter verfichert, dafs er jeden der ausgeführten Züge
hafter Weife thut. Wir können nicht dringend genug | mit Quellen belegen könnte. ■ Bei der grönländifchen
zur Leetüre und zum Studium diefer nach Inhalt und j Miffion wird der Conflict zwifchen Eg ede und den Herrn-
Form gleich gelungenen, überaus, anregenden und nach hutern nicht verfchwiegen, aber nach beiden Seiten hin
vielen Seiten hin die grofse Frage, die fie befpricht, ein mafsvolles Urtheil gefällt. Im zweiten Heft (über die
überrafchend beleuchtenden Schrift einladen. Möchte j Indianer) finden fich neben den guten Schilderungen von
fie namentlich auch an ernfter und tiefer gebildeten [ Land und Leuten theils zufammenhängende Lebens-
Laien, an die fie nicht minder, als an die Theologen fich , bilder der bedeutendften Miffionare, theils liebliche einwendet
, und die ihr mit Genufs folgen werden, zur För- zelne Züge aus dem Verkehr der Indianer mit den Milderung
ihrer religiöfen Erkenntnifs gefegnet fein! ; fionaren der Brüdergemeinde, fo dafs fich hier wie
Dresden. Meier 1 im crn:en Heft mancherlei Stoff für Miffionsftunden fin-
,_._________V den läfst. Im dritten Heft (Weftindien) ift es interef-

Missionsschriften. ,fant' ü,b<lr die £mancipation der Neger eine von der herkömmlichen
abweichende Anficht zu hören. Grundemann
hebt nämlich hervor, wie die Befreiung der Sklaven
in den brittifchen Colonieen nicht blofs aus chriftlichen
Beweggründen angeftrebt, fondern von der politifchen
Partei der Whigs als ein Hebel ergriffen worden fei,

Burkhardt's, Dr. G. E., Kleine Miffionsbibliothek
. 2. Aufl., gänzlich umgearbeitet und bis auf
die Gegenwart fortgeführt von Paft. Dr. R. Grundemann
. 1. Band: Amerika. 3 Abtheilungen. Biele- ,
ciu .o.r ir 1, o t^i r i o tvt - c 1 auren welchen diefelbe ans Staatsruder gekommen. Dals
feld 1876, Velhagen & Klafing. (gr 8.) M * 60. | die Frage zuf Löfung gekommenf müffe jeden Chriften

Inhalt: I. Die Eskimo in Grönland und Labrador.
(XII, 118 S.) M. 1. 20. —- II. Die Indianer in Nord-
und Südamerika. (VI, 264 S.) M. 2. 40. — III.
Die Neger in Weftindien und Südamerika. (VI,

freuen, die Art und Weife aber, wie fie gelöft wurde,
trage das Gepräge jener Ueberftürzung an fich, wie fie
fich oft bei Mafsregeln liberaler Parteien finde, befonders
da, wo fie eben erft zur Herrfchaft gelangt find (S. 119).
Allein diefes dritte Heft enthält auch wieder Abfchnitte,
209 is.) M. 2. j wo Grundemann von feinen ausgefprochenen Anflehten

Baur, Hof- und Dömpred. Willi., John Coleridge [ retractirt (S. 37), fo dafs man das unbefriedigende Gefühl
Pattefon, der Miffionsbifchof von Melanelien. Ein ; hat, bei einzelnen Stellen nicht genau zu wiffen, wie
Lebens- und Märtyrerbild aus der Miffion der Ge- i weit der Bearbeiter noch jetzt für die ausgefprochenen

Sätze einfteht. Auch fonft macht das dritte Heft den
Eindruck einer zu flüchtigen Bearbeitung. Der Stoff ift
weniger gruppirt und läfst fich nicht fo leicht verwerthen
wie in den zwei erften Heften. Es ift ja gewifs dankens-
werth, wenn ein folches Werk in nicht allzulanger Zeit
vollftändig erfcheint, aber wir möchten den Herausgeber
im Intereffe der Miffion doch bitten, lieber das Burk*
hardtfehe Buch ftärker umzuarbeiten und es in lang-
famerem Tempo erfcheinen zu laffen, als die Sache zu
übereilen.

Nr. 2 ift ein Theil jener Sammlung von Lebensbildern
aus der Miffion, zu welcher z. B. Riedel's Leben

genwart. [Lebensbilder aus der Hcidenmiffion 5. Bd.
Gütersloh 1877, Berteis mann. (XIV, 230 S. 8.)

m. 2. so.

3. Plath, Miffionsinfp. Privatdoc. Lic. Carl Heinr.
Chrn., Die kulturhiftorifche Bedeutung der
Kolhsmiffion in Oftindien. Ein Vortrag. Berlin
1876, Buchhandlung der Gofsner'fchen Miffion. (32
S. 8.) M. — 25.
Man hört von Pfarrern häufig die Klage, fie würden

gerne in ihrer Kirche Miffionsftunden halten, fie be-