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Ausgabe:

1877

Spalte:

409-413

Autor/Hrsg.:

Maspero, G.

Titel/Untertitel:

Maspero’s Geschichte der morgenländischen Völker im Alterthum. Nach der 2. Aufl. des Orginals übersetzt von Rich. Pietschmann 1877

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür ei*.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 15. 21. Juli 1877. 2. Jahrgang.

Mafpero's Gefchichle der morgenländifchen Taylor, Sayings of the Jewish Fathers, com- 1 Funk. Gefchichte des kirchlichen Zinsverbots

(Möller).

Ehrenfeuchter, Chriftenthum und moderne

Völker im Alterthum, iiberf. von Pietfch- prbing Pirqe Aboth and Pereq R. Meir in

mann (Paudiffin). Hebrew and English (Ders.).

Boegner, La Saintete' de Dieu dans l'Ancien j S chan z, Compofition des Matthäus-Evangeliums

Weltanfchauung (Meier).
Miffionsfchriften (Wurm).

Teflament (Baudiffin). (Weift).
Cahn, Pirke Aboth fprachlich und fachlich er- I Wiefeler, Die deutfche Nationalität der klein- I Bibliothek der Kirchenväter,
läutert (Schürer). afiatifchen Galater (Schürer).

Maspero's, G., Geschichte der morgenländischen Völker
im Alterthum. Nach der 2. Aufl. des Originals überfetzt
von Dr. Rieh. Pie t(chm ann, mit einem Vorworte
von Prof. Geo. Ebers, vollftändigem Regifter
u. 1 lith. Karte (in qu. gr. 4.). Leipzig 1877, Engelmann
. (XI, 644 S. gr. 8.) M. 11. —

Diefe deutfche Ausgabe der Histoire anciennc des
peuplcs de t Orient nach der zweiten Auflage des Originals
(die erfte erfchien 1875) ift nicht nur vom Verf. felbft
revidirt, fondern auch vom Ueberfetzer, welcher fich
fchon durch feinen ,Hermes Trismegiftos' (eine Unter-
fuchung über den ägyptifchen Thot) 1875 als auf ausgedehnten
Literaturgebieten belefen gezeigt hatte, mit
neuen werthvollen Beiträgen verfehen worden; die hiero-
glyphifchen und hieratifchen Texte hat Pietfchmann für
feine Ueberfetzung von neuem zu Rathe gezogen, und
fo kann er mit Recht feine deutfche Ausgabe als ,eine
vollftändig neue Rcdaction des franzöfifchen Originals'
bezeichnen (S. VII). Wem in den der Aegyptologie
ferner flehenden Kreifen , Deutfchlands der Name des
in Frankreich hochgeehrten und bei den Fachgenoffen
aller Länder fehr geachteten Verfaffers, der zu den
,fruchtbarften Führern' der ägyptologifchen Wiffenfchaft
gehört, weniger bekannt fein follte, dem wird die Vorrede
zur deutfehen Ausgabe von Ebers als Empfehlung
dienen.

Der Titel des Werkes könnte die Erwartung eines
umfaffenderen Inhaltes erwecken, als er hier thatfächlich
geboten wird. Der Verf. hat fich befchränkt auf die

fchriften direct zu verwerthen. Darin liegt einHauptvor-
zug des Werkes vor den betreffenden Partieen in
Duncker's Arbeit, der bei der viel weiteren Anlage feiner
Gefchichte fich unmöglich jene fprachlichen Specialkennt-
nifse aneignen konnte. Ein andererVorzug fürDenjcnigen,
der felbftändig weiterforfchen will, ift in der hier, namentlich
durch Pietfchmann's Zufätze, reicheren Angabe von
Specialunterfuchungen zu finden. Dagegen wird, wer
nicht Specialforfcher ift, an manchen Stellen — es ift
uns aufgefallen innerhalb der affyrifchen Gefchichte —
Angabe des Fundortes für die Originalnachrichten ver-
miffen. Der richtige kritifche Takt des Verf. zeigt fich
z. B. an feinem Urtheil über die im Namen Sargon's I
redende Infchrift, welche er als eine fpätere bezeichnet
(S. 194; vgl. dazu von Gutfchmid, Aflyriologie S. 108 ff.);
mit Recht auch erklärt er Ninus und Semiramis für my-
thologifche Namen (S. 277).

Dem Charakter diefer Zeitfchrift und dem mir über-
fehbaren Gebiete gemäfs kann hier dies Werk nicht feinem
ganzen Inhalte entfprechend zur Anzeige kommen. Es
füllen nur einige Punkte aus jenen Gebieten hervorgehoben
werden, auf welche der Verf. gerade am wenig-
ften Werth gelegt zu haben fcheint, dem religionsge-
fchichtlichen und dem der Gefchichte Ifrael's. — Gewagt
will uns in einer gcfchichtlichen Darfteilung die Art bedünken
, wie der Verf. die Religion Aegyptens auf ur-
fprünglichen Monotheismus, oder wie man die dem Polytheismus
vorgeordnete Verehrung eines einzigen geiftig
gedachten. Gottes fonft nennen mag, zurückführen will
(S. 28 f.). Man könnte fogar verfucht fein, zu vermuthen,
der Verf. ftimme übercin mit Schelling's phantaftifcher

Gefchichte Aegyptens, Babyloniens, Affyriens und Per- I Darftellung einer als realer Vorgang zu denkenden Evolu
fiens; die im Titel gegebene Bezeichnung wurde wohl ] tiondes urfprünglichen .relativen'MonotheismuszumPoly-
deshalb gewählt, weil fich eine andersartige Zufammen- | theismus, wenn wir S. 36 lefen: ,Gott ftieg auf die Erde
faffung diefes Inhaltes in der That fchwer finden läfst. 1 herab und offenbarte fich den Sterblichen in verfchiedenen
Die ifraelitifche Gefchichte ift in die der vier grofsen Welt- ! Geftalten, die in ihrer Aufeinanderfolge in den Göttermächte
verwoben; fie ift verhältnifsmäfsig kurz behan- [ dynaftien verzeichnet find'. So oft man auch verfucht

delt. Ref. ift nicht competent, darüber zu urtheilen,
inwiefern diefem Werke in feiner Gefammtheit das ihm
von lübers gefpendete Lob zukommt, welcher ,nicht anfleht
', diefe Arbeit ,für die befte von allen vorhandenen
Darftellungen der Gefchichte des alten Orients zu erklären
' ('S. III). Die ifraelitifche Gefchichte ift entfehieden
bei Duncker fehr viel eingehender und forgfältiger behandelt
; es ift damit kein Tadel gegen das vorliegende
Werk erhoben, in deffen Plane eine gedrängtere Ucber-
ficht über diefe Partieen mag gelegen haben. — Die
gewandte und farbenreiche Erzählungsart des Verf. vermag
lebensvolle Bilder zu entwerfen und lieft fich auch
in der deutfehen Form angenehm und fliefsend. Ueber-
all hat man den Eindruck, dafs hier unmittelbar aus den
Originalquellen gefchöpft fei; der Verf. verfteht, wie wir
durch Ebers (S. V) erfahren, auch die affyrifchen Keilin-

hat — es fei nur an Bunfen erinnert —, die ägyptifche
Religion als Religion des Geiftes zu erklären, deren der
Natur entlehnten Zeichen,.Thier, Sonnenfcheibe u. f. w.,
urfprünglich nur fymbolifche Bedeutung gehabt haben und
erft von einer fpäteren Zeit in realiftifchem Sinne mifs-
deutet worden fein follen, fo wenig ift es doch bisher
gelungen und kann es jemals gelingen, auf gefchicht-
lichem Wege für Aegypten eine dem Naturdienft vorangehende
reinere Religionsform nachzuweifen. Höchft
unwahrfcheinlich ift z. B. folgende Erklärung: ,Set oder
Typhon (Tebh) wird als Flufspferd dargeftellt, weil das
Flufspferd in Aegypten ebenfo wie der Gott felbft
Teb heifst' (S. 46); es wird doch wohl der Gott vielmehr
feinen Namen daher haben, weil man ihn wenn
auch nicht mit dem Flufspferd geradezu identificirte, fo
doch in diefem gegenwärtig glaubte.

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