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Ausgabe:

1877

Spalte:

401-404

Autor/Hrsg.:

Warneck, G.

Titel/Untertitel:

Die apostolische und die moderne Mission 1877

Rezensent:

Wurm, Paul

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Thcologifchc Literaturzeitung. 1877. Nr. 14.

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Missionsliteratur.

1. Bufs, Pfr. Ernst, Die christliche Miffion, ihre
principielle Berechtigung und praktifche Durchführung
. Eine von der Haager Gefellfchaft zur Ver-
theidigung der chriftlichen Religion gekrönte Preis-
fchrift. Leiden 1876, Brijl. (X, 352 S. gr. 8.) M. 6. 50.

2. Warneck, Dr. G., Die apoftolifche und die
moderne Miffion. Eine apologetifche Parallele.
Gütersloh 1876, Bertelsmann. (92 S. 8.) M. 1. —

3. Chriftlieb, Prof. Dr. Thdr., Der Miffionsberuf
des evangeli fchen Deutfchlands nach Idee
und Gefchichte. Gütersloh 1876, Bertelsmann. (IV,
80 S. gr. 8.) M. 1. 40.

Nr. 1 ift ein warmes Zeugnifs für die Nothwendig-
keit der Heidenmiffion von einem der freieren Richtung
angehörigen Theologen. Gegenüber den in der modernen
Literatur häufig auftretenden Behauptungen, dafs die
heutigen Erfolge der Miffion höchft unbedeutend feien,
erklärt Bufs: ,Die Miffion ift nachgerade eine Macht geworden
, die Niemand unbeachtet laffen kann, der die
Entwicklung der Menfchheit prüfend verfolgt, und es gebührt
ihr, dafs jeder, wer er auch fei, fich mit ihr auseinanderfetze
' (S. 13). ,Nehmcn wir auch jede Kunde, die
uns über Ergebnifse berichtet, nur nach forgfältiger Prüfung
auf und laffen wir überall auch nur die niedrigften
Berechnungen gelten, fo können wir doch nicht umhin,
dankbar anerkennen zu müffen, dafs der Miffion unferes
Jahrhunderts mancher grofse Wurf gelungen ift. Un-
ftreitig ift es ihr gelungen, hunderttaufenden von Men-
fchen, die in religiöfer und fittlicher Vcrirrung dahinlebten
, die göttliche Wahrheit in einer Form nahe zu
bringen, welche im Vergleich zu denjenigen Formen, in
welchen fie diefelbe bisher gekannt hatten, einen wefent-
lichen Fortfehritt zum Höheren bezeichnet' (S. 23).
Gegenüber den Behauptungen eines Buckl c, Gerft äck er,
v. Hei lwald u. A., dafs das Chriftenthum fich nicht für
alle Völker eigne und überall eine gewiffe Bildungsftufe
vorausfetze, wird aus dem N. T., aus dem Wefen und
aus der Gefchichte des Chriftenthums die Univerfalität
desfelben nachgewielen : ,Eine Religion, die fo fehr die
Erfüllung und Vollendung deffen ift, was das religiöfe
Gemüth des Menfchen auf allen erdenklichen Wegen
fucht, eine fo ideale Religion, die aber zugleich fo per-
fönlich real fich darftellt, hat doch augenscheinlich alle
Eigenfchaften und alle Chancen, fich die allgemcinftc
Anerkennung zu erringen' (S. 79). Wie die gefchicht-
lichc Entwicklung des Chriftenthums nach innen und
aufsen in beftändigem Wechfel von Action und Reaction
fich vollzogen hat, fo wird das Chriftenthum ,nicht nur
fein eigenes Wefen zu immer reinerer Vollendung herausarbeiten
, fondern auch die Grenzen feiner Herrfchalt in
immer weitere Fernen hinausrücken, bis es nach ferneren
Reihen von Actionen und Reactionen letztlich zum geheiligten
Gemeingut der ganzen Menfchheit geworden
fein wird' (S. 124). Was nun die praktifche Durchführung
der Miffion betrifft, fo hebt Bufs zuerft die Vorzüge der
bisherigen Methode hervor und charakterifirt fie als ein
aus weitherziger Liebe hervorgegangenes (S. 142), lauteres
und ehrliches Werk (S. 143), für welches ungeheuere
Opfer dargebracht worden feien. DieOrganifationderThä-
tigkeit für dasfelbe in der Heimat fei unantaftbar (S. 144),
ebenfo die Verbreitungsmittel draufsen: Predigt, Schulunterricht
, literarifche Thätigkeit, nebenbei auch Coloni-
fation und Beförderung des Gewerbfleifses (S. 146 ff).
Ebenfo fei die theilweife Uebertragung des Miffions-
dienftes an eingeborene Convertiten und die Gründung
felbftändiger Gemeinden mit Freuden zu begrüfsen
(S. 155). Nun aber fchlägt Bufs die Bücher von Langhans
auf und giefst einen grofsen Theil von deffen Galle
über die Miffion als Werk des Pietismus aus. Wenn er

mit Recht hervorhebt, die Miffion unferes Jahrhunderts
fei das Werk nur einer Fraction und nicht dergefammten
proteftantifchen Chriftenheit (S. 166), fo hat er allerdings
nachzuweifen, wie diefe Fraction für die allfeitige Ausgestaltung
des Chriftenthums nicht genüge, aber auch
näher zu untersuchen, warum denn die anderen Fractionen
des Chriftenthums für die Bekehrung der Heiden, die
ihm doch als Aufgabe der ganzen Chriftenheit erfcheint,
bis jetzt nichts gethan haben, aufser etwa in der alten
Rotterdamer Miffionsgefellfchaft, für die er eine befondere
Vorliebe hat; denn die pietiftifchen Miffionsgefellfchaften
haben ja durchaus kein Monopol, die Concurrenz wäre
völlig frei. Aber diefen Nachweis vermiffen wir, und die
von Langhans entlehnten Ausfälle gegen die bisherige
Miffion widerfprechen zum Theil dem, was Bufs felbft
im vorhergehenden Abfchnitt gefagt hatte. Manche
richtig hervorgehobene Gebrechen, wie z. B. die mangelhafte
Ausbildung der Miffionare (S. 210 ff.), fühlt niemand
lebhafter als die Vorstände und Lehrer der Mif-
fionshäufer. Aber fo lang fich nur wenige akademifch
gebildete Leute zum Miffionsdienft melden, mufs man
eben haushalten mit dem was da ift; und dafs denn doch
auf akademifche Bildung nicht zu grofses Gewicht gelegt
werden follte, das beweift die Kirchengefchichte, voran
die Apostel felbft. Wenn Bufs ferner behauptet (S.
222), die Miffionare zeigen kein Verftändnifs für die
fremden Religionen, fo mag das bei einzelnen richtig fein,
aber dafs von Seiten der Miffionshäufer, die er anführt,
folche abfehätzige Urtheile über die fremden Religionen
nicht gefördert werden, dafür möge es erlaubt fein, auf
die Recenfion von A.Weber im Literarifchen Central-
blatt, 1874, S. 291, über eine für den Unterricht im
Basler Miffionshaus gefchriebene Gefchichte der in-
difchen Religion zu verweifen. — Nachdem die dogma-
i tifch einfeitige, enge und fchwerfällige, geistig niedrige,
peffimiftifch gefärbte, für die fittliche Ausgestaltung der
I allgemeinen Weltverhältnifse wenig fruchtbare pietiftifche
■ Miffionsmethode verworfen ist (S. 241 >, macht Bufs feine
Vorfchläge zu einer anderen Methode. ,Der wahre Mif-
fionsffandpunkt ift das Chriftenthum Chrifti. Wir
finden es aber nicht fertig vor weder in diefer noch in
jener chriftlichen Partei, Richtung oder Denomination, am
allerwenigsten in den exclufivftcn. Es wird vielmehr erst
gefucht' (S. 245). Die Aufgabe der künftigen Miffion ift
nicht Bekehrung Einzelner, fondern fie mufs unter den
nichtchristlichen ( Völken Krifen hervorrufen, den allgemeinen
Volksgeift bearbeiten (S. 255), von oben nach
unten wirken, in erster Linie an die nichtchristlichen Cul-
turvölker und bei diefen wiederum vorab an die höheren
Bevölkerungskiaffen fich wenden (S. 257). Die Miffionare
follen aufser allen philofophifchen und theologifchen Dis-
ciplinen noch fpecielle Disciplinen für ihr Fach auf der
Univerfität hören. Wenn fie hinauskommen in das Heidenland
, follen fie einige Jahre lediglich das Volk ftu-
diren, vergleichende Abhandlungen über Chriftenthum
und die betreffende Religion fehreiben, alles vermeiden
, was die Heiden verletzen könnte, an irgend einer
hohen Schule in dem Land eine Anstellung Tuchen (S.
292), Schulen, namentlich höhere Lehranstalten errichten
und durch Einwirkung auf die Träger heidnifcher Kultur
Krifen in der heidnifchen Religion hervorzurufen fuchen
(S. 287). — Bis jetzt weift die Kirchengefchichte kein
Beifpiel folcher Miffion von oben nach unten auf, aufser
den katholifchen Völkerbekchrungen, denen Bufs fonft
das Wort nicht redet; denn dafs die apoftolifche Miffion
diefen Weg nicht gegangen ift, fagt 1 Cor. 1, 26 ff.
Aber es werden gewifs alle Miffionsfreunde wünfehen,
dafs Bufs das Chriftenthum Christi bald finden und feine
Liebe zur Miffion durch die That bezeugen möge. Er
wird dann von manchen unpraktifchen Miffionsidecn zurückkommen
, wie die bisherigen Miffionsgefellfchaften
auch durch manchen Schaden klug werden mufsten.
Nr. 2 ift eine intereffante Vergleichu ng der apo-