Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1877 Nr. 14

Spalte:

399-400

Autor/Hrsg.:

Meurer, Mor.

Titel/Untertitel:

Der Kirchenbau vom Standpunkte und nach dem Brauche der lutherischen Kirche 1877

Rezensent:

Brockhaus, Clemens Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

399

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 14.

400

Material zu Anfprachen über die dort angegebenen bi-
blifchen Lectionen. Bei dem engen Anfchlufs an Sch.'s
Werk macht das Buch den Eindruck der Unvollftändig-
keit, und obwohl der Verfaffer auch Leier wünfcht (S.
IX), welche jenes nicht befitzen, hat er denfelben es
nicht leicht gemacht, fich in feinem Buche zurecht zu
finden. Die weitere Abficht des Verfaffers, ein Feftan-

fchieden eine fehr werthvolle Gabe für diejenigen, in
deren Händen der Verfaffer es durch feine Dedication
vornehmlich zu fehen wünfcht. Es verfolgt die Abficht,
den betreffenden Behörden und Bürgerfchaften, bei
vorzunehmenden Kirchenbauten und Reparaturen, An-
fchaffung von Kirchenausftattung und Kirchengeräth
eine Anweifung aus ernften Studien und gereiften

dachtsbuch für gebildete Chriften zu liefern, hätte ihn Erfahrungen heraus zu geben, wie diefelben künft-
um fo mehr veranlaffen follen, feine Schrift nach der lerifch ftilgemäfs, liturgifch angemeffen, folid und
äufseren Einrichtung, z. B. durch ausführliche Ueber- dauerhaft und — last not least — auch pecuniär vor-

fchriften und Inhaltsangaben felbftändiger zu gefüllten
Ueberhaupt haben wir Bedenken, ob das Buch für diefen
Nebenzweck geeignet ift. Einmal ift es Hörend, dafs die
Gefichtspunkte für die Anordnung des Stoffs zur Grundlage
der Eintheilung des ganzen Buchs gemacht find.
Der 1. Theil bringt zufammenfaffende Schilderungen der
einzelnen Gefchichtsabfchnitte, während der 2. Theil das
Nachbild des chriftlichen Lebens zeichnet, indem die
Wiedergeburt zur Weihnachtsgefchichte, der Leidenskampf
der Heiligung zur Paffionsgefchichte, die Aufer-
ftehung zur Oftergefchichte, die Gnadenmittel zur Pfingft-
gefchichte in Beziehung gefetzt werden; das find die
Hauptmomente des Nachbildes; in einer neuen Reihe
werden nun auch noch die untergeordneten Momente
in befonderen Skizzen entwickelt. Für ein Andachtsbuch

theilhaft hergeftellt werden können. Demgemäfs geht
er in einem einleitenden allgemeinen Theile die ver-
fchiedenen Bauftile von dem altchriftlichen Bafilikenfi.il
bis zur Renaiffance durch, um in einem befonderen Ab-
fchnitt ,Vorfragen' benannt, die Principien auszuführen,
nach denen im evangelifchen Geifte und für das Bedürf-
nifs des evangelifchen Gottesdienftes der Kirchenbau jetzt
in Angriff zu nehmen fei. Es liegt dabei in der Natur
der Sache, dafs bei der grofsen Zahl muftergultiger Vorarbeiten
der Verf., ausgenommen jenen letztgenannten
Abfchnitt, hier nichts Neues bietet. Aber der Ueberblick
über die kirchliche Architektur ift fo gut und anfehau-
lich gefchrieben, zeugt von einer Rüchen Vertrautheit
mit dem Gegenftande, hebt die charakteriftifchen und
äfthetifchen Eigentümlichkeiten jedes Stils mit fo rich-

würde es fich mehr empfehlen, das Nachbild fogleich j tigern Blick hervor, dafs jeder nicht nur zur gründlichen
auf die einzelnen Abfchnitte der Feftgefchichte jedes Mal j Belehrung, fondern wirklich auch zum äfthetifchen Verfolgen
zu laffen, und das ganze Buch chronologifch zu : gnügen das hier kurz und gedrängt Zufammengeftellte

ordnen. Sodann ift der ganze 2. Theil für ein Andachtsbuch
zu fkizzenhaft gehalten. Um fo werthvoller ift die
Arbeit als homiletifches Hülfsmittel, und unterfcheidet
fich als folches vortheilhaft von ähnlichen Erzeugnifsen,

lefen wird. — Der zweite praktifche, und der ganzen
Tendenz des Buches nach, eigentliche Hauptthcil, ift
durchaus dem Verfaffer eigenthümlich, und ift eine wahre
Fundgrube guter Rathfchläge, richtiger Anweifungen,

welche fo feiten die vielbetretenen Wege hergebrachter • gefunden Urtheils über die bei Kirchenbau und Repa
Auslegung und Anwendung verlaffen, und noch feltener I raturen fo naheliegenden Fragen, wann und wo eine
zu eigenem Nachdenken anregen. Gerade bei der Feft- i Reparatur und Renovation genüge, wann zu einem Neu-
gefchichte ift die fubjective Bedeutung noch nicht ge- j bau gefchritten werden müffe, in wie weit das Alte be-
nügend hervorgehoben und noch weniger in der Sprache ] nutzt werden könne, in welchem Material am Beften ge

unferes modernen Lebens ausgeführt; der hier gebotene
Beitrag darf auf den Dank weiterer Kreife rechnen. Die
gefchichtlichen Abfchnitte find lebendig ausgeführt, die
praktifche Anwendung zeichnet fich aus durch Feinheit
und Gedankenreichthum, welcher freilich nicht in allen

baut, in welcher Weife die Arbeit am Vortheilhaftcften
in Auftrag gegeben wird. Daran reiht fich die Erörterung
der plaftifchen und malerifchen Kirchenausfchmück-
ung und der Kirchenausftattungsgegenftände, wie Altar,
Kanzel, Taufftein, Kirchengeftühl u. f. w., fowie des

Fällen verwendbar ift, z. B. der gewagte Vergleich zwi- Kirchengeräths, der Abendmahls- und Taufgefäfse, Pa
fchen den Anfängen der Wiedergeburt und der Em- 1 ramente, Altardecken — mit einem Worte das reiche Ge-
pfängnifs Chrifti (S. 149 ff). In der Anwendung hätte biet kirchlicher Kleinkunft und kirchlichen Kunfthand-
auch die directe Beziehung auf das chriftliche Einzel- ; werks —, und hier weift fich der Verf. bis ins Einzelnfte
leben genauer durchgeführt werden follen, während j als erfahrener, gefchmackvoller, für einzelne Gebiete wie
ferner liegende Punkte fortgelaffen werden konnten. Eine : Stickereien u. f. w. mit einem faft weiblich gefchulten
Betrachtung wie II. IV: ,der Chrift vor dem geiftlichen ! Blick ausgeftatteter Kenner. Es kann keiner fagen, dafs
Gerichte einer von ihrem wahren Berufe abgefallenen ! ihn das Buch in irgend einem Punkte des Kirchenbaues
Kirche' gehört nicht in die Feftandacht der Gemeinde, j und der Kirchenausftattung rathlos laffe, und hierin hat
Dagegen fehlt der unentbehrliche und fehr fruchtbare | dasfelbe einen entfehiedenen Vorzug vor dem gelehrten
Nachweis, wie nothwendig das offene und beftimmte Be- ! Handbuch der chriftlichen Archäologie des Mittelalters
kenntnifs in allen Fällen des chriftlichen Lebens ift, nicht | von Otte, das für Laien zu umfangreich ift. Die Em-
blofs vor dem geiftlichen Gericht; wie häufig (bei Petrus) | pfehlung der gediegenften Lieferanten für die betreffen

die Verleugnung und wie grofs die Verfuchung zu diefer
Sünde, nicht blofs durch ,die tonangebenden Culturver-
treter, die urtheilslofe Menge' u. dgh, fondern in jeder
Lebenslage. Der Kampf der Heiligung ift ein Kampf
gegen die Sünde, welche Chrifto Leiden bereitet hat, und
nicht blofs eine Nachfolge in ähnlichen Leiden.
Halle a. S. A. Wächtler.

Meurer, Paft. Lic. Mor., Der Kirchenbau vom Standpunkte
und nach dem Brauche der lutherifchen Geiftlichen, aufsNachdrücklichfte ans Herz legen möchten

den Gegenftände, die der Verf. feinen Auseinanderfetz-
ungen einflicht, werden die, welche Anfchaffungen zu be-
forgen haben, nur dankbarft begrüfsen. Vielleicht könnte
dem Verf. der Vorwurf allzugrofser Vorliebe für die
Gothik, und einer nicht ganz billigen Abfchätzigkeit
gegen die Renaiffance gemacht werden, doch wiegt derselbe
leicht gegen die grofsen Vorzüge feiner Arbeit, die
wir nur denen, welchen fie dargeboten ift, namentlich den
mit der kirchlichen Kunft oft leider fo wenig vertrauten

Kirche. Geiftlichen, Kirchenpatronen und Kirchen-
vorftänden zur Orientirung dargeboten. Leipzig 1877,
Dörffling & Franke. (VIII, 302 S. gr. 8.) M. 8. —
Das vorliegende Buch des für die kirchliche Kunft
und namentlich ihre praktifche Anwendung unermüdlich
thätigen, leider jüngft verftorbenen Verfaffers, erfüllt wie
wenige den ihm gefetzten Zweck und ift ganz entLeipzig
. Cl. Brockhaus.