Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1877 Nr. 14

Spalte:

379-381

Autor/Hrsg.:

Giesebrecht, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die hebräische Präposition Lamed 1877

Rezensent:

Kautzsch, Emil

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

379

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 14.

380

fehende und auf jeden Fall beachtenswerthe Mittheilung
von Franz Delitzich S. 661, nach deffen Meinung (einer
Zurechtftellung feiner früheren mit Fürft übereinftimmen-
den Auflfaffung; auch keiner der anderen Laute ,von der
Verwendung als Vorfatz zur Modification des Wurzelbegriffs
fchlechthin ausgefchloffen ift'. D. verweift auf
Fälle wie ijpj? und bizst (r. bot, -ipn und ip; (r. -ip)j
er denkt die Trilitera zum Thcil ,durch Verquickung
zweier Wurzeln entftanden, fo dafs der erfte wie der
dritte Buchftabe jeder in feiner Weife fecundär find',
wofür angeführt wird 303 ,emporfprudeln': ,die r. ift
3:, aber auch ra, denn dafs yia bullire bedeutet, ift doch
gewifs unzufällig'. Uns fcheint freilich gegen diefe letztere
Annahme einer Zufammenfetzung zweier zweicon-
fonantiger Wurzeln mit Philippi (Der Grundftamm d.
ftark. Verb. S. 104) die Analogielofigkeit einer folchen
Zufammenfetzung im Semitifchen eingewandt werden
zu müffen. — Was Fürft's Vergleichung indogermanifcher
Wurzeln mit femitifchen betrifft, fo bezeichnet R. die
,Ausführung' allerdings als ,extravagant'; im Princip aber
ftimmt er ihm mit einer auf diefem unficheren, jetzt noch
und vielleicht für immer aller feiten Anhaltspunkte entbehrenden
Gebiete mit einer Zuverficht bei, welche der
Sache wohl in keinem Falle zukommt. Er fchliefst mit
den Worten: ,Keinesfalls dürfen wir es Fürft vergeffen,
dafs es ein ficher erkanntes Ziel, kein Phantom war,
nach welchem er die erfte kühne Argonautenfahrt unternommen
hat'. ■—Wir fchliefsen mit dem Wunfche, dafs
es nicht noch einmal der Verlagshandlung gefallen möchte,
das Verftändnifs der altteftamentl. Sprache durch eine
Neuauflage in diefer Form zu verwirren, und dafs diefe
dritte ein gütiger Stern nur in vorflehtige Hände legen
wolle. Der forgfamen neuen Redaction des Herausgebers
an und für fich aber fei noch einmal die ihr, fo weit
wir fehen konnten, durchaus zukommende Anerkennung
ausgefprochen.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Giesebrecht, Dr. Friedr., Die hebräische Präposition La-

med. Halle 1876, Lippcrt'fche Buchh. (112 S. gr. 8.)
M. 4. —

Seit Ewald's zufammenfaffender Darfteilung im Lehrbuch
der hebräifchen Sprache ift die Erforfchung der
hebräifchen Syntax lediglich, durch Monographien über
einzelne wichtige Punkte weitergeführt worden. Man ging
dabei von der richtigen Erkenntnifs aus, dafs es noch
für lange Zeit vor allem einer gründlichen Sichtung und
Durchdringung des Materials innerhalb der einzelnen Dialekte
, an zweiter Stelle geficherter Refultatc der vergleichenden
Syntax bedürfe, ehe die Aufgabe einer wahrhaft
wiffenfehaftlichen Gefammtdarftellung befriedigend
gelöft werden könne. Zu den verdienfflichen Vorar- .
beiten diefer Art, wie Philippi's Status constr., Kocr/s Infinitiv
etc., gefeilt fleh nun hier eine Specialunterfuchung, j
deren Verf. fleh ebenfo durch wiffenfehaftliche Gründ- j
lichkeit, wie durch ein wohlgefchultes Sprachgefühl als :
ein berufener Mitarbeiter ausweift. Obfchon fleh die
Arbeit gemäfs dem Titel nur auf die Syntax der hebräifchen
Präpofition b erftreckt, fo fehlt es doch nicht an
Verweifen auf die entfprechenden Erfcheinungen in anderen
femitifchen Dialekten bis herab zum Ncufyrifchen;
eine Ausdehnung der Unterfuchung auf das ganze Gebiet
des Semitismus würde dabei allerdings noch Manches
zu ergänzen haben. Der Verf. geht von der That-
fache aus, dafs ,die Präpofitionen zunächft Vcrhältnifse
bezeichnen, die der (räumlichen und zeitlichen) Anfchau-
ung entnommen waren, um von da aus zu Ordnern gei-
ftiger Beziehungen zu werden'. Als Grundbegriff des b hält
der Verf. die ,Richtung auf etwas' feft und proteftirt mit
Recht dagegen, dafs diefem Begriff ohne weiteres der
,der Bewegung auf etwas hin', welcher dem fynonymen,
nicht® fprachverwandten bx zukommt, untergefchoben

I oder beigemifcht werde, wie dies befonders von Gefenius
zum Schaden klarer fyntaktifcher Erkenntnifs gefchchen
ift. Der Gebrauch des b wird nach folgenden drei Kategorien
abgehandelt: 1) zur Bezeichnung localer und tem-
I poraler Verhältnifse, 2) b als Präpofition, abhängig vom
I Verb und 3) unabhängig von Verbalrection. Die Richtigkeit
diefer Eintheilung unterliegt nun allerdings fchweren
Bedenken, wie dies der Verf. nach S. 3 felbft gefühlt
j hat. Der erften Kategorie, die den eigentlichen Gebrauch
in räumlicher und zeitlicher Beziehung behandelt, konnte
logifch nur die Kategorie des Gebrauchs in übertragener
Bedeutung gegenübergeftellt werden. Statt deffen er-
fcheint in 2. und 3. ein neues Eintheilungsprincip, das
der Abhängigkeit oder Unabhängigkeit von der Verbalrection
, als ob nicht alle in der erften Kategorie behandelten
Stellen zugleich in die eine oder andere der beiden
letzten Kategorien fielen. Bei der Unterfcheidung
der 2. und 3. Kategorie hat der Verf. natürlich den
I Unterfchied von Gebrauchweifen, wie die nota dativi
! einerfeits und die ,Umftandsbeftimmung' andererfeits, im
Auge. Aber diefe Unterfcheidung ift doch eine rein
| äufserliche und widerfpricht den eigenen richtigen Theo-
I rien des Verf. über das Wefen der Präpofitionen. Wenn
diefelben zunächft als Nomina im zuftändlichen Accufativ
aufzufaffen find, wie kann dann die Rede davon fein,
dafs fie ,unabhängig von einer (wenn auch noch fo latenten
) Verbalrection' gedacht werden könnten? Denn
1 der zuftändliche Accufativ kann ja nicht in der Luft
1 fchweben, fondern giebt immer nur eine Näherbcftim-
j mung des nomen regens, fofern diefes in einem beftimm-
ten Thun oder Zuftand gedacht wird. Somit fleht der
locale und temporale Gebrauch ebenfowenig aufscrhalb
der Verbalrection, wie das S. 85 als unabhängig von
einer folchen behandelte b ,zur Bezeichnung des Zwecks
einer Handlung'. Diefes letztere Beifpiel zeigt zur Genüge
, wie der Verf. trotz der Ueberfchrift der 3. Kategorie
nothwendig auf Rectionsverhältnifse recurriren
mufste, um die betreffenden fyntaktifchen Erfcheinungen
zu erklären. Nach alledem wäre es ohne Zweifel richtiger
gewefen, wenn der Verf. den S. 3 aufgeftellten
Kanon feilgehalten und einfach die verfchiedenen Nüan-
cirungen des Grundbegriffs ,der Richtung auf etwas hin'
in ihrer genetifchen Entwickelung verfolgt hätte. Diefe
Methode würde zugleich vor einem anderen Nachtheil
bewahrt haben, der fich im Verlauf der Unterfuchung
fühlbar macht. Der Verf. war fich zwar der Aufgabe
wohl bewufst, nachzuweifen, wie fich der Grundbegriff
des b zum Ausdruck der verfchiedenften Beziehungen
geftaltet habe. Die oben erwähnte Methode einer mehr
äufserlichen Eintheilung hat es jedoch mit fich gebracht,
dafs das Bewufstfein von der eigentlichen Aufgabe öfters
zurücktrat und die Erklärung der fyntaktifchen Grund-
anfehauung lediglich durch eine Umfetzung in die uns
geläufigen Vorftellungen verfucht wurde. Solche Um-
fetzungen und Ümfchreibungen find natürlich zur Verdeutlichung
nicht zu entbehren und genügen meifl für
den Zweck der empirifchen Erklärung. Keineswegs aber
dürfen fie zu dem Irrthum verführen, als ob das fyn-
taktifche Bewufstfein einer Sprache, welche die verfchiedenften
Beziehungen durch eine einzige Präpofition ausdrückte
, alle diefe Beziehungen in derfelben Weife
auseinandergelegt habe, wie wir es nach dem Genius
einer anders gearteten Sprache zu thun genöthigt find.
Für eine wiffenfehaftliche Behandlung bedarf es fomit
des ftrengften Fefthaltens an der einheitlichen Grund-
anfehauung, die der betreffenden Präpofition in ihrer
immer gleichen Form anhaftete, und diefes Erfordernifs
ift von dem Verf., obwohl er es in der Theorie durchaus
anerkennt, bei der Vertiefung in das Detail bisweilen
aus dem Auge verloren worden.

Dafs bei der Claffificirung von mehreren taufend
Stellen oft genug Veranlaffung zu abweichenden Meinungen
geboten war, wird niemanden Wunder nehmen.