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Ausgabe:

1877 Nr. 13

Spalte:

368-370

Autor/Hrsg.:

Wysard, A.

Titel/Untertitel:

Ein Gang durch’s alte Testament mit besonderer Berücksichtigung der Poesie und Prophetie, für höhere Lehranstalten und denkende Bibelleser 1877

Rezensent:

Wächtler, August

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367

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 13.

368

Mangold, Prof. Dr. Wilh., Humanität und Christenthum.

Rede beim Antritt des Rectorats der Rheinifchen
Friedrich-Wilhelms-Univerfität am 18. October 1876
gehalten. Bonn 1876, Marcus. (23 S. 8.) M. — 60.

Mangold, Prof. Dr. Wilh., Wider Strauss. Auch ein Be-
kenntniss. Rede zur akademifchen Feier des Geburts-
feftes Sr. Majeftät des Kaifers und Königs Wilhelm L
gehalten am 22. März 1877. Bonn 1877, Marcus. (19
S. 8.) M. — 50.

Das gemeinfame Band, welches diefe beiden Recto-
rats-Reden Mangold's unter einander verbindet, ift ihre
im beften Sinne des Wortes apologetifche Tendenz. Sie
ift es auch, die uns veranlafst an diefer Stelle auf fie auf-
merkfam zu machen und fie der Beachtung weitefter
Kreife zu empfehlen. Die zweite Rede verfährt negativ,
indem fie einen unberechtigten Angriff gegen das Chriften-
thum abweift, die erfte pofitiv, indem fie an der Hand
der Gefchichte darthut, dafs das Chriftenthum durch feine
Wirkungen den Thatbeweis feines unvergänglichen Wer-
thes geliefert hat.

Die Rede ,Wider Straufs' richtet fich gegen diefen
nicht fofern er ein vereinzelter Gegner des Chriftenthums,
fondern fofern er ein ,namhafter Stimmführer der öffentlichen
Meinung' ift. Es wird nach einem Rückblick auf
feine früheren Arbeiten, die in gewiffem Sinne noch auf
chriftlichem Boden ftehen, zunächft gezeigt, wie wider-
fpruchsvoll und in jeder Beziehung unbefriedigend die !
von ihm als ,neuer Glaube' aufgeftellte Weltanfchauung |
fei, und fodann im Einzelnen nachgewiefen, dafs feine !
Polemik gegen das Chriftenthum deshalb völlig unzutreffend
ift, weil fie gar nicht gegen das echte urfprüng-
liche Chriftenthum, fondern gegen eine Carricatur des-
felben gerichtet ift. Zu diefer Carricatur gelangt er namentlich
durch Anwendung dreier Mittel, indem er 1)
den von der Theologie längft anerkannten Unterfchied
zwifchen heiliger Schrift und Wort Gottes ignorirt, 2)
auch den Unterfchied zwifchen Religion und Dogma
ignorirt, und endlich 3) von dem Stifter des Chriftenthums
ein unhiftorifches und entftelltes Bild entwirft. So
erleichtert er fich zwar einerfeits die Arbeit, verfehlt aber
eben darum auch andererfeits fein Ziel.

Der negative Gewinn diefer Rede wird ergänzt durch
den pofitiven Nachweis der anderen, dafs das Chriftenthum
, weit entfernt, der Humanitätsidee feindlich gegen-
überzuftehen, vielmehr diefe erft zu ihrer Vollendung gebracht
und — was mehr ift — auch im Leben wirkfam
gemacht hat. Dies wird namentlich an einzelnen Lebens-
verhältnifsen, wie an der Stellung, welche die Frauen,
die Arbeiter und die Sklaven im Ganzen der menfeh-
lichen Gefellfchaft einnahmen, nachgewiefen, wefentlich
im Anfchlufs an das bekannte Werk von Carl Schmidt,
Die bürgerliche Gefellfchaft in der altrömifchen Welt
und ihre Umgeftaltung durch das Chriftenthum (Leipzig
1857). In der Behandlung diefer Dinge ift freilich Verficht
vonnöthen. Und die ältere Apologetik hat meift
darin gefehlt, dafs fie ausfchliefslich auf Rechnung
des Chriftenthums fchrieb, was doch fchon durch die
antike Welt, befonders die ftoifche Philofophie angebahnt
war. Es hätte vielleicht auch von Mangold diefe
letztere Thatfache noch etwas ftärker hervorgehoben
werden dürfen. Aber im Grofsen und Ganzen wird die
Berechtigung und der Werth des von ihm geltend gemachten
Gefichtspunktes von jedem Verftändigen anerkannt
werden. Denn man mag die ftoifche Philofophie
noch fo hoch ftellen: hinter dem Chriftenthum fteht fie
doch an Reinheit des fittlichen Gedankens, und vor allem
an durchgreifender Wirkung im Leben weit zurück. Und es
ift nicht nur apologetifch, fondern auch an fich von Wichtigkeit
, diefen Gefichtspunkt mit Nachdruck geltend zu
machen. Denn mit Recht mifst unfer heutiges Ge-

fchlecht den Werth der Religion nach ihren Wirkungen
im Leben.

Leipzig. E. Schür er.

Die Verfassung der evangelischen Landeskirche Preussens.

Rückblicke und Ausfichten von einem Mitgliede der
aufserordentlichen Generalfynode. [Zeitfragen des
chriftlichen Volkslebens 6. Hft.] Frankfurt a/M. .1876,
Zimmer. (90 S. gr. 8.) M. 1. 20.

Den Grundfehler der durch die General-Synodalordnung
vom 20. Januar 1876 zum Abfchlufs gekommenen
preufsifchen Kirchenverfaffung findet der ungenannte Verf.
darin, dafs diefelbc ein Syftcm des kirchlichen Conftitu-
tionalismus darftelle. Urfprünglich fei die für die preufsi-
fche Landeskirche beabfichtigte Verfaffung anders gedacht
gewefen; in dem langen Verlaufe aber feit 1850,
wo die ,Grundzüge einer Gemeindeordnung' erfchienen.
bis 1876 fei der presbyteriale Charakter der früheren Entwürfe
immer mehr verfchwunden und ein Abbild der
conftitutionellen Staatsverfaffung an die Stelle getreten.
Verf. erwartet davon, wenn auch nicht die Zerftörung
der Landeskirche, doch nichts Gutes. Eine treffende
Erwiederung giebt er fich indeffen im Vorworte felbft,
indem er richtig bemerkt, das Bewufstfein der Zeitge-
noffen fei von den Principien des Conftitutionalismus in
dem Mafse beherrfcht, ,dafs ihm alle Geftaltungen des
focialen Lebens nur unter dem Gefichtspunkte diefer
Principien fafsbar erfcheinen'. Man braucht nicht mit
Rothe, welchen der Verf. citirt, der Meinung zu fein,
dafs in den conftitutionellen Verfaffungsformen ,die ewigen
Principien und Gefetze der menfehlichen Gemein-
fchaft, des moralifchen Gemeinwefens felbft — pofitiv
gemacht' feien, und kann dennoch anerkennen, dafs jene
Formen unter den heute gegebenen gefchichtlichcn Bedingungen
die einzig möglichen wie für den Staat fo
für die evangelifche Kirche find, und nur auf dem Boden
einer fo geftalteten Verfaffung eine erfpriefsliche Thätig-
keit ftattfinden kann. Die Analogie mit der politifchen
Verfaffung darf nicht erfchrecken: abgefehen von der
katholifchen Kirche nach der Reformation hat diefe Analogie
feit Conftantin nachweisbar zu allen Zeiten und bei
allen gefchichtlich bedeutfamen Kirchenorganismen mehr
oder weniger beftanden — leicht erklärlicher Weife.
Für die Mängel, welche die heutigeGeflaltung des öffentlichen
Lebens und mit ihr diefe neuefte Kirchenverfaffung,
gleich allem Menfehlichen, an fich trägt, braucht man
darum nicht blind zu fein, wiewohl der Verf. in deren
Aufweifung vielfach zum Widerfpruch auffordert, auch
merkwürdiger Weife für ein hochgefährliches Uebel unferes
kirchlichen Lebens, auf welches bei Begründung der
Verfaffung ernftlich Bedacht genommen werden mufste,
gar kein Auge zu haben fcheint, den hierarchifchen
Confeffionalismus.

Friedberg. K. Koehler.

Wysard, Gymn.-Lehr. A., Ein Gang durch's alte Testament
mit befonderer Berückfichtigung der Poefie und
Prophetie, für höhere Lehranftalten und denkende
Bibellefer. Zürich 1877, Schmidt. (V, II, 271 S. gr.
8.) M. 4. —

Das Buch foll zunächft für Schüler höherer Lehranftalten
, dann auch für denkende Bibellefer eine Blumen-
lefe des A. T. bilden, in welcher die Früchte der alt-
teftamentl. Forfchung in Bezug auf Einleitung und Auslegung
und namentlich Ueberfetzung der Gemeinde zugänglich
gemacht find. Daneben hofft der Verfaffer,
dafs feine Arbeit unbefangenen Verächtern des A. T.
zeigen werde, warum die freifinnigen Theologen von
diefem Buche nicht laffen können, welches zwar von
Fleifch und Blut flrotzt, aber auch fprüht von Geift und