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Ausgabe:

1877 Nr. 13

Spalte:

363-364

Autor/Hrsg.:

Usener, Hermannus

Titel/Untertitel:

Acta S. Timothei 1877

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 13.

364

nicht ohne ausdrückliche Reftriction angefchloffen hatte,
zu prüfen und nach Zurückweifung derfelben mit einem
non liquet zu fchliefsen.

Ref. kann von dem werthvollen Buche nicht fchei-
den, ohne dem Verfaffer ausdrücklich noch für die Mühe
zu danken, welche er es fich hat koften laffen, die durch
den Conftantinopolitanifchen Text fraglich gewordenen
Lesarten des Codex Alexandrinus durch wiederholte
Prüfung der Handfchrift felbft feftzuftellen (z. B. I Clem.
Ii, I. 50, 3. 51, 1. II Clem. 6, 9), fowie das von Mai
Script. Vet. Novr Coli. VII, 84 erwähnte Excerpt aus
I Clem. 33 (vgl. Harnack z. d. St.) mit Hilfe römifcher
Freunde zu identificiren, um es in extenso mittheilen zu
können (S. 426).

Halle a. S. O. Gebhardt.

Usener. Hermannus, Acta S. Timothei. Bonn 1877, Uni-
verfitätsprogramm. (37 S. gr. 4.)

Aus der Feder eines hervorragenden Philologen erhalten
wir hier einen Beitrag zu einem Zweige der theo-
logifchen Literatur, der heutzutage von proteftantifchen
wie katholifchen Theologen faft ganz vernachläfsigt wird:
zur Gefchichte und Kritik der Märtyrer- und Heiligen-
Acten. Im Jahre 1485 wurde zum erftenmale in den zu
Löwen erfchienenen Vitae Sanctorutn auch eine dem
Polykrates von Fphefus zugefchriebene lateinifche Vita
S. Timothei gedruckt, welche dann in die Vitae Sanctorutn
von Lipomannus und Surius überging und auch bei den
Bollandiften (Januar Bd. II, S. 566) gedruckt ift. Von
der Exiftenz eines griechifchen Originales wufste man
zwar theils durch Photius, der in feiner Bibliotlieca
cod. 254 darüber berichtet, theils durch ein paar kleine
Proben, welche Halloix und Du Cange von demfelben
mitgetheilt hatten. Aber erft jetzt tritt der griechifche
Text felbft zu Tage. Ufener giebt ihn nach einer
Parifer Handfchrift des II. oder 12. Jahrh. {cod. gr. 1219),
welche der franzöfifche Gelehrte Bonnet für ihn verglichen
hat. Dem griechifchen Texte ift auch die alte
lateinifche Ueberfetzung wieder beigegeben, und zwar
ebenfalls unter Vergleichung zweier Parifer Handfchriften.
In dem griechifchen Texte fehlt übrigens die briefliche
Ueberfchrift, durch welche diefe Vita fich als Werk des
Polykrates charakterifirt. Sie ift alfo offenbar eine fpätere
Zuthat.

Auf den Abdruck des Textes (S. 7—13) läfst der
gelehrte Herausgeber zunächft noch eine Reihe höchft
inftruetiver fachlicher Anmerkungen folgen (S. 13—28),
fodann eine Zufammenftcllung der in fpäteren Werken
fich findenden Notizen über das Leben des Timotheus,
welche alle auf diefe ältere Quelle zurückgehen (S. 29—
34), und endlich eine kritifche Unterfuchung über die
Entftehungsverhältnifse unferer Vita (S. 34—37). Unter
den fpäteren Werken, welche auf unfere Vita zurückgehen
, fleht in erfter Linie Photius Bibl. cod. 254, darauf
folgt Simeon Metaphraftes, und endlich vier
Menologien, von welchen zwei nur handfehriftlich auf der
Ambrofiana vorhanden und dort von dem Herausgeber
verglichen worden find. Auf Vollftändigkeit (die
hier kaum erwünfeht ift) macht diefes Verzeichnifs natürlich
nicht Anfpruch. Gar manches mag noch im Staube
der Bibliotheken ruhen. Für eine etwaige Ergänzung
giebt Fabricius, Biblioth. graec. ed. Barl. X, 341 einige
freilich nur dürftige Winke.

Der Inhalt der Acta ift im Vergleich zu dem, was
fonft diefe Literatur darbietet, einfach und fchmucklos.
Es wird erzählt, wie Timotheus unter der Regierung des
Nero und dem Proconfulate des Maximus (der fonft
nicht bekannt ift) von Paulus zum Bifchof von Ephefus
eingefetzt wird, wie er dann auch des Johannes Schüler
wird, und wie er endlich in treuer Ausübung feines
bifchöflichen Berufes den Märtyrertod ftirbt, indem er
bei dem Fefte der liaxuytöyia die heidnifche Volksmenge

ermahnt, doch von ihrem Götzendienfte zu laffen, und
von diefer aus Erbitterung darüber mit Keulen und
Steinen erfchlagen wird. Die Gläubigen begruben ihn
ev zo7cu) eni%aKovf.itv(t) JIlovi, tvtra vvv xvyydva 10 dyiib-
xgltov avrov ftccQTVQinv. Der Tag feines Martyriums aber
war der 30. des 4. Monats nach dem Kalender von Afien,
oder nach römifchem Kalender der 22. Januar, unter der
Regierung des Nerva (alfo nicht, wie in Handbüchern
oft angegeben wird: des Domitian) und dem Proconfulate
des, fonft übrigens nicht bekannten, Peregrinus.
— Den Urfprung der wenig umfangreichen Schrift glaubt
Ufener auf ein gröfseres Werk zurückführen zu müffen,
nämlich eine Gefchichte der ephefinifchen Kirche, woraus
unfere Vita nur ein Ausfchnitt fei. Er greift zu diefer
Annahme, weil fich nur fo der in einer Vita Timothei
befremdliche Umftand erkläre, dafs von dem Apoftel
Johannes faft ebenfoviel die Rede ift wie von Timotheus.
Ref. meint, dafs der fcharffinnige Kritiker hiebei von
Vorausfetzungen ausgeht, die für den Verfaffer einer
Heiligengefchichte allzu fchmeichelhaft find. Denn ftreng
bei der Stange zu bleiben war damals ebenfowenig allgemeine
fchriftftellerifche Sitte, als fie es heutzutage ift.
Und einem ephefinifchen Kleriker kann man es ficher
nicht übel nehmen, wenn er nebenbei auch von dem
grofsen Apoftel feiner Kirche Einiges erzählt, was überdies
nothwendig war, um die Wirkfamkeit des Johannes
und des Timotheus in ihr richtiges Verhältnifs zu einander
zu fetzen. — Die Entftehung der Grundfchrift fetzt
Ufener ungefähr in das Zeitalter des Eufebius (mit Gründen
, die wenig überzeugend find), die Anfertigung des
Auszuges in das Jahr 356 n. Chr., in welchem Jahre
nämlich die Gebeine des Timotheus von Ephefus nach
Conftantinopel überführt wurden. Nicht früher follen die
Acta angefertigt fein, weil erft mit Einrichtung eines
öffentlichen Cultus des Timotheus zu deren Anfertigung
Veranlaffung vorlag; und nicht fpäter, weil dann, nachdem
einmal die Timotheuskirche in Conftantinopel Berühmtheit
erlangt hatte, von der Transferirung der Gebeine
dorthin nicht mehr gefchwiegen werden konnte,
während nun in den Acten nur die Grabcapclle (das
uuqxvqiciv) zu Ephefus erwähnt werde. Ref. vermag weder
das eine noch das andere diefer Argumente für zwingend
zu halten; ift vielmehr der Anficht, dafs die Erwähnung
Lykaoniens als befonderer Provinz einen viel entfehei-
denderen Anhaltspunkt darbietet. Da nämlich Lykaonien
jedenfalls zwifchen 325 und 381, wahrfcheinlich aber, wie
Ufener felbft S. 14 mit guten Gründen annimmt, erft
374 n. Chr. zu einer befonderen Provinz erhoben wurde,
fo wird die Abfaffung der Acta auch erft nach 374 n. Chr.
anzufetzen fein. Denn die Annahme Ufener's, dafs ftatt
snaq%iag urfprünglich ein allgemeineres Wort wie %'lioai;
oder yr/c, im Texte geftanden habe, ift doch fehr mifslich.
Für den terminus ad quem bleibt aber ein Spielraum von
mehreren Jahrhunderten.

Leipzig. E. Schür er.

Witzschel, Aug., Luther's Aufenthalt auf der Wartburg.

Nach feinen eigenen Mittheilungen. Wien 1876, W.
Braumüller. (74 S. gr. 16.) M. 1. —

Ein beinahe elegant ausgeftattetes Schriftchen, ,dcn
Pilgern nach der Lutherzelle auf der Wartburg gewidmet
', das auf wiffenfehaftlichen Werth keinen Anfpruch
erhebt, die kirchengcfchichtliche Bedeutung der Jahre
1521 und 1522 nicht einmal oberflächlich fkizzirt. Alles
gruppirt fich nur um Luther's perfönliche Erlebnifse; die
Gedanken und Arbeiten des Reformators, der ganze Ernft
und die Grofsartigkeit auch feiner inneren Entwickelung
werden kaum berührt. Unter ,den eigenen Mittheilungen'
auf dem Titelblatt find nur die Briefe zu verftehen, aber
I auch diefe find nur fehr ungenügend verwerthet, und
| warum in einer populären Schrift der Brief an Albrccht