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Ausgabe:

1877 Nr. 1

Spalte:

335-338

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Woldemar

Titel/Untertitel:

Hülfsmittel zum christlichen Religionsunterrichte 1877

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335

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 12.

faffer nicht. Er weifs im Einzelnen (o viel Gutes zu
bieten, mit kurzen Worten oft fo mafsvolle Urtheile,
praktische Winke zu geben und über das Ganze eine
Solche Lebenswärme auszubreiten, dafs wir feinen Ausführungen
nur gern gefolgt find. Zu den guten Partien
des Buches rechnen wir auch den gefchichtlichen Ab-
fchnitt in der Einleitung (S. 15 — 56), der zwar nicht be-
fonders neue Auffchlüffe, aber ein grofses, reiches Material
in klarem Ueberblick vermittelt. Dafs wir in
manchen Einzelheiten abweichender Anfchauung find,
wollen wir nicht verhehlen. So wenn der Verf., der
Sitte feiner Heimath Rechnung tragend, (S. 69 ff.) dem
Pfarrer vom zehnten Lebensjahr des Kindes an den Religionsunterricht
zuweifen will und eben deshalb (S. 88)
den jetzt vielfach in Segen flehenden Kindergottes-
dienflen nicht das Wort redet. Oder wenn er (S. 172 ff.,
die Bahnen des Katechismus verlaffen und die Haupt-
Mücke desfelben ,Glaube, Vaterunfer, Dekalog, Sacra-
mente' ordnen will. Oder wenn die Forderung, dafs
das Fragwort immer und unter allen UmMänden an der
Spitze des Satzes Mehe, S. 100 als Rigorismus bezeichnet
wird. Läfst der Verkehr mit Kindern auch Geübtere
diefe Regel oft vergeffen, fo könnte und follte wenig-
Mens die gefchriebene Katechefe nach diefer Seite überall
correct erfcheinen. Doch iM in den S. 208 ff. angehängten
,Lehrproben' (vgl. S. 103) der Verf. in diefer
Hinficht entfchieden nicht ,rigoriMifch' verfahren. Selt-
fam beurtheilt er auch die Doxologie des Vaterunfer
mit der Bemerkung (S. 184): ,wenn einmal wirklich die
Unechtheit diefes Schluffes b ewie fen würde, fo würden
wir ihn weglaffen müffen'. Denn der fpätere Urfprung
iM doch längM bewiefen; aber follte der liturgifche Gebrauch
der Worte, die dem Sinn des Herrn entfprechen, '
nicht gerechtfertigt fein?

Leipzig. Wold. Schmidt.

Hülfsmittel zum christlichen Religionsunterrichte.

W ie bereits im verfloffenen Jahre (vergl. Nr. 12)
fehen wir hier die Literatur der jüngMen Vergangenheit
darauf an, was für die Zwecke des chriMlichen Religionsunterrichtes
geleiMet worden iM. Doch gedenken wir
nicht wie dort bei Schriften Mehen zu bleiben, welche
der Volksfchule dienen, fondern zugleich auf folche
unferen Blick zu richten, welche für höhere LehranMalten
beMimmt find.

In neuem Gewand erfchien kürzlich ein älteres Werk
(1. Aufl. 1774V. die Einleitung in die biblifchen
Gefchichten des A. T.'s von dem am 19. März 1803
verMorbenen Prälaten M. Fr. Roos (Stuttgart 1876,
Evang. BücherMiftung. XIV, 961 S. gr. 8. M. 6. -■-).
Es wird kaum nöthig fein, diefes Werk hier näher zu
charakterifiren. Ueber den Verf. fagt Palmer in Herzog's
,R.-E.' Bd. XIII S. 114: ,Die Atmofphäre, in welcher R.
allein lebt und webt, iM die Bibel; was in ihr gefchrieben
Meht, iM ihm fo, wie es Meht, fchon vollendete Theologie
, die dem Theologen blofs noch das Gefchäft übrig
* läfst, das dort Ausgebreitete zufammenzufaffen, das Zer-
Mreute zu fammeln und unmittelbar in Glauben und
Leben umzufetzen'. Diefes Urtheil beMätigt die Einleitung
' mit ihrer fehr Marken Neigung zum biblifchen
Realismus, aber auch der Virtuofität, eine biblifche Per-
fönlichkeit lebensvoll zu fchildern, ein biblifches Wort
nach feinem Gehalte auszubeuten. Uebrigcns find in der
neuen Ausgabe nicht blofs veraltete Ausdrücke und falfche
Citate richtig geMellt, fondern auch Eintheilungen und
Seitenüberfchriften angebracht, fowie die biographifchen
Nachrichten über R. erweitert, dafür aber manche Zu-
thaten des früheren Herausgebers ausgefchieden worden.
Pfarrer Steudel, der die Ausgabe beforgte, hat fich
hierdurch um das Buch ein VerdienM erworben. Die
Heilsgefchichte in biblifchen Gefchichten hat
PfarrerFranz Brüggemann erzählt(Effen i876,Bädeker.

X, 200 S. 8. M. — 75; geb. M. 1. —) und über feine
Schrift in einem ,Begleitwort' fich näher ausgefprochen
(ebendaf. 1876. 27 S. 8. M. — 28). Wir erfahren hier,
dafs das Buch zwar nicht in Folge der neuen preufsi-
fchen BeMimmungen über den Religionsunterricht vom
15. Oct. 1872) entManden, wohl aber herausgegeben
worden iM. Sein Charakter liegt im Titel fchon ausreichend
angedeutet. Der Verf. will eben jede einzelne
Gefchichte als etwas in fich Gefchloffenes, Abgerundetes
geben, aber alle Gefchichten unter fich in die engMe
Beziehung fetzen. Für ihre Auswahl iM ihm daher der
heilsgefchichtliche Gefichtspunkt mafsgebend gewefen.
Dabei wird die biblifche Sprache Mreng feMgehalten und
nur verlaffen, um die Gefchichten in einer das VcrMänd-
nifs erleichternden Weife abzurunden. Als trefflich gelungen
müffen wir die DarMellung des Lebens Jefu bezeichnen
und wünfehen fchon um deswillen, dafs das
Buch in den Schulen Eingang findet. Ein ,kirchcnge-
fchichtlicher Anhang' fucht die Hauptwendepunkte der
chriMlichen Entwickelung bis zur neueMen Zeit hervorzuheben
. Für den Katechismus-Unterricht hat Sup.
O. L. Münchmeyer das zweite HauptMück nach
dem Wortlaut der drei Artikel und der luther'-
fchen Erklärung derfelben bearbeitet (Hamburg
1876, Walther. II, 52 S. 8. M. — 60). Er iM bcMrebt,
den genannten Katechismus-Abfchnitt nicht als blofses
Lehrcompendium zu benutzen, fondern aus Luther's Text
herauszureden, fo zwar, dafs die Beziehungen der göttlichen
Gnadenthaten auf die eigene Perfon des Bekennenden
(,ichl, ,mich', ,mir') möglichM klar zu Tage treten.
Bezweifeln wir nun nicht, dafs der einfichtige Lehrer
diefes perfönliche Moment jederzeit zur Geltung gebracht
hat, fo wird die kleine Schrift, die in Hinficht der erote-
matifchen Form Correctheit vermiffen läfst, ihm einen
Anhalt zur Prüfung der Methode geben. ')

Unter Beziehung auf Gymnafien und Realfchulen
hat zur Reform des Religions-Unterrichts Lic.
Dr. Friedr. Kirchner (Berk 1877, Habel. 40 S. gr. 8.
M. I. —) ein Wort geredet, welches die Löfung der wichtigen
, viel ventilirten Frage nicht fonderlich fördern wird.
In feinem Amte traten ihm — fo fcheint es — wenig
ermuthigende Verhältnifse entgegen: höchMens zwei bis
drei Schüler in jeder Claffe wiffen über biblifche und
chriMliche VorMellungen, Perfonen und Gebräuche Auskunft
zu geben; felbM Confirmirte Mehen auf keiner
| höheren ErkenntnifsMufe, weil ihr Confirmationsunterricht
in vielen Fällen fich nur auf todtes Aneignen des luthe-
rifchen Katechismus befchränkt hat. Solcher Ignoranz
j zu Meuern wünfeht der Verf. am liebMen vom Standpunkt
,eines vernunftmäfsigen ChriMenthums' die Jugend belehrt
zu fehen und macht, um die Bedeutung diefes Unterrichts
zu zeichnen, die Lefer bis S. 30 mit feiner eigenen reli-
giöfen Ueberzeugung bekannt. Nur wenig Raum bleibt
ihm, die rathfamMe Methode zu fkizziren. Wir erfahren
hier, dafs der Unterricht chriMlich-confeffionell fein foll,
doch fo, dafs dem Lehrer Freiheit zu laffen iM. ,Die
! Bibel iM feine einzige Norm. Steht er auf orthodoxem
I Standpunkte — gut; auf liberalem — auch gut. Man
laffe ihm gewähren, wenn er nur der Schrift nicht Gewalt
anthut'. -Darum wünfeht er auch die Bibel nicht
; durch eine ,Bibel im Auszuge' erfetzt, aber diefe nicht
i fo gebraucht zu fehen, als ob die Forfchungen eines Baur,
Schenkel u. A. nicht gefchehen wären. Der vorgefchla-
gene Lehrplan übrigens dürfte kaum vom Hergebrachten
abweichend fein. Einen Leitfaden der evangelifchen
i Glaubenslehre für obere Claffen höherer Schu-

I) Aus der katholifchen Literatur mag hier genannt werden: Sonn-
tags-C hriftenlehren über die lieben heiligen Sacramente
von Joh. Mich. Fick (Neuburg a. D. 1876, Buchh. des kathol. Erziehungsvereins
. VIII, 196 S. gr. 8. M. 2. —). Dem Buche ift Deharbe's
,mittlerer Katechismus' zu Grunde gelegt, deflen 918 Fragen auf die Sonntage
dreier Jahre mit ihren ( hriftenlehren vertheilt find. Daneben foll
die Schrift auch als Hausbuch, dem Selbft- und Privatunterrichte dienen.