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Ausgabe:

1877 Nr. 12

Spalte:

334-335

Autor/Hrsg.:

Kübel, Rob.

Titel/Untertitel:

Katechetik 1877

Rezensent:

Schmidt, Woldemar

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Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 12.

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konnten. Was man an den Lutheranern als falfchen
Theoreticismus tadelt, als Innerlichkeit und Idealismus
lobt, dürfte feine Erklärung theilweife in der Bevormun- i
dung durch das fiirftliche Kirchenregiment finden. Wir
dürfen nicht über zu äufserliche Betrachtung diefer Ver-
hältnifse von Seiten der Hiftoriker klagen, fo lange uns
immer noch der confeffionelle Dogmatiker in den Nacken
fchlägt und hindert, eine religiös tiefblickende und zugleich
billige Gefchichtsbetrachtung zu üben.

Die gekufserten Bedenken follen von dem anregen- '
den Buche nicht abfehrecken, fondern nur vor unbedingtem
Zutrauen zu feinen Aufftellungen warnen. Wenn
der moderne archäologifche Roman uns den Cultur-
kampf im Coftüm der Pharaonen vorführt, fo wird die
Theologie ja wohl ein Recht haben, den natürlichen '
Mcnfchen in Dienfte des yrwüi ataiiov auch in ftreng
gefchichtlicher Darftellung aus allerlei Zeitmode heraus-
zufchälen. Nur dafs fie vorfichtig einhergehe und gerecht
bleibe; fonft möchte fie Mifstrauen erwecken und der
wichtigen Sache fchaden, der zu dienen fie berufen ift.
Halle. M. Kahler.

Schulte, Geh. Juftiz-R. Prof. Dr. Joh.' Friedr. v., Der
Cölibatszwang und dessen Aufhebung gewürdigt. Bonn !
1876, Neuffen (VII, 96 S.-gr. 8.) M. 1. 50.

An die theologifche Bekämpfung des Cölibates durch
Dr. Watterich (vgl. Theol. Literaturztg. Nr. 2 d. J.)
reiht fich in der vorliegenden Schrift ein ebenfo wuchtiger
Angriff von der kirchenrechtlichen Seite her. Aus-
gefprochener Zweck des Verfaffers ift, die förmliche Ab-
fchaffung des Cölibates, welche er aus inneren Gründen
als eine abfolute Nothwendigkeit und juriftifch als zu-
läffig betrachtet, für die altkatholifche Kirchengemein-
fchaft anzubahnen. Das gefchichtliche Material ift, fo
weit es der populäre Zweck der Schrift fordert, voll-
ftändig und überfichtlich zufammengeftellt. Gegen die
rechtlichen Deductionen des Verf. wird fich kein Wider-
fpruch erheben laffen. Die verfchiedenen Zweckmäfsig-
keitsgründe, welche von ultramontaner Seite für den
Cölibat vorgebracht zu werden pflegen, werden treffend
gewürdigt und dagegen die verderblichen Wirkungen
jenes Inftitutes in überzeugender Weife nachgewiefen.
Das Gemälde fittlicher Zuftände, welches der Verf. hier
entwirft, ift theilweife geradezu abfehreckend zu nennen;
und doch macht feine, offenbar aus eigenfter Kenntnifs
fliefsende Schilderung überall den Eindruck voller Wahrheit
und Unbefangenheit. Ob er aber Recht habe zu
fagen, der Cölibat habe mit dem Wefen des Priefter-
thums gar keinen Zufammenhang und ruhe lediglich auf
einer äufseren gefetzlichen Vorfchrift, welche jeden Augenblick
— nach Willkür — wieder aufgehoben werden
könne (S. 1), er fei der Ausflufs einer ,rein hiftorifchen,
auf keinem inneren Rechte, keiner Nothwendigkeit beruhenden
Entwickelung' (S. 88), von den Päpften zur Begründung
ihrer Weltherrfchaft erfunden (S. 52), ift uns
mehr als zweifelhaft. So willkürlich und zufällig entliehen
grofse, gefchichtliche lirfcheinungen nicht. So ge-
wifs es ift, dafs der Cölibat in den Händen der Päpfte als
eines der wirkungsvollften Machtmittel gedient hat und
dient, fo gewifs wäre dies doch nicht möglich gewefen,
wenn nicht ein innerer Zufammenhang zwifchen jenem
Inftitute und dem Princip des Katholicismus, alfo auf
katholifchem Boden eine innere Nothwendigkeit der Sache
vorhanden wäre. Man verfteht den Cölibat nicht völlig,
wenn man ihn nicht aus dem Gefammtverhältnifs, in
welches der Katholicismus Chriftenthum und fittliches
Leben, Kirche und Welt zu einander fetzt, begreift. Liefe
principielle Seite kommt bei dem Verf. nicht zu ihrem
Rechte; er macht es fich zu leicht, wenn er (S. 33; kurzer
Hand von ,Phrafen' redet, ,welche keiner ernften Widerlegung
bedürfen'. So fehr er bei feiner Bekämpfung der
Ultramontanen, namentlich des öfters citirten Phillips,

fachlich im Rechte ift, fo wenig wird doch abzultreitcn
fein, dafs man fich über den wahren Sinn katholifcher
Inftitutionen ficherer bei Kanoniften wie der genannte
als bei ihren altkatholifchen Gegnern unterrichtet.

Ueber den Boden der juriftifchen und Opportunitäts-
erwägungen geht auch das von dem Verf. fchliefslich
mitgetheilte Votum nicht hinaus, welches deiTelbe auf
der altkatholifchen Synode des J. 1875 über die Cölibat-
ffage abgegeben hat, und welches zu dem Befchlufs
führte, die Äbfchaffung des Cölibates fo lange anflehen
zu laffen, bis fich in den Gemeinden die allgemeine
Ueberzeugung von ihrer Nothwendigkeit gebildet habe,
und den Regierungen gegenüber die nöthige rechtliche
Sicherheit gewonnen fei. Was der Verf. aus einander
fetzt, ift alles fehr verftändig und richtig; aber eine reli-
giöfe Bewegung, welche von einem grofsen reformatori-
fchen Princip getragen wäre, würde ,fo leife nicht treten
können'.

Friedberg. K. Koch]er.

Kübel, Rob., Katechetik. Nebfl: 2 Anhängen: 1) Plan
für den Religionsunterricht an höheren Schulen.
2) Lehrproben. Stuttgart 1877, Mofer. (VIII, 225 S.
gr. 8.) M. 3. -

Auf diefe neueftc Darftellung der evangelifchen
Katechetik können wir unfere Lefer mit wahrer Befriedigung
aufmerkfam machen. Sie kommt aus demfelben
Lande, dem wir Palmer's treffliches Werk zu danken
hatten, und hat wie diefes einen Mann zu feinem Verf.,
der das Befte feiner Schrift nicht fowohl unter den
Mühen wiffenfehaftlicher Studien als auf dem Felde
kirchlicher Praxis fammeln durfte. Die ganze Haltung
des Buches ift daher derartig, dafs es Dienern im kate-
chetifchen Amte als brauchbares Hilfsmittel empfohlen
fein mag. Seinen inneren Charakter kennzeichnet am
bellen des Verf.'s entfehiedenes Eintreten dafür, dafs
die katechetifche Thätigkeit eine wefentlich und rein
kirchliche ift (vgl. $ 4}. Der Katechet hat, wie wiederholt
hervorgehoben wird, ein lebendiges Glied feiner
Kirche zu fein, alfo namentlich auch mit der kirchlichen
Lehre, die er mittheilt, in lebendiger Einheit zu flehen.
Aber K. betont auch, dafs diefe Forderung nicht mit der
einer abfoluten Uebereinftimmung mit der Kirchenlehre
identifch ift; denn dieKirche ftellefich felbft undihreLehre
unter die Bibel. Vom Katecheten verlangt er vielmehr,
,dafs er qualitativ, extenfiv durchaus mit ihrer Lehre
übereinftimmc, d. h. der Geilt der Kirchenlehre der Geilt
feines Lebens und Lehrens fei. 2) Wo diefer glaubt,
die biblifche Lehre an die Stelle der kirchlichen fetzen
zu müffen, gefchehe es in pofitiver, die Pietät nie verletzender
, entweder ftillfchweigend oder mit den fcho-
nendften Worten verfahrender Weife' (§ 18). Diefe Worte
illuftriren am betten des Verf.'s Bekenntnifs (Vorw.S. VI),
er flehe ,auf bibclgläubigem Standpunkte, ohne irgend
welcher Partei Fahne zu fchwingen'.

In der Anlage feiner Schrift läfst fich K. durch die ♦
Erwägung leiten, dafs die Katechetik theils die allgemeinen
Bedingungen unterfuchen foll, ohne welche ein
erfolgreiches Katechifiren überhaupt unmöglich ift, theils
im Einzelnen zu zeigen hat, wie der Lehrinhalt fich nach
organifchem Lehrgang auseinander legt. Er unterfchei-
det demnach die allgemeine Katechetik (S. 58—121) von
der fpcciellen (S. 122—199). Handelt er dort vom Katecheten
, von den Katechumenen und von der Katcchefe,
fo giebt er hier Anweifungen für Behandlung der bibli-
fchen Gefchichte, der Bibelkunde und der kirchlichen
Lehre. Von felbft fällt in die Augen, dafs bei diefer
Dispofition des Stoffes die einzelnen Abfchnitte fehr
ungleich ausfallen müffen, auch dafs von der Katechefe
gehandelt wird, ohne auf den Inhalt derfelben Rückficht
zu nehmen. Doch rechten wir darüber mit dem Ver-