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Ausgabe:

1877

Spalte:

9-10

Autor/Hrsg.:

Zunz, Leopold

Titel/Untertitel:

Gesammelte Schriften. 1. u. 2. Bd 1877

Rezensent:

Kautzsch, Emil

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Seite 1

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Thcologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 1. 10

Rivingtons London, Oxford, and Cambridge 1871. 8.
XIV. 419 S. 12 s

Afher's Ausgabe des Benjamin von Tudela (Berl. 1840 f.)
cxiftirte. Der Werth der Abhandlung fteigt noch durch

LQndon j)r p- Neftle I das am Scnlufs gegebene alphabetifchc Verzeichnifs der

260 berückfichtigten Autoren und Quellenfchriften. No.XI
bringt unter der Rubrik ,Bibelkritifches' den bekannten
Auffa.tz über das Dcuteronom, Ezechiel, Leviticus und
Efther aus Band 27 der deutfch-morgenländifchen Zeit-
fchrift. Zu dicfem kommen hier noch zwei weitere Auf-
fätze (F über Exodus und Numeri u. G über die Genefis)
als erftmalige Veröffentlichung. Bei aller Anerkennung
des kritifchcn Scharffinns müffen wir doch fagen, dafs
wir dem Verf. auf diefem Gebiete nur ungern begegnen;
eine Hyperkritik, die den Ezechiel für eine Fiction erklärt
und in die zweite Hälfte des 5. Jahrh., vielleicht gar ins
alcxandrinifche Zeitalter verlegt, den Leviticus alsdann
für noch jünger als Ezechiel erklärt und fichere Spuren
von dem Vorhandenfein des Pentateuch erft 3 Jahrhunderte
nach Jofia beginnen läfst, richtet hell felbft.
Aehnliche Machtfprüche enthalten aber auch die beiden
neuen Abfchnitte F u. G. Nach S. 243 ift von keiner
Zeile der Bibel ein Alter über 900 vor Chr. hinauf zu
erweifen; S. 270 ift von ,dem Verfaffer' der Genehs als
ungefährem Zeitgenoffen des Jefaja die Rede trotz der
vorhergehenden Annahme verfchiedener Quellen. Sehr
bezeichnend ift dabei, dafs von chriftlich.cn Mitarbeitern
auf diefem Gebiet nur — Vater und von Bohlen citirt
werden, obfehon fonft die Citate bis 1871 herabreichen.
— No. XII endlich enthält eine fehr mafsvolle und daher

Zunz. Dr., Gesammelte Schriften. Hrsg. vom Curatorium
der ,Zunzftiftung'. 1. u. 2. Bd. Berlin 1875 und 1876,
Gerfchel. (354 u. 304 S. gr. 8.) M. 13. —

Der Befchlufs der Leiter der Zunzftiftung, dem verdienten
Altmeifter der jüdifchen Wiffenfchaft noch bei
Lebzeiten durch eine Gefammtausgabe feiner Werke ein
Ehrendenkmal zu fetzen, wurde fchon bei feinem erften
Bekanntwerden auch von chriftlicher Seite mit lebhaftem
Beifall begrüfst und die vorliegenden beiden erften Bände
beweifen, dafs diefer Beifall berechtigt war. Neben
Wohlbekanntem erhalten wir hier Abhandlungen von
hervorragender Bedeutung, die an dem Ort, wo fie zuerft
gedruckt erfchienen, der Kenntnifsnahme und verdienten
Würdigung wenigftens von Seite chriftlicher Gelehrter
leicht "für immer entgangen wären. Auch die Beftand-
theile der Sammlung, die zunächft mehr für einen jüdifchen
Leferkreis berechnet find, enthalten doch des
Bedeutfamen und kulturhiftorifch Intereffanten genug,
dafs fie auch der chriftliche Lefer neben den wiffen-
fchaftlichen Abhandlungen gern mit in Kauf nimmt. Da
es an einem Vorwort der Herausgeber und an einer
Auskunft über die Principien der Auswahl gebricht, fo
vermögen wir über die letzteren nicht zu urtheilen; doch i überzeugend wirkende Beleuchtung von Chiarini's Theorie
ift im Allgemeinen das Streben nach einer theils fach- j du jndaismc (zuerft Berl. 1830); von den ziemlich zahl

liehen, theils chronologifchen Anordnung nicht zu verkennen
. An der Spitze der 12 gröfseren Abhandlungen
des erften Bandes fteht fehr paffend der 1818 erfchienene
Auffatz ,Etwas über die rabbinifche Literatur'. Denn
derfelbe enthält gleichfam das Programm des Verfaffers
für feine litcrarhiftorifche Thätigkeit und legt ein beredtes
Zeugnifs dafür ab, wie fcharf und wahrhaft wiffen-
fchaftlich er fchon damals feine Aufgabe fafste und wie
hoch er fich damit über die ,gemeinen Talmudquäler'
mit ihrer ,verwünfchten Klopffechterei' (S. 29) erhob.
Um fo mehr ift zu beklagen, dafs heute nach 58 Jahren
viele von den berechtigten Wünfchen, die Zunz bei feinem
Ueberblick über das gefammte Gebiet der jüdifchen
Wiffenfchaft ausfpricht, noch immer pia desideria find,
andere nur unvollkommen ihre Erfüllung gefunden haben.
An zweiter Stelle wird von einem Hauptwerk Zunz's,
den ,gottesdienftlichen Vorträgen der Juden' (Berlin 1832)
wenigftens die Vorrede gegeben, ebenfo nur zwei Proben
(S. 1—21: Die jüdifche Literatur u. S. 60—85: Die Sittenlehrer
) aus einem anderen Hauptwerk ,Zur Gefchichte
und Literatur' (Berl. 1845). Wir können uns mancherlei
Gründe denken, warum die Curatoren der Zunzftiftung
von einem vollftändigen Abdruck beider Werke abge-
fehen haben; immerhin wird für die meiften Käufer der
,Gefammelten Schriften' gerade diefe Lücke eine fehr
empfindliche fein. — Weiter folgen die gehaltreichen
Artikel Juden, Judenthum, jüd. Literatur und Schulwefcn'
aus Brockhaus' Converfationslexicon (Bd. VII der 9.
Auflage). Von der wichtigen .Synagogalen Pocfie des
Mittelalters' (Berl. 1855) erhalten wir leider wiederum
nur Seite 1-9 als Probe. Nr. VII enthält einen Vortrag
von 1870 über .Israels gottesdienftliche Poefie'; No. VIII

*"*c der Juden'
des Judenth.

die .Grundlinien zu einer künftigen Statiftik
raus Zunz's Zeitfchrift für die Wiffenfchaft (

reichen Druckfehlern in diefem Abfchnitt wollen wir
wenigftens die verföhnten (ftatt .verhöhnten') Rabbinen
der letzten Zeile notiren. Der Anhang des I. Bandes
bringt in kleinerem Druck 9 politifche Reden (bef. Wahlreden
und Vorträge) aus den Jahren 1848-49 und
1861—65, intereffante Denkmäler der Art und Weife, wie
fich in einem hervorragenden jüdifchen Kopfe die geiftige
Gährung jener Zeiträume wiederfpiegelte. Der zweite
Band ftellt in 20 Nummern fehr verfchiedenes Material
an Predigten, Gelegenheits- und Schulreden, Nekrologen,
Gutachten und Schulfchriften zufammen. Befondere
Hervorhebung verdient No. 1, die gefchichtliche Unterteilung
über die .Namen der Juden' (zuerft Leipz. 1837,
hier berichtigt und vermehrt); No. X, der intereffante
Nekrolog Krochmal's von 1844; No. XV das Gutachten
über die Bcfchneidung von 1844 (in durchaus confer-
vatiycm Sinne); No. XX ,Zur paläftinenfifchen Geographie
aus jüdifchen Quellen', ein weiterer Auszug aus der bereits
erwähnten Afherfchen Ausgabe des Benjamin von Tudela.
— Ausftattung und Druck (letzterer mit einer bereits oben
gerügten Ausnahme,, find vorzüglich zu nennen.

Barel. E. Kautzfeh.

1. Knapp, Diak.Jof., Gustav Friedrich Oehler. Ein Lebensbild
. Tübingen 1876, Heckenhauer. (VII, 272 S.
gr. 8.) M. 3. —

2. Bachmann, Prof. Dr. Jobs., Ernst Wilhelm Hengstenberg
. S ein Leben u. Wirken nach gedruckten und ungedruckten
Quellen dargeftellt. 1. Bd. Gütersloh
1876, Bertelsmann. (XVI, 376 S. gr. 8. m. Portr in
Lichtdr.) M. 6. —

1823); No. IX. die Vorrede zu Rebenftein's (Bernftein's) j Zwei Lebensbilder von Theologen, welche beide,
Bearbeitung des hohen Liedes (Berlin 1834). Die werth- j wenn auch in verfchiedener Art, fo doch in ähnlicher
vollen Literaturnachweife, die diefe Vorrede enthält, find , Richtung, einen bedeutenden Einflufs auf die Entwickelung
bereits von Delitzfch in feinem Commentar zum hohen ! der altteftamentlichen Studien in Deutfchland, ja übeV
Liede benutzt. Von hervorragendem Werthc ift fodann 1 dasfelbe hinaus geübt haben. Bei Hcngftenberg hat fich
No. X, die .Geographifchc Literatur der Juden von den ; diefer Einflufs bekanntlich auf die gefammte Richtung
älteflen Zeiten bis zum Jahre 1841'. Die Hebung diefes ; der evangelifchen Kirche, namentlich in Preufsen und
Schatzes ift um fo erfreulicher, als der betreffende Auf- ; Norddeutfchland, erftreckt. Deshalb find auch beide
fatz bisher nur in englifcher Ueberfetzung und zwar in i Schriften literarifch motivirt, fofern fie uns diefe Perfön-