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Ausgabe:

1877

Spalte:

272-274

Autor/Hrsg.:

Sprinzl, Jos.

Titel/Untertitel:

Handbuch der Fundamental-Theologie als Grundlegung der kirchlichen Theologie vom religionsphilosophischen Standpunkte bearbeitet 1877

Rezensent:

Wetzel, R. E.

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Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 10.

272

rafchendes Licht ftellt, ein Bild zu geben, ift hier unmöglich
. Doch mufs die durchweg in demfelben herr-
fchende Klarheit, Selbfländigkeit und Confequenz der
Gedankenentwicklung hervorgehoben werden, ebenfo
die Thatfache, dafs auch die hiftorifchen Partien (ein-
fchliefslich der confeffionellen Gegenfätze) fehr forg-
fältig und trotz der Fernhaltung alles überflüffigen lite-
rarifchen Apparats verhältnifsmäfsig ausführlich behandelt
find, fowie dafs die betreffenden Abfchnitte an vielen
Punkten auch im Einzelnen eine Berichtigung landläufiger
Vorftellungen enthalten. Allenthalben gewinnt man den
Eindruck einer dialektifchen Meifterfchaft neben einem
offenen Sinn für alle religiöfen Erfcheinungen, aber auch
den religiöfer Wärme. Was die äufsere Anordnung
betrifft, fo folgt den das Wefentliche zufammenfaffenden
Paragraphen meiftcntheils eine nähere Ausführung und
Begründung in Petit (jedoch nicht dem bekannten äugen-
mörderifchen). Insgemein wird nach einer vorläufigen
Orientirung über die Punkte, auf die es ankommt, ausgegangen
von der pofitiven Geftalt der betreffenden
Lehrftücke, wobei bald die Schriftlehre, bald die Kirchenlehre
an die Spitze tritt und die biblifch-theologifche
fowie die dogmenhiftorifche Entwicklung (bis in die
neuefte Zeit) in allen ihren Hauptmomenten vor Augen
geführt wird; darauf folgt in der Regel die kritifche
Läuterung, welche die fpeculativen Raffungen würdigt
und den religiöfen Kern herausfchäE> Das ganze Werk
zerfällt (abgefehen von der Einleitung S. 1—18) in zwei
Theile: die Principienlehre (S. 18—161) und das
Syftem (S. 161 — 873). Die Eintheilung des letzteren ift
fchon angegeben. Die Unterabtheilungen der Principienlehre
betreffen I. die Religion (1. Urfprung und Wefen
der Religion. 2. der dogmatifche Religionsbegriff, Religion
und Offenbarung. 3. das religiöfe Erkennen. 4.
die Gefchichte der Religion); II. das Chriftenthum; III.
den Proteftantismus (a. der Erkenntnifsgrund der pro-
teflantifchen Dogmatik — Wort Gottes und h. Schrift —;
b. der Realgrund — das Bekcnntnifs und die Bckennt-
nifsfchriften).

Der Standpunkt des Verf. ergiebt fich aus Obigem
zur Genüge. Es ift nicht der des vulgären Liberalismus,
wohl aber der des kritifchen Proteftantismus, welcher
die religiöfe Idee des Chriftenthums felbft von jeder
gefchichtlichen Erfcheinungsform derfelben unterfcheidet
Unter Abweifung des Deismus und des Pantheismus,
des Determinismus und des Pelagianismus, des Ebioni-
tismus und des Doketismus will auch er eine Darftellung
des Glaubens der chriftlichen Gemeinde geben; die
Hervorhebung und Würdigung des religiöfen Gehaltes,
welcher trotz aller fremdartigen Ingredientien tri der
orthodoxen Form des Chriftenthums lebe, und den Nachweis
des guten Rechts der chriftlich religiöfen Weltan-
fchauung überhaupt läfst er fich ganz befonders angelegen
fein. Dem Geifte nach kommt fein Werk der
mit Recht in hohem Anfehen flehenden Glaubenslehre
A. Schweizer's am nächften, geht aber — abgefehen von
der überfichtlicheren Gruppirung des Stoffs — auf die
Theorie des religiöfen Erkennens und überhaupt auf die
neuere Religionsphilofophie genauer ein, als jene.

Möge eine fleifsige Ausbeutung feines Buches die
Muhen des Verf. lohnen, welcher nicht, wie viele Andere,
fein Bild von dem Syftem Schleiermacher's lediglich aus
einigen Paragraphen der Glaubenslehre diefes letzteren
gewonnen hat, fondern aus einem umfaffenden, allfeitigen
Studium der Schriften desfelben, die Ergebnifse, die er
dort fand, fodahn einer Kritik unterworfen hat, hinter
welcher die der meiften Gegner und Schüler des Mannes
an Schärfe weit zurückfteht, und unter Anlehnung an
die Schleiermacher'fche Vorarbeit eine Verknüpfung
lebensvoller Myftik und fdhneidiger Dialektik vollzogen
hat, wie fie feit langer Zeit keinem Dogmatiker vor ihm
gelungen war.

Kiel. F. Nitzfeh.

! Sprinzl. Geiftl. Rath Prof. Dr. Jos., Handbuch der Fundamental
-Theologie als Grundlegung der kirchlichen
Theologie vom religionsphilofophifchen Standpunkte
bearbeitet. Wien 1876, Braumüller. (XII, 736 S.
gr. 8.: M. II. —

Das vorliegende Handbuch der katholifchen Apologetik
ift nach der Vorrede des Verfaffers das Refultat
I mehrjähriger Lehrthätigkeit an der Linzer theologifchen
I Diöcefananftalt und foll zunächft dem Studium der
1 darin behandelten Disciplin zu Hilfe kommen, zugleich
aber auch einem gröfseren Kreife des gebildeten Publi-
cums das rechte Verftändnifs der religiöfen und kirchlichen
Fragen vermitteln helfen. Ohne auf wiffenfehaft-
liche Bedeutung Anfpruch machen zu dürfen, bietet es
I in überfichtlicher Anordnung und gewandter Form
j manches Intereffante und ift recht geeignet, die Lehrweife
eines infallibiliftilohen Dogmatikers zu illuftriren.
Der Verfaffer weift der Fundamental-Theologie, die
! er auch inhaltlich nicht wefentlich von der Apologetik
unterfcheidet, dielelbe Stellung jm Organismus der theologifchen
Disciplinen an, welche zuerft Schleiermacher
I der Apologetik zuerkannt hat, und definirt fie daher
feinem katholifchen Standpunkt entfprechend als diejenige
Disciplin, welche die wiffenfehaftliche Darlegung
j der pofitiven Grundlage der katholifchen Theologie in
einer Weife giebt, dafs diefelbe für das ganze wiffenfehaftliche
Studium der katholifchen Theologie als grundlegend
erfcheint. Er beruft fich dafür, ohne Schleiermacher
's Namen auch nur zu erwähnen, auf den Vorgang
einiger neuerer katholifchen Apologeten (Schwetz,
1862, Ehrlich und Reinerding 1864). Auf die grundlegende
Bedeutung der von ihm behandelten Disciplin
kommt der Verfaffer noch einmal am Schlufs des Buches
zurück, indem er einen kurzen Ueberblick darüber giebt,
wie ihm die einzelnen theologifchen Disciplinen als durch
die Fundamental-Theologie grundgelegt erfcheinen. Er
unterfcheidet eine doctrinelle, eine praktifche und eine
hiftorifche Theologie. Zu der erfteren rechnet er aufser
Dogmatik und Moral auch das Kirchenrecht. Dagegen
verweift er — charakteriftifch für feinen katholifchen
Standpunkt — die Exegefe unter jene einleitenden Disciplinen
, die fich auf das Studium der heiligen Schrift
beziehen'.

Die Fundamental-Theologie felbft zerlegt der Verfaffer
in drei Haupttheile, Offenbarungstheorie, Beweis
I des Chriftenthums und Beweis der katholifchen Kirche.
Im erften Haupttheil behandelt er die Gottesbeweife,
das Wefen und die Bedeutung der Religion, die Möglichkeit
, Nothwendigkeit und Erkennbarkeit der Offenbarung
und fagt darüber fo ziemlich das Nämliche, was
auf dem Standpunkt einer etwas abgefchwächten Orthodoxie
etwa auch von proteftantifchen Dogmatikern gelehrt
wird. Indefs fucht er dabei fich den Schein
ftrenger Wiffcnfchaftlichkeit zu geben und fchickt daher
allem Andern eine Darlegung feines philofophifchen
Standpunkts voraus. Er bezeichnet denfelben als die
rechte Mitte zwifchen einer idealifirenden Richtung,
welche die Identität des Denkens und Seins mehr oder
weniger in das menfehliche Denken felbft verlege und
einer dualifirenden, welche das Hinanreichen des menfeh-
lichen Denkens an das objective Sein mehr oder weniger
in Zweifel ziehe und damit das Wahrdenken des Mcn-
fchen in Frage ftelle. Näher beftimmt der Verfaffer
feinen philofophifchen Standpunkt dahin, dafs er das
Wahrdenken des Menfchen beftimmt fein laffe durch die
abfolute Wahrheit, die unmittelbare Identität des Denkens
und Seins, unter deren Vermittelung und Garantie auch
für den Menfchen ein Zulämmentreffen des fubjectiven
Denkens mit dem objectiven Sein fich zu vollziehen
vermöge. Im zweiten Haupttheile will der Verfaffer
eine Philofophie der Gefchichte vom chriftlichen Standpunkt
aus geben, alfo die centrale Stellung des Chriften-