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Ausgabe:

1877

Spalte:

254-259

Autor/Hrsg.:

Nestle, Eberhard

Titel/Untertitel:

Die israelitischen Eigennamen nach ihrer religionsgeschichtlichen Bedeutung 1877

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Thcologifchc Literaturzeitung". 1877. Nr. 10.

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Die Behutfamkeit des Verf.'s zeigt (ich auch in feiner
Behandlung der ägyptifchen Chronologie. Indem er
frifchweg erklärt (S. XI), dafs hier, .infofern es die Zeit
vor der 26. Dynaftie betrifft, noch Alles zu thun übrig
ift', begnügt er fich , nachdem er die Zahl der aufeinanderfolgenden
Generationen auf Grund der Königsreihe
von Abydos und des Stammbaumes der Hofbaumeifter
(vgl. 34 ff. 754.. 765 ff-) beflimmt hat, mit den runden
Zahlen, welche die Dreitheilung des Jahrhunderts für
jedes Gefchlecht an die Hand giebt, z. B. 1300 v. Chr.
für Mineptah II, den Pharao des Auszugs (S. 582) der
Hebräer, die mit den 'Aperiu (S. 541. 582 f. 622) nichts
zu fchaffen haben. Schon die für Aegypten feftftehende
Thatfachc zahlreicher Mitregierungen (vgl. z. B. S. 114 f.
291. 470 f.) ift allerdings für chronologifche Unter-
fuchungen fo mifslich, dafs man leicht begreift, wie
Brugfch ,an der Herftellung einer zufammcnhängenden
Zeitrechnung der ägyptifchen Reichsgefchichte geradezu
verzweifeln' zu müffen glaubt.

Einleuchtender als der Vorfchlag, das dunkle mis-
kettoth in Exod. 1, II, welches man gewöhnlich nach
dem Semitifchen von Magazinen verfteht, aus dem Aegyp-
tifchen (S. 549. 753) als ,Tempel' zu erklären, find zahlreiche
geog rap hifcheBemerkungen unferes Verfaffers,
z. B. über Mazor S. 16. 189 und über Naphtuchim S. 262.
Der Raum geftattet mir nicht, auf alle guten geographi-
fchen Beftimmungen (vgl. befonders S. 255. 269 ff. 331 ff.
450 ff. 661 ff.) der Reihe nach hinzuweifen. Kein Exe-
get des Alten Teftaments darf die geographifche Ausbeute
, welche Brugfch hier gewährt, aufser Acht laffen.
Das dem Werke angehängte (S. 781—818), von stud. phil.
Ehrlich forgfältig gearbeitete Namen-Regifter erleichtert
Jedem, der trotz der wechfelnden Namensformen crnft-
lich fuchen will, das Finden der geographifchen Bezeichnungen
aufserordentlich. Ift auch Karfchemifch (S. 598)
wohl nur Druckfehler für Karchemifch, fo finden wir
doch S. 270 als Namen diefer Stadt des oberen Euphrat
Qir-Kamofch, ,d. h. die Stadt des [Gottes] Kamofch',
S. 335 Karikaimefcha (dafür giebt Ebers, Z. D. M. G.
1876, S. 410 Qariqamiäsa), ferner S. 339 Qir-qamifcha,
S. 492 Qir-Qamofch, S. 501 Qarkemifch, S. 502 Kirka-
mifch, S. 506 Qarqamafch, und im Unterfchiede von all
diefen Namensformen für die aus Jes. 10, 9 u. Jer. 46, 2
bekannte, aber fchwerlich nach dem Moabitergott benannte
Stadt lefen wir S. 604: ,Karkamafch (Coracefium
in Cilicien)'.

Gern möchte ich dem Lefer einen Begriff davon
geben, wie das vorliegende Werk, befonders die zahl-
lofen altägyptifchen Texte, neben welchen Brugfch auch
einige affyrifche Keilinfchriften nach J. Oppert (S. 717 ff.
755 f.) mittheilt, für die biblifche Alterthumskundc
im weiteften Sinne des Wortes bald unmittelbare oder
mittelbare Ausbeute liefern, bald wenigftens Gelegenheit
zu anregenden Vergleichungen darbieten. Der grofse
Reichthum des bunt wechfelnden Stoffes mag durch die
folgenden Nachweifungen cinigermafsen angedeutet werden
. ' Ueber die Befchneidung vgl. S. 575 ff., über femi-
tifche Götterfpuren (z. B. Refchpu; in der altägyptifchen
Glanbenslehre S. 199 f., über die Semiten in Aegypten
S. 208 ff., befonders S. 239, über Pharao's Beamte
S. 53. 621 ff. 632 f., über Jofeph's »Erhebung unter einem
der Hykfoskönige' S. 243 ff., über die merkwürdige
Uebereinftimmung von ,Frau Putiphar' mit ,Frau Anepu'
S. 249 ff., über die PVohnvögte S. 357 ff. 541, über einen
Ketzerkönig S. 419 ff, die Macht der Prieftcr S. 438 ff.
469 f. 642 ff., eine Haremsverfchwörung S. 609 ff., über
verhängte Selbfttödtung S. 609. 617, Abfchneiden der
Nafen "und Ohren S. 615, Küffen des Bodens S. 85, über
Traumdeuter S. 709, Talismane für jeden Körperthcil
S. 702, Dämonenglaubc S. 740, über das vollkommenfte
Alter von HO Jahren S. 22. 414, Darbringung der Erft-
lingc S. 185, Tugcndftolz im Gebete S. 504 f., Flüche
S. 413, über das Land Punt und feine Schätze S. 109 ff,

280 ff., über das zwifchen dem Könige der Chita und
Ramfes II, dem Bedrücker Ifraels, abgefchloffene, auf
eine Silbertafel (S.518 f.) gefchriebene Schutz- und Trutz-
bündnifs mit der Bedingung gegenfeitiger Auslieferung
und Straflofigkeit der Flüchtlinge S. 525, über die von
Thutmes III in Afien gemachte Beute, z. B. Stühle und
Fufsfchemel aus Elfenbein und Cedernholz, grofse Tifche
von Cedernholz, ausgelegt mit Gold und Edelfteinen
S. 304, über desfelben Pharao Tempelbauten und die
grofsen Steinthore mit ,Thüren aus ächtem Akazienholz,
befchlagen mit Goldblech, verbunden durch fchwarzes
Erz (d. h. Kupfer) und Eifen' S. 362 (vgl. S. 712 die
Zargen aus Eifen), über das Fällen der von Seti I für
den Amonstempel in Theben beftimmten Gedern des
Libanon S. 463 f., über Kunflfertigkeit und Kriegsführung
der alten Vorderafiaten, von denen die Aegypter Wagen
und Roffe brauchen lernten, S. 271 ff, über die Infel
des Mofche S. 563 und die Aegypter Pinehas und Lui
(d. i. Levi) als Zeitgenoffen Mineptah's II S. 584, über
das hohe Alter medicinifcher Schriften S. 60, des Bergbaues
auf der Sinai-Halbinfcl S. 66 f., über die Bedeutung
der ägyptifchen und vorderafiatifchen Kunfl S. 169 ff.,
370. 435. 468. 738 f., über Schafchanq I (Schifchaq der
Bibel) als Sohn des affyrifchen Grofskönigs Naromath
(S. 630) oder Nemaroth (Nimrod) S. 659 ff., über die
Wichtigkeit der heutigen Sprache der nubifchen Barabra
für die Erklärung der äthiopifchen Königsnamen S. 731 ff,
wonach Schaba-k ,dcr Kater' bedeuten foll (hebr. Sewe
dasfelbe, aber ohne Artikel), Schab-ata-k ,der Katers-
fohn', Nimr-ato (Nimrod) ,Panthersfohn', während ,der
vollftändigfle Beweis' für den Namen Pfamethik gleich
,Sonnenfohn' ,an einem anderen Orte' in Ausficht geftellt
wird. Doch ich breche ab und wünfehe dem trotz des
vielen Hypothctifchen äufserfl lehrreichen Werke von
Brugfch recht viele fleifsige Lefer.

Bonn. Ad. Kamp häufen.

Nestle, Dr. Eberh., Die israelitischen Eigennamen nach
ihrer religionsgeschichtlichen Bedeutung. Ein Verfuch.
Von der Teyler'fchen Gefellfchaft gekrönte Preis-
fchrift. Haarlem 1876, de Erven F. Botin. Leipzig,
Harraffowitz. (VIII, 215 S. gr. 8.) cart. M. 3. 60.

Die mit übergrofser Befcheidenheit als ,ein Verfuch'
fich bezeichnende Schrift ift die gekrönte Beantwortung
der von der Teyler'fchen Stiftung für das Jahr 1875 mit
glücklichem Griff und richtigem Tacte geftellten Preisaufgabe
: ,Was lehren uns die altteftl. Eigennamen über
dieGefchichte der Religion unter dem ifraelitifchen Volke'.
Der Verfaffer, der den Lefern der Literaturzeitung bereits
durch eine Reihe forgfamer Recenfionen bekannt ift,
bietet mit diefer Arbeit den Fachgenoffen zum erften
Mal eine felbftändige Leiftung. Die Beantwortung der
geftellten Frage ift in die bellen Hände gefallen: Ncftle
ift an feine Aufgabe herangetreten mit umfaffender phi-
lologifcher Ausrüftung und hat fich durch die Löfung
als einen befonnen urtheilenden Hiftoriker erwiefen.
Seine Schrift füllt eine bisher in den Unterfuchungen
zur altteftl. Theologie vorhandene Lücke in dankens-
werther Weife aus; wenn an manchen Punkten weniger
pofitiveErgebnifsezuTage gefördert wurden, als man von
vornherein erwarten könnte, fo ift auch das negative
Rcfultat ein Gewinn. Keine wichtigen Momente des
weitfehichtigen Gebietes Rheinen uns übergangen; die
einfehlägige Literatur ift — fo weit wir fehen — voll-
ftändig berückfichtigt, und nur das Eine mag hier wer
will als übergewiffenhaft tadeln, dafs der Verf. auch die
werthlofe Tagesliteratur mit feltener Aufmerkfamkeit
regiftrirt hat bis hinein in die unbedeutendften Recenfionen
. Mit grofser Vorficht wägt er die aufgeftellten
öder fonft noch denkbaren Meinungen ab — eine Tugend,