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Ausgabe:

1877 Nr. 1

Spalte:

5-9

Autor/Hrsg.:

Cook, F. C. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

The Holy Bible according to the authorized Version (A. D. 1611), with an Explanatory and Critical Commentary and a Revision of the Translation by Bishops and other Clergy of the Anglican Church 1877

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Theologifche Literaturzeitung 1877. Nr. 1.

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Aufgabe bleibt hier fo gut wie unbeachtet, wenigftens in
der Erklärung der beiden erften Evangelien ; eine lobcns-
werthe Ausnahme macht nur die Erklärung des Lucas.
— Entfchiedene Rüge verdient es, dafs in der Erklärung
des Marcus die Parallclftellen nicht einmal notirt
find!

Ref. ift um des weiten Leferkreifes willen, an welchen
das Werk fich richtet, auf deffen Mängel näher
eingegangen. Er wünfeht und hofft, dadurch an feinem
Theile dazu beizutragen, dafs diefe Mängel bei der Fort-
fetzung möglichft vermieden werden. Es wird namentlich
für die Auslegung der Briefe von der gröfsten Wichtigkeit
fein, dafs he fich ftrenger an den Text hält, als
das bisher gefchehen ift.

Der Verlagshandlung gebührt für die vortreffliche
Ausftattung der wärmfte Dank. Der Preis ift trotz der-
fclben ein äufserft mäfsiger. Das Neue Tcftament, welches
2 Bände umfaffen foll, wird nur auf etwa 10 Mark
zu ftehen kommen.

Leipzig. E. Schürer.

The Huly Bible aecording to the authorized Version (A.
D. 1611), with an Explanatory and Critical Commen-
tary and a Revision of the Translation by Bishops
and other Clergy of the Anglican Church. Edited
by F. C. Cook, M. A., Canon of Exeter , Preacher
at Lincoln's Inn, and Chaplain in Ordinary to the
Queen. London, John Murray. Vollendet das Alte
Tcftament in 6 Bänden 1871—76. 8.

Obiges ift der genaue Titel des Werkes, das in England
bei feinem erften Erfcheinen gewöhnlich kurzweg
der neue Bibelcommentar {The New Bible Commentary)
genannt wurde, feither aber in Buchhändleranzeigen, wie
in Recenhonen und Citaten regelmäfsig als The Speaker s
Commentary bezeichnet wird, und unter diefem Namen
auch auf dem Continent einigermafsen bekannt geworden
ift. Wie aus der kurzen Vorrede des erften Bandes er-
hchtlich, kommt diefe auf den erften Blick auffallende
Bezeichnung daher, dafs das Unternehmen durch den
letzten Präfidenten des Haufes der Gemeinen, J. Evelyn
Denison [Viscount Ossington] {Speaker von 1857—72,
ltarb 1873) angeregt worden ift. Das war ums Jahr 1864,
als die Wellen der durch das Erfcheinen von Colenfo's
Werk über den Pentateuch und der Oxforder Essays
and Reviews hervorgerufenen Bewegung in Folge des
gegen zwei der Effayiften Williams und Wilfon, fowie
gegen Colenfo eingeleiteten Verfahrens noch einmal be-
fonders hoch gingen, welch fpecieller Anlafs in der Vorrede
fclbft übrigens nicht angedeutet ift. Mufs es fchon
damals in Deutfchland nicht leicht verftändlich gewefen
fein, wie die genannten Werke eine folche, alle Kreife
durchdringende Bewegung hervorrufen konnten, fo ift
das heute noch fchwieriger, und der ganze Unterfchied
zwifchen beiden Ländern tritt klar vor uns, wenn wir
den Gedanken zu vollziehen fuchen wollten, dafs der
gegenwärtige Präfident des preufsifchen Abgeordneten-
haufes oder Deutfchen Reichstags ein im Namen der
evangelifchen Kirche Dcutfchlands herauszugebendes
exegetifches Bibelwerk vcranlaffen würde. In England
fand der Gedanke Beifall, insbefondere von Seiten der
Bifchöte; eine Commiffion wurde gebildet, die Bibel in
Sectionen eingetheilt, für deren Bearbeitung die geeig-
netften Kräfte ausgefucht, die Herausgabe dem gelehrten
Canon Cook übertragen, dem zur Berathung in nöthigen
Fällen ein Comite, beftehend aus dem Erzbifchof von
York, und den beiden Regius-Profefforen der Theologie
in Cambridge und Oxford zur Seite gegeben wurde.
Nach ungefähr heben Jahren wurde 1871 der erfte Band
ausgegeben, deffen Erfcheinen durch den Tod mehrerer
Mitarbeiter verzögert worden war; feit kurzem liegt das

Alte Teftament in fechs ftattlichen Bänden, von 21 Bearbeitern
, beendigt vor; die Ausgabe des Neuen in
4 Bänden von 18 Mitarbeitern ift als bevorstehend angekündigt
. Es ift daher jetzt wohl der richtige Zeitpunkt,
eine kurze Befprechung der bisher erfchienenen Bände
zu geben, und Anlage, Zweck und Richtung des ganzen
Werkes zu charakterifiren.

Die Einrichtung des Werkes ift die, dafs jedem einzelnen
biblifchen Buch eine Einleitung vorausgefchickt
wird, welche die kritifchen Fragen über Alter, Verfaffer,
Authenticität, Einheit u. f. w. kurz befpricht; fodann
wird der Text der autorifirten englifchen Ueberfetzung
vom Jahr 1611 in zwei Columnen und Versabtheilung
abgedruckt, und auf jeder Seite unter dem Text die
nöthige Erklärung zu den einzelnen Verfen gegeben,
wobei die Verbefferungen der Ueberfetzung durch stärkeren
Druck kenntlich gemacht werden; über streitige
und wichtigere Punkte endlich werden ausführlichere
Auseinanderfetzungen am Ende der betreffenden Kapitel
gegeben und im Inhaltsverzeichnifs befonders aufgeführt
Das Ganze ift fehr gut gedruckt, das Titelblatt fchön in
roth und fchwarz, felbft Holzfchnitte fehlen nicht, wenigftens
im ersten Bande (Stiftshüttc, Karten zur Wüften-
wanderung, Sinai); das Papier ift ausgezeichnet, überhaupt
die ganze Ausftattung eine der englifchen Staatskirche
durchaus entfprechende. Ob in gleicher Weife auch
der Inhalt dem von der englifchen Kirche im Ganzen,
fowohl Geistlichen als Laien gegenwärtig eingenommenen
Standpunkt entfpricht, ift eine Frage, die zu entfeheiden
Ref. nicht wagen kann. Nach der Art, wie das Werk
entstanden ift, von einem der hervorragendsten Laienmitglieder
der englifchen Kirche veranlafst, und
unter der Aufficht eines Erzbifchofs und der theolo-
gifchen Profefforen, von Bifchöfen und Geistlichen der
Kirche herausgegeben, follte man glauben, in dem Werk,
wenn nicht den officiellen fo doch den offieiöfen Ausdruck
deffen finden zu dürfen, was die englifche Kirche
des neunzehnten Jahrhunderts über das Alte Tcftament
lehrt, und was demnach die Mehrzahl ihrer Mitglieder
von demfelben hält. Wir dürfen aber nicht vergeffen,
dafs es gegenwärtig innerhalb der englifchen Kirche doch
eine ziemlich ftarke Partei giebt, unter Geistlichen und
Laien, die mit der im Speaker's Commentar vertretenen
Richtung nicht einverstanden fein kann; um zwei Vertreter
zu nennen, unter den Theologen Stanley, der Dean
von Weftminfter, als Laie Matthew Arnold, der fich das
Recht, trotz feiner freifinnigen Anfchauungen als Laienmitglied
(nicht als Geistlicher) der englifchen Kirche anzugehören
nicht abstreiten läffen will. Die Richtung des
Werkes ift nämlich eine durchaus confervative, der Zweck
desfelben ein apologetifcher. In der Vorrede wird derfelbe
dahin bestimmt: es folle jedem Gebildeten eine Erklärung
aller der Schwierigkeiten geben, die fein eigener Geht
vorbringen könne, und aller der neuen Einwürfe, die
gegen ein einzelnes Buch oder eine einzelne Stelle der
Bibel erhoben worden feien; weiter foll es genügende
Antworten gegen diejenigen Einwürfe an die Hand bieten,
welche auf falfcher Darfteilung des heiligen Textes
beruhen (misrepresentations S. 1.) Dabei haben fich
aber die Bearbeiter die Frage kaum oder gar nicht gestellt
, ob die von der traditionellen Auffaffung abweichende
Darfteilung, die fie eben darum einfach als falfch
bezeichnen, nicht die richtige fein oder nicht wenigftens
einige Wahrheit in fich haben könne, und daher ilt das
ganze Werk von Anfang an mit der Erbfünde der Apologetik
behaftet, nicht frei und nicht aufrichtig zu fein.
Wir leugnen nicht, dafs in dem Werk viel Gelehrfamkeit
fteckt, aber diefe Gelehrfamkeit wird nicht zur Erfor-
fchung der Wahrheit verwendet, fondern mifsbraucht,
um die traditionelle Anfchauung vom Alten teftament
um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Und in diefem
Bestreben fcheuen fich einzelne der Bearbeiter (einige
machen eine lobenswerthe Ausnahme) keineswegs, von

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