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Ausgabe:

1877 Nr. 9

Spalte:

225-226

Autor/Hrsg.:

Enders, Ernst Ludwig (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Dr. Martin Luther’s Sämmtliche Werke. 16. Bd.: Vermischte Predigten. 1. Bd., enthaltend die Predigten vom Jahre 1518 bis 1522. 2. Aufl 1877

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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225

Theologifche Literaturzeitung. 1877. Nr. 9.

226

Studie: ,Ottokar II und das Erzbisthum Salzburg' hin-
gewiefen fein.

Die objective befonnene Haltung des Verf. in den
von ihm behandelten heikelen Fragen kirchenrechtlicher
Natur, der überall hervortretende Wunfeh, eine Verftän-
digung zwifchen Staat und Kirche zu erzielen, die bei
den Hiftorikern im Ganzen nur noch feiten zu findende
Würdigung des kirchlichen Factors machten die vorgenannten
Abhandlungen dem Ref. lieb, der fie daher
einem gröfseren Leferkreis mit diefer fummarifchen Be-
fprechung beftens empfohlen haben will.

Strafsburg. R. Zoepffel.

Luther's, Dr. Mart, Sämmtliche Werke. 16. Bd. fi. Abth.
Homiletifche und katcchetifche Schriften. 16. Bd.]
A. u. d. T.: Vermifchte Predigten. Hrsg. v. Pfr.
Ernfl Ludw. Enders. i.Bd., enthaltend die Predigten
vom Jahre 1518 bis 1522. 2. Aufl. Frankfurt a. M.
1877, Heyder & Zimmer. (XVI, 543'S. 8.) M. 4. —

Nach mehrjähriger Paufe ift endlich wieder von der
2. Auflage der Werke Luther's in der Erlanger Ausgabe
ein neuer Band crfchienen. Die erfte Auflage hatte bekanntlich
vorwiegend das praktifche Bedürfnifs im Auge
und follte ihm dienen. Darüber kam die wiffenfehaftliche
Verwendbarkeit des gebotenen Textes allerdings etwas
zu kurz. Dicfem Mangel hilft die 2. Auflage, die in
trefflicher Weife von E. L. Enders, Pfarrer zu Oberrad
bei Frankfurt a. M., beforgt wird, jetzt fo ab, dafs allen
billigen Anforderungen Genüge gefchieht. Mit Band 15
fchlofs 1870 der Neudruck der Haus- und Kirchenpoftille.
Der Herausgeber gab am Ende diefes Bandes noch eine
fehr dankenswerthe chronologifch geordnete Zufammen-
ftellung der in der Kirchenpoftille enthaltenen Predigten,
foweit folche aus den Einzeldrucken beftimmbar find, fo
dafs man dadurch nun im Stande ift, bei vielen Aeus-
ferungen Luther's zu erkennen, aus welcher Zeit fie
flammen. Die nächften Bände 16—20 follen unter dem
Titel ,Vermifchte Predigten' diejenigen bringen, die fich 1
weder in der Haus- noch in der Kirchenpoftille finden.
Dies gefchah in der 1. Auflage, eben mit Rückficht auf
den praktifchen Gebrauch, fo, dafs die Predigten nach
dem Kirchenjahre geordnet wurden. Der neue Herausgeber
hat einen richtigeren Weg eingefchlagen, und j
giebt fie in chronologifcher Reihenfolge, für den wiffen-
fchaftlichen Gebrauch ein entfehiedener Gewinn. Ebenfo
ill es nur zu billigen, dafs er überall, wo es möglich
war, die älteften Drucke zu Grunde gelegt und fie mit
einander und der erften Wittenberger und Jenaer Ausgabe
verglichen hat, um die für Inhalt und Wortlaut [
des Textes wichtigen Varianten verzeichnen zu können.
Es ift eine mühfame, aber dankenswerthe Arbeit ge- |
wefen, welcher er fich damit unterzogen hat; und auch
in der fchwierigen Correctur hat er fehr Anzuerkennendes
geleiftet. So weit ich fehe, ift nur S. 25 Z. 20 v. ob.
würdeft, und S. 519 Z. 15 v. u. mit ftatt nit zu beffern.

Der vorliegende 16. Band enthält nun die Predigten
aus den Jahren 1518—22, darunter von 1520 den bedeutenden
,Sermon von guten Werken', das treffliche
Vorfpiel der drei grofsen Reformationsfchriften desfclben
Jahres. Dem Jahre 1518 wird der ,Sermon von der Bufse'
zugewiefen. Dies fcheint mir zu beanftanden zu fein. Freilich
trägt es, wie der Herausgeber richtig bemerkt, nicht
viel aus, dafs wir keinen Druck von 1518 haben; das
kann zufällig fein. Aber der ganze Inhalt des Sermon's
fcheint mir mehr für 1519 als für 1518 zu paffen, wo
Luther mit anderen Dingen zu fehr befchäftigt war. Die
Auslegung von Matth. 16, 18z.B. erinnert fehr an die 1519
bei der Leipziger Disputation gegebene. Auch wird
& 36 gefagt, der Sermon vom Ablafs fei .längft' ausgegangen
. Der erfte Druck follte nach der Widmung S. 35
etliche' Sermone, auch von der Taufe und dem h. Leichnam
, enthalten, fo dafs man wird annehmen müffen, er
fei verloren gegangen. — Für das Jahr 1521 giebt diefer
Band S. 301 ff. einen im Corp. Reform, nicht gedruckten
Zufatz Melanthon's zu einer Luther'fchen Predigt: ,Wie
man verftehn foll, der Glaub thuts Alles'. Im nächften
Jahre finden wir eine ziemliche Anzahl von Predigten,
die bisher in den Sammlungen der Werke Luther's noch
nicht gedruckt waren, und fie machen diefen Band be-
fonders anziehend. Es find vielfach Predigten, die von
Anderen nachgefchrieben und herausgegeben, als Einzeldrucke
unter das Volk gingen. Da mag hie und da der
Wortlaut etwas geändert fein, im Ganzen tragen fie doch
durchaus das Gepräge Luther's. Sie ziehen dabei nicht
nur durch den Inhalt, fondern auch durch ihre fprach-
liche Form an. Man trifft in ihnen manche neue Sprach-
geftalten und treffliche Ausdrücke, von denen es fehr
zu bedauern ift, dafs wir fie nicht mehr im Gebrauch
haben. Ein guter Theil diefer Predigten bildet eine
Grundlage der Kirchenpoftille, indem fie fpäter in oft
ftark eingreifender Umarbeitung diefer einverleibt wurden.
So find fie in ihrer hier gegebenen urfprünglichen Faffung
auch für die Gefchichte der Kirchenpoftille nicht ohne
Bedeutung. Endlich find jetzt in die Sammlung auf
genommen die 1522 von Luther in Weimar gehaltenen
Predigten, die zuerft 1846 von W. Hoeck nach
einer Wolfenbüttler Handfchrift veröffentlicht wurden.
Aus derfelben Quelle ftellt der Herausgeber für die
nächften Bände noch weitere Inedita in Ausficht und
verheilst fchliefslich, wenn die ,Vermifchten Predigten'
gedruckt feien, eine neue Ausgabe des lateinifchen Brief-
wechfels Luther's. Dies ift befonders erfreulich, und alle,
die in der Reformationsgefchichte arbeiten, werden ihm
dafür aufrichtig dankbar fein, aber allerdings nur dann,
wenn er es nicht bei einem blofsen Abdruck bewenden
läfst, fondern auch die nothwendigen Verweifungen und
Anmerkungen beifügt. Erft dadurch wird das Material
recht nutzbar werden; ohne das bleibt der Fortfehritt
über de Wette-Seidemann-Burkhardt hinaus nur ein
mäfsiger.

Auf Einzelheiten im vorliegenden Bande einzugehen
ift hier nicht der Ort, obwohl es an lockendem Anlafs
dazu nicht fehlt. Nur Eins möge berührt werden. Im
Jahre 1522 fagte Luther in einer zu Erfurt gehaltenen
Predigt (S. 438; 1. Aufl. Bd. 18, 242): .Wenn es mit
Titel ausgericht ift, fo bin ich auch ein Baccalaurius hie
worden, und darnach Magifter, und wiederumb Baccalaurius
. Ich bin auch mit ihn in die Schul gangen'.
Er redet hier von dem, was er in Erfurt gethan und
erreicht habe und nennt darunter auch eine zweite, alfo
die theologifche Baccalaureatspromotion. Darin täufchte
ihn nun fein Gedächtnifs, denn theologifcher Baccalaureus
ward er nach urkundlichem Zcugnifs in Wittenberg. Aber
immerhin bleibt feine Angabe beliehen, dafs er in Erfurt
einen theologifchen Grad erlangt habe, und infofern darf
man diefe Worte als eine Beftätigung der Köftlin'fchen
Entdeckung anfehen, dafs Luther Sententiarius nicht in
Wittenberg, fondern in Erfurt ward.

Erlangen. G. Plitt.

Mezger, Antiftes Prof. J. J., Geschichte der deutschen
Bibelübersetzungen in der schweizerisch-reformirten
Kirche von der Reformation bis zur Gegenwart. Ein
Beitrag zur Gefchichte der reformirten Kirche. Bafel
1876, Bahnmaier. (XV, 428 S. gr. 8.) M. 6. 80.

,Mit Geift und Gründlichkeit behandelt' — diefes
von dem Verf. felbft gelegentlich einem anderen Werke
gefpendete Lob darf auch auf fein eigenes im vollen
Mafse angewandt werden, und je nachdrücklicher gerade
gegenwärtig an die dazu Berufenen die Forderung herantritt
, den evangelifchen Gemeinden das Schriftwort in
möglichft treuer Geftalt in die Hand zu geben, um fo