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Ausgabe: | 1876 Nr. 6 |
Spalte: | 158-160 |
Autor/Hrsg.: | Kautzsch, Emil |
Titel/Untertitel: | Die Aechtheit der Moabitischen Alterthümer geprüft 1876 |
Rezensent: | Euting, Julius |
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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 6.
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erfüllt, indem er als guter Exeget und unbekümmert um
alle gefchichtliche Glaubwürdigkeit die ATliche Bericht-
erftattung in der dermaligen Geftalt der verfchiedenen
Geschichtsbücher zur Darfteilung bringt und, ebenfo charaktervoll
als gewiffenhaft, eine rationalifirende Abfchwä-
chung der hageldicht auf einander folgenden Mirakel in
der Regel verfchmäht.
Kehren wir nun zu S. 474 zurück, fo lefen wir, dafs
die Angaben über die zweimal zwölf Steine in Jos. 4 aus
verfchiedenen Quellen ftammen, fich aber trotzdem nicht
gegenfeitig ausfchliefsen, indem R einfach der allgemeinen
(?) Ueberlieferung folge, die ein folches Denkmal fowohl
im Jordan als auch auf feinem Weftufer gekannt habe.
Die Abficht des Redactors geht allerdings dahin, beide
Berichte neben einander zur Anerkennung zu bringen;
aber diefe Zufammenfaffung ift die Combination eines
die von einander abweichenden Berichte harmonifirenden
letzten Verfaffers, und allein durch dogmatifche Infpira-
tion weifs K., dafs die Doppelheit der Denkmäler ,einc
damals allgemein angenommene Thatfache' gewefen fei.
Angefichts der unleugbaren Thatfache, dafs unfere foge-
nannte Apologetik nicht davor zurückfchrickt, alle 3 Berichte
von Bewahrung einer Patriarchenfrau an einem
heidnifchen Hofe (vgl. S. 119. 129) als gefchichtliche feft-
zuhalten, hege ich zur Confequenz diefer Apologetik,
welche ja Anticipationcn und heilige Zahlen liebt, das
gute Vertrauen, dafs fic auch mit einem dritten Dutzend
von Steinen fertig geworden wäre, falls eine dritte Quelle
etwa 12 Steine auf dem Oftufer des Jordan erwähnt hätte.
Doch um wieder ernfthaft zu fprechen, wer fich durch
das Dogma den Mafsftab des hiftorifch Glaubwürdigen
aus der Hand winden läfst und nur darauf fein Augenmerk
richtet, ob verfchiedene Dinge fich logifch nebeneinander
denken laffen, der beraubt fich damit grundfätz-
Hch des gefunden hiftorifchen Urtheils. Ferner behauptet
K. S. 474 zu Gunften der unnatürlichen Deutung von
Gilgal als ,Abwälzung' frifchweg, zu jeder andern Erklärung
fehle es ,an einem zureichenden Grunde', vgl. S.
42 ff. 67. 70; was es aber mit diefen volksthümlichen
Namendeutungen auf fich hat, zeigt ja fchon die naive
Vorausfetzung des Pcntateuchs, dafs bereits die Proto-
plaften Hebräifch gefprochen hätten. Die Spielerei S. 36
Note 1 erinnert unwillkürlich an das chriftliche Adam-
buch (Ewald's Jahrbb. 5, S. 57). Was den Wüftenzug
betrifft, fo haben die 2 Millionen (S. 198. 288 ff. 471)
Ifraeliten (nach S. 160 befand fich unter der mit Jakob
nach Aegypten überfiedelnden Menge etwa Ein Procent
wirklicher Nachkommen Jakobs) während des 37jährigen
Umherirrens der dicht zufammengefchaarten Maffe in der
Wüffc, oder vielmehr (S. 255) 40 Jahr lang fich hauptfächlich
von dem wunderbaren Manna genährt, vgl.
S. 469 Note 2. Auf dem Papier läfst fich diefe ungeheure
Menfchenmaffe leicht in Einem Lager unterbringen,
wie man auch ausrechnen kann (S. 92 f.), dafs von Noah's
drei Söhnen in 367 Jahren fich eine I'lrdbcvölkerung von
etwa 292,968750 Seelen ableiten mag. Sehen wir aber
auf die gefchichtliche Wirklichkeit, fo ift fogar die Ebene
et Rä/ia für das auf S. 266 Erzählte viel zu klein (vgl.
S. 248), und dicfelbe Unmöglichkeit der zwei Millionen
ergiebt fich beim Durchgang durch's rothe Meer (S. 202,
vgl. S. 216 und 472), welche ,ganze Plrzählung auf dem
Boden des Wunders ruht'. Trotzdem beruft fich K. für
die Möglichkeit des Durchzugs auf Robinfon und Bunfen,
deren Berechnungen (vgl. auch Herzog's RE. 9, S. 243),
nachdem ein wirklicher Rechenmeifter wie Colenfo (vgl.
z. B. I, S. 46) die gewöhnliche Meinung ad absurdum
geführt hatte, doch nur noch als Curiofitäten gelten konnten
. Sehr bemerkenswerth ift ferner, dafs Mofes auf
dem Sinai im Ganzen über 4 Monate (dreimal 40 Tage,
vgl. S. 275. 283 f.) ohne Speis und Trank zugebracht hat;
dafs Jofua, lediglich durch Gottes wunderbare Machtwirkung
' wenigftens 6 Tage am Leben erhalten wurde,
geht aus dem Zufammenhang von S. 272 deutlich hervor.
j Treffend fagt K. S. 23, dafs ,von göttlicher Offenbarung
j nur religiöfe Erkenntnifse zu erwarten find'; ift denn der
Satz (S. 22), dafs Pflanzenwuchs die Erde bedeckte, bevor
ein Sonnenftrahl fie traf, wirklich ein Beweis dafür, dafs
das Wiffen um den Schöpfungshergang durch directe
] Offenbarung zu den Menfchen gelangte? Während die
richtige Exegefe von Gen. 1, 1—3 (vgl. Dillmann) ebenfo
unerwähnt bleibt wie Jofeph's Diebftahl (Gen. 40, 15),
lefen wir S. 26 die wunderliche Hypothefe, dafs über
die Dauer der Schöpfungswoche nichts ausgefagt fei und
wir nicht wiffen, ob die einzelnen Tage Millionen von
Jahren oder fecundenlang währten. Ich bin der Meinung,
1860 in SchenkeTs Zeitfchrift (Heft 5, S. 26 f.) den mathe-
matifchen Beweis geführt zu haben, dafs es gewöhnliche
Tage waren; K. fagt, dafs nicht aftronomifche Tage zu
verftehen feien, fondern Arbeitstage Gottes, durch die
göttliche Arbeit begonnen und von einander abgegrenzt.
Dabei ift aber nicht recht klar, wie der fiebente Tag,
deffen Dauer doch diefelbe wie die der vorigen Tage
der Woche fein mufs, ohne göttliche Arbeit anbrechen
(S. 32) kann. Schwerlich bricht nach S. 26 der Sabbath-
morgen damit an, dafs Gott nicht nur in feiner fchöpfe-
rifchen Thätigkeit eine Paufe macht, fondern es auch
unterläfst, das Gcfchaffene zeitweilig eigener Entwicke-
lung zu überlaffen; eher wird nach der Meinung des Verfaffers
, der den Sabbath auch durch gehäufte Manna-
Wunder (S. 253) eingefchärft glaubt und ihn fchon durch
Adam (S. 429) beobachtet weifs, der Sabbathmorgen
damit anbrechen, dafs Gott ein neues Gebilde (die Sabbath-
feier?) hervorzubringen beginnt.
Obwohl meine Zuftimmung diefem mit Liebe und
Sorgfalt gearbeiteten und durch gerne von mir anerkannte
Vorzüge ausgezeichneten reichhaltigen Lehrbuche nur
unter ftarken Einfchränkungen zu Theil werden konnte,
fehe ich doch mit Freuden der zweiten Hälfte desfelbcn
entgegen, überzeugt, dafs die Befchaffenheit der Quellen
für die Königszeit dem Verfaffer feine Arbeit dankbarer
machen wird.
Bonn. Adolf Kamphaufen.
Kautzsch, Prof. E., und Socin, Prof. A., Die Aechtheit
der Moabitischen Alterthümer geprüft: Mit zwei Tafeln.
Strafsburg 1876, Trübner. (VIII, 191 S. gr. 8.) M. 4. —
Der Gegenstand, um deffen Prüfung es fleh in der
vorliegenden Schrift handelt, find die angeblich aus Moab
flammenden Steininfchriften und Thonwaaren, welche erft
feit 1872 maffenhaft in Jerufalem aufgetaucht, durch die
Hand des dortigen Buch- und Alterthumshändlers Scha-
pira gegangen und auch gröfstentheils von ihm verkauft
worden find. Im Moment beläuft fich ihre Zahl, wenn
ich recht berichtet bin, zwifchen 4400 und 4500 Stück.
Ein Theil davon (etwa 1700 Nummern) befindet fich in
Berlin; es ift aber unrichtig, dafs diefelben, wie es da
und dort heifst, von den Vorftänden des k. Mufeums da-
felbft angekauft worden find. Ein anderer grofser Theil
befindet fich noch in Jerufalem; wieder andere Stücke find
zerftreut im Privatbefitz.
In die Unterfuchung haben fich die zwei Verfaffer
in der Art getheilt, dafs Socin die äufsere Beglaubigung,
Kautz fch dagegen die inneren Gründe für die Aechtheit
einer eingehenden und fkeptifchen Prüfung unterzieht.
Auffallend ift vor Allem das plötzliche und maffen-
hafte Auftreten der moabitifchen Alterthümer. Frühere
Reifende, wie befonders die Archäologen de Saulcy,
der Herzog von Luynes und Palm er konnten trotz
eifriger Erkundigungen in Moab kaum ein paar Thon-
fcherben und ein Basrelief, jedoch fämmtlich ohne In-
fchriften, auftreiben. Socin weift nach, dafs der Grund
für die rapiden Fortfehritte der Auffindung und Feilbietung
diefer Alterthümer in dem allenthalben entgegengebrachten
Intereffe für die neuen Entdeckungen auf dem
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