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Ausgabe:

1876

Spalte:

147-148

Autor/Hrsg.:

Wackernagel, Ernst

Titel/Untertitel:

‘Für Euch’. Beicht- und Abendmahlsreden als e. Handreichg. f. das geistliche Amt u. die Privaterbauung 1876

Rezensent:

Lindenberg, H.

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147

148

Ritfehl, wenn nicht zum erften Male begonnen, fo doch
lehr energifch aufgenommen. Dafs diefelbe eine nützliche
fei, wird unter evangelifchen Theologen niemand
läugnen wollen, während Viele in Dorner's Aufgabe nur
ein fpekulatives Beiwerk erkennen werden, welches da ent-
fteht, wo man fich an den religiöfen Erkenntnifsen die
Spuren ihres Urfprungs verbirgt.

Dem von Dorner an der neueren evangelifchen Lehrweife
hervorgehobenen Mangel fcheint ein Buch abhelfen
zu wollen, betitelt: Die Realpräfenz. Das Lehrftück von
der Gegenwart des HErrn bei den Seinen. Ein Beitrag
zur Chriftologie von R. Rocholl, Superintendent in
Göttingen. Gütersloh 1875. (XIII, 446 S.). Von wahrhaft
chriftlichen, mit grofser Innigkeit vorgetragenen Gedanken
unterbrochen, liegt in diefem Buche im Wefentlichen
ein gnoftifirender Materialismus vor. Zu den erfteren
rechne ich den Satz, dafs die Empfänglichkeit das Mafs
der Gegenwart ift —• ein Satz, der zwar nicht neu fein
dürfte, 'aber, an diefer Stelle geäufsert, fehr angenehm
auffällt. Der letztere zeigt fich in dem Beftreben, das auf
dem Titel angekündigte Problem durch eine abenteuerliche
Raumtheorie zu löfen, in der Unterfcheidung einer
fubftantiellen Gegenwart von einer perfönlichen, endlich
in dem Verlangen, den Conflict des perfönlichen Menfchen-
geiftes mit der Naturwelt durch das magifche Eingreifen
einer höheren Materie zu löfen. Indem der Herr Verf.
die Anerkennung und phantaftifche Ausmalung diefer
Magie für ein vorzügliches Kriterium der wahren Religion
hält, fordert er zu der obigen Bezeichnung feiner Welt-
anfehauung heraus. Aber die Mängel feiner Methode, fo-
wie die eingeftreute'n gefunderen Gedanken berechtigen zu
der Annahme, dafs der materialiftifche Zug des Buches
nicht beabfichtigt ift (vergl. die Recenfion in der Zeit-
fchrift für Proteftantismus und Kirche und meine Be-
fprechung in den Studd. u. Kritt. 1876 Hft. 2.).

Halle a./S. W. Herrmann.

Wackernagel, Palt. Ernft, ,Für Euch'. Beicht- u. Abendmahlsreden
als e. Handreichg. f. das geiflliche Amt
u. die Privaterbauung. Leipzig 1876, j. Naumann.
(XXII, 188 S. 8.) M. 2. —

Zu einer Handreichung für das geiflliche Amt und
die Privaterbauung hat der Verf. diefe Beicht- u. Abendmahlsreden
beftimmt, in der Ueberzeugung, mit der Herausgabe
derfelben einem in weiten Kreifen gefühlten Be-
dürfnifs entgegen zu kommen. In Bezug auf die Privaterbauung
und zwar fpeciell die häusliche Vorbereitung
auf die Feier des heiligen Abendmahls wird das Bedürf-
nifs namentlich in den Kreifen der Gebildeten gewifs
allgemein anerkannt und eine Sammlung wie die vorliegende
mit Freuden begrüfst werden. Denn der Verf.
verfteht es, durch präktifche Anwendung eines meift
kurzen Schriftwortes in kräftiger eindringlicher Sprache
ohne alle falfche Rhetorik aus den verfchiedenften Ge-
müthsverfaffungen in die richtige Seelenftimmung hinein-
zuweifen, die zum fegensreichen Genufs des Sacramentes
erforderlich ift. Er zeichnet das Menfchenherz, wie es
wirklich ift; er leuchtet mit dem Lichte des der jedesmaligen
Betrachtung zu Grunde liegenden Schriftwortes
bis in die geheimften Falten hinein und weifs auch ,den
leichtfinnigen Spötter, den wüften Genufsmenfchen, den
ltolzen Heiligen' zur Anerkennung feiner Erlöfungsbe-
dürftigkeit zu nöthigen, nicht um zu fchrecken und zu
drohen, fondern um für den Troft, nach dem im inner-
ften Grunde doch Jeder verlangt, empfänglich zu machen.
Obwohl die Reden wirklich gehalten find, fo ift doch
Alles rein Locale und Perfönliche (abgefehen von der
vierten, die auf die Confirmandencommunion vorbereitet)
fo weit abgeftreift, dafs fie in allen Kreifen dem oben
angedeuteten Zweck dienen können. Weniger klar er-
fchien uns auf den erften Blick die Bezeichnung ,zur

I Handreichung für das geiffiiche Amt'. Ohne in Abrede
I ftellen zu wollen, dafs der präktifche Geiftlichc, der fortwährend
ausgeben foll, der Anregung durch Anderer
Gedanken oft dringend bedarf, glauben wir doch, dafs
dazu Reden, die einen fo fpeciellen Zweck verfolgen
wie die vorliegenden, am wenigften geeignet find. Sofern
aber der Verf. durch diefe Reden feine in der ausführlichen
Vorrede aufgeftellten Grundfätze über Beichtreden
hat veranfehaulichen wollen, laffen wir jene Zweck -
beftimmung gelten. Ift wirklich Gefahr vorhanden, dafs
der ,neue Methodismus der Heiligung' (wie der Verf.
trotz aller Anerkennung der Wahrheitsmomentc die P.
Smith'fche Bewegung nennt) auch in unferer Volkskirche
zur praktifchen Anwendung gelange, dann ift es allerdings
eine Handreichung für das geiflliche Amt, wenn
ihm an anfehaulichen Beifpielen gezeigt wird, dafs es
bei unferm Volk, wie es wenigftens jetzt noch im Durch-
fchnitt ift, noch fehr darauf ankommt, Bufse zu predigen
in dem Sinne und in der Art, wie der Verf. es thut.

Nuffe. H. Lindenberg, Paftor.

Beck, cand. theol. Vic. Herrn. G. J.,.Die innere Mission.

Ein Büchlein zum Dicnft der Gemeinde. Mit einem
Anh. Ansbach 1875, Junge. (VIII, 126 S. gr. 8.) M.
1. 40.

Dafs die Geiftlichen in Stadt- und Landgemeinden
neben den gebräuchlichen Miffionsftunden für Heidenmif-
fion auch Vorträge und Miffionsftunden für innere Miffion
halten möchten, ift fchon lange der Wunfeh und die
Bitte der Berufsarbeiter auf diefem Gebiete gewefen.
Denn die Gemeinden haben ebenfo ein Recht von diefen
Werken Gottes in unferer Zeit zu wiffen, wie fie auch
verpflichtet find, dabei mitthätig zu fein. Auch Referent
hat diefen Wunfeh oft ausgefprochen. Er begrüfst daher
Erfcheinungen wie das oben genannte Büchlein
freudig als ein Zeichen, dafs auch in Baiern, wie fchon
früher anderwärts, fich folche Miffionsftunden für innere
Miffion einbürgern. Die darin enthaltenen zehn Betrachtungen
über eine grofse Anzahl der verfchiedenen
Liebesthätigkeiten find mit Zugrundelegung eines bibli-
fchen Textes fachlich gefchickt und erbaulich warm und
anregend abgefafst. Sie werden gewifs nicht ohne Frucht
und Segen in der Gemeinde des Verfaffers geblieben
fein. Der Anhang enthält Gebete. Der ftoffliche Inhalt
der Vorträge ift, nach der Angabe des Vorworts, aus der
reichen Literatur der innern Miffion, wie fie dem Verfaffer
auf Wunfeh von der Fachbibliothek des fächfifchen Hauptvereins
für innere Miffion zur Benutzung dargeboten worden
ift, gefchöpft und zufammengeftellt. Nur freilich ift
die Auswahl der benutzten Literatur der Natur der Sache
nach eine befchränkte.

Wenn die Werke der innern Miffion mit Berufung
auf die von mir gegebene Darftellung (die Werke der Liebe.
Vorträge über das Arbeitsgebiet der innern Miffion in
der Gegenwart S. 32) in Arbeiten der rettenden, der
bewahrenden und der gewinnenden Liebe einge-
theilt werden (vgl. S. 14), fo möchte ich, da diefe Ein-
theilung auch anderwärts adoptirt (in dem theologifchen
Jahrbuche des ,Schreib- und Hilfskalender für Geiflliche
für 1876, herausgegeben von R. Schneider, Pfr. in Lipp-
fpringe', S. 268 werden fogar die Special-Vereine der
innern Miffion in Vereine der rettenden, bewahrenden
und gewinnenden Liebe getheilt) und von anderer Seite
beanltandet worden ift, bei diefer Gelegenheit bemerken,
dafs ich mit jener im Intereffe der überfichtlichen Darftellung
bei meinen Vorträgen gewählten Benennung durchaus
nicht eine den Umfang der innern Miffion völlig
umfaffende Eintheilung habe geben wollen. Auch fei
erlaubt auf einen Schreibfehler aufmerkfam zu machen,
der aus meinem Buche herübergenommen ift. Wo nämlich
S. 44 bei Schilderung der Mäffigkeitsvereine vom Ver-