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Ausgabe:

1876 Nr. 5

Spalte:

141-142

Autor/Hrsg.:

Delitzsch, Johs.

Titel/Untertitel:

Das Lehrsystem der römischen Kirche dargestellt und beleuchtet. 1. Thl 1876

Rezensent:

Schürer, Emil

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 5.

142

welche auch über den unmittelbaren Gegenftand hinaus fcher als auf hiftorifcher Grundlage aufbauen. Er glaubte

Licht zu verbreiten geeignet ift. (hierin feinem Lehrer Landerer folgend), dafs der dog-

r w • r- , mengefchichtliche Procefs als folcher zugleich die Kritik

1 ubingen. U3 weiziacicer. deg Dogma-s enthalte, und dafs der Syftematiker nur

-" " diefer immanenten Kritik nachzugehen habe, um zu der

Delitzsch, Lic. Dr. Jons., Das Lehrsystem der römischen richtigen Faffung der chriftlichen Lehrfätze. zu gelangen.
Kirche dargeftellt und beleuchtet. 1. Thl. Das Grund- So kam er zu feinen dogmengefchichtlichen Studien; und
doerma des Romanismus oder die Lehre von der diefe führten ihn wieder zu dem Lehrfyftem der römi-
„ 0„. t> rr ,Ti c o fchen Kirche, welchem fein oben erwähntes Hauptwerk

Kirche. Gotha 1875, Beffer. (VI, 413 S. gr. 8.) , gewidmet ift/ Das Intereffe an der Gefchichte des Papft-

M. 8. — thums veranlafste ihn gelegentlich, deffen hiftorifche

Ref. hatte gehofft, nach Vollendung des Werkes, Grundlage zu Unteraichen in der fcharffinnigen undgründ-
deffen erfter Theil hier vorliegt, eine Anzeige des Ganzen liehen Abhandlung ,Zur Quellenkritik der älteften kirch-
aus fachkundiger Feder bringen zu können. Es hat nicht j liehen Berichte über Simon Petrus und Simon Magus'
alfo kommen follen. Noch ehe der Verfaffer an die (Stud. u. Krit. 1874). Unmittelbar nach dem Eirfcheinen
Ausarbeitung des zweiten Theiles ernftlich Hand anlegen feines ,Lehrfyftems der römifchen Kirche' (Frühjahr 1875)
konnte, ift er aus diefem irdifchen Arbeitsfelde abgerufen wurde er zum aufserordentlichen Profeffor ernannt. Ehe
worden in die himmlifche Heimath. So wird nun freilich er an die Ausarbeitung des zweiten Bandes ging, überfein
Werk ein Torfo bleiben. Aber es darf mit Nach- ! nahm er die Herausgabe von Oehler's Vorlefungen über
druck hervorgehoben werden, dafs auch diefer Torfo ein
in fich abgefchloffenes Ganze bildet. Er behandelt ,Das
Grunddogma des Romanismus oder die Lehre
von der Kirche' in drei Lehrftücken: 1) Die Lehre

von der Kirche im Allgemeinen oder von dem Wefen j bewundernswerthen Willenskraft hatte er die Vollendung
und den Eigenfchaften der Kirche, 2) Die Lehre von der der Arbeit noch ermöglicht. Seine Kräfte waren er-
Repräfentation der Kirche oder der Hierarchie, 3) Die fchöpft. Auch ein Aufenthalt im Süden vermochte feine
Lehre von den Erkenntnifsquellen der kirchlichen Wahr- j erfchütterte Gefundheit nicht mehr herzuftellen. Er verlieh
. Bei weitem am eingehendften ift das zweite Lehr- fchied am 3. Februar 1876 zu Rapallo bei Genua, nach-
ftück, die Lehre von der Hierarchie, dargeftellt (S. 92—294), I dem er noch acht Tage zuvor, wenn auch mit An-
und hier wieder mit befonderer Liebe und Sorgfalt die ftrengung, einen Correcturbogen des Oehler'fchcn Werkes
Lehre vom Primat (S. 146—267). Der Verfaffer hat es zu lefen im Stande gewefen war. In den letzten Jahren
felbft gerne ausgefprochen, dafs dies der befte Abfchnitt j feines Lebens hatte er noch die Freuden eines fchönen
des Buches fei; und fein Urtheil ift von Seite der Kritik und glücklichen Familienlebens genofsen. Was ihn als
bereits vielfach beftätigt worden. Es lag für feinen ge- j Menfch und Lehrer vor allem auszeichnete, war die
raden. wahrheitsliebenden Sinn ein befonderer Reiz darin,'I rückfichtslofe Offenheit und Geradheit feines Wefens.
das Wefen des Romanismus bis in feine, letzten Confe- I Nichts war ihm mehr zuwider als ein ängftliches Zurück

Symbolik, welche mühfame und wenig erquickliche Arbeit
ihn von nun an faft bis an fein Lebensende befchäftigte.
Es war ihm noch vergönnt, das Manufcript druckfertig
herzuftellen. Aber nur mit Aufbietung feiner ganzen

quenzen zu verfolgen und zu zeigen, wie die wahrhaft
blasphemifchen Refultate, welche die neuefte Zeit zu Tage
gefördert hat, doch nichts anderes feien, als die noth
wendige und reife Frucht eines fchon an der Wurzel

halten der eigenften innerften Ueberzeugung. Und wenn
das Herz es ift, das den Theologen macht, fo war er ein
geborener Theologe. Bei allem, was er fprach oder
fchrieb, war er ftets mit feinem ganzen innerften Wefen

faulen Baumes. betheiligt. Eben daraus erklärt fich auch der ungewöhn-

Eine fachliche Kritik des Buches würde dem Ref. J liehe Erfolg, mit welchem er feine Lehrthätigkeit begann,
nicht zuftehen. Er hofft aber, dafs man es ihm zu gute ET berechtigte zu den fchönften Hoffnungen, die nun
halten wird, wenn er ftatt ihrer dem dahingefchiedenen mit einem Schlage vernichtet find.
Freunde an diefer Stelle einen kurzen Nachruf widmet. Leipzig. E. Schür er

Johannes Delitzfch war am 3. Auguft 1846 zu

Roftock geboren als ältefter Sohn des nun in Leipzig
noch in voller und gefegneter Wirkfamkeit flehenden Dje christologischen Arbeiten der neuesten Zeit.

Prof. Franz Delitzfch. Seine eigentlichen Jugendjahre hat Zw it r A t'k 1

er in Erlangen zugebracht. Eher hat er auch feine theo- ei er e,

logifchen Studien begonnen. Zur Fortfetzung derfelben In zwei Auffätzen zur chriftologifchen Frage (Jahrbb.

begab er fich zunächlt nach Tübingen; fpäter nach Leip- 1 für deutfehe Theol. 1,874 und 1875) erklärt Hermann
zig. Unter feinen Lehrern pflegte er befonders Lan- j Schultz feine wefentliche Uebereinftimmung mit Ritfehl,
derer und Brückner als diejenigen zu nennen, die am j hebt.aber als neu an feiner Arbeit hervor, dafs er das
entfeheidendften auf ihn eingewirkt haben. In die Oeffent- Verhältnifs der Glaubcnsausfagen zu der Aufgabe der
lichkeit trat er zuerft mit feiner Doctor-Differtation über ' gefchichtlich.cn Forfchung über Jefus gründlich unterfucht
,Die Gotteslehre des Thomas von Aquino' (1870). Zwei ! und dafs er die Ausfagen über Chriftus und diejenigen
Jahre fpäter (am 20. Februar 1872) habilitirte er fich in j über Jefus als den Chriftus trennt. Als eine Abweichung
der theologifchen Fakultät der Univerfität Leipzig durch von Ritfehl betont er noch, dafs er die Ausfagen über
Vertheidigung der Schrift De Injpiratione Scripturac Sacrae j den Verklärten nicht fo zurücktreten laffc, wie jener ge-
quid flatuerint patres apoßolki et apologetae Jecundi saeculi than habe.

(1872). Zu Oftern desfelben Jahres begann er feine Vor- Als unbeftreitbareThatfache liegt uns in dem Lebens-

lefungen, die fich hauptfächlich über die verfchiedenen bilde Jefu in den Evangelien das Bild eines Menfchen-
Zweigc der Dogmengefchichte und der ihr verwandten j lebens vor, das fich von allem ausserhalb chriftlicher
Difciplinen erltreckten. Er las nacheinander über: Das Einwirkung in der Welt Vorhandenen in religiöfer und
Lehrfyftem der römifchen Kirche, Entwickelungsge- j fittlicher Beziehung fpeeififeh unterfcheidet; und dazu
fchichte der Lehre von der Perfon Chrifti, Comparative gehörig die andere Thatfache, dafs von daher eine geiftige
Symbolik, Biblifch-theologifche und dogmengefchichtliche Richtung in der Menfchheit entftanden ift, die ihre univer-
Darftellung der Lehre von den Sacramenten, Chriftliche feile Bedeutung an die ihr eigenthümliche Verwerthung
Dogmengefchichte, Paulinifchen Lehrbegriff. Sein eigent- j jenes Lebensbildes knüpft. Man mag immerhin die
liches Intereffe galt der fyftcmatifchen Theologie, deren Kenntnifsnahme von diefem unbeftreitbaren Thatbeftandc
Pflege er fich als Lebensberuf gewählt hatte. Aber er auch ein Wiffen nennen. Auf jeden Fall erfährt derfelbe
wollte das theologifche Syftem weniger auf philofophi- I eine ganz verfchiedene Behandlung, jenachdem er dem