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Ausgabe:

1876 Nr. 26

Spalte:

664-666

Autor/Hrsg.:

Grätz, H.

Titel/Untertitel:

Geschichte der Israeliten von ihren Uranfängen (um 1500) bis zum Tode des Königs Salomo (um 977 vorchr. Zeit) 1876

Rezensent:

Kautzsch, Emil

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663

Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 26.

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der That nichts Anderes als die Ausdehnung der Macht
Jahwe's auch über die Heiden zuGunften feines Volkes
Ifrael und den Glauben nicht ifraelitifcher Perfonen
an die Realität Jahwe's (als eines Gottes neben anderen
— was wenigftens nicht ausgefchloffen ift). Während
Ref. in den vier erften Bb. des Pentateuchs nur Lev.
19, 4; 26, I (oAAk) und c. 26, 30 (ö'ub und dAA;) in
der betreffenden Frage Hinweifungen auf Abfaffung oder
Ueberarbeitung in der nachjeremianifchen Zeit erkannte (a.
a. 0. S. 105), übrigens keine Indicien für eine gegenüber
dem Jehoviften und den älteren Propheten fortgefchritte-
nere Anfchauung des fog. erften Elohiften geltend machte,
folgert K. (mit Recht ohne dies für feine Beweisführung
zu verwerthen) aus der Selbftbcfchränkung Elohim's als
des ,Gottes aller Welt' ([?] Lord of all) zum ifraelitifchen
Nationalgott Jahwe bei dem Elohiften (Ex. 6, 2 ff.) auf
abfohlten Monotheismus desfelbcn und alfo Zugehörigkeit
zur nachdeuteronomifchen Periode (S. 334)-
In der That fcheint auch uns — entgegen der herrfchen-
den Annahme — aus anderen Gründen der Gottesbegriff
des Elohiften entwickelter zu fein, als der des Jehoviften
, was freilich mit grofser Vorficht für die Zeit des-
felben geltend zu machen ift, da die religionsgefchicht-
liche Entwickelung nicht vollkommen geradlinig gewefen
fein mufs, (bei K.'s Entfcheidung wäre es dann aber
weiter nothwendig, auch den fog. zweiten Elohiften, welcher
meift vor den Jehoviften angefetzt wird, in fpätere
Zeit zu verlegen, weil auch er erft Ex. 3, 14 von der
mofaifchen Zeit an den Gottesnamen Jahwe neben Elo-
him für das bis dahin allein gebrauchte dtAn eintreten
läfst).

Die Frage, ob fich im A. T. die Vorftellung der
heidnifchen Götter als Dämonen finde, welche vom Ref.
a. a. O. S. 110—146 eingehend erörtert wurde, wird von
K. nicht behandelt.

Leipzig. Wolf Baudiffin.

P. S. Aus obiger Anzeige könnte der Eindruck gewonnen
werden, als fei meine Uebereinftimmung mit K.
gröfser als er felbft in feiner forgfältigen Befprechung
meiner Abhandlung in der Theol. Tijdschrift 1876 Nov.
S. 633—648 es Wort haben will. Deshalb einige ergänzende
Bemerkungen. Die Differenz betrifft die Darfteilung
der Anfchauung bei den Propheten des achten Jahrhunderts
. In m. Abhdl. ift fie aufgefafst als Zwifchenftufe
zwifchen der Monolatrie einer älteren Periode und dem
bewufsten Monotheismus vom Deuteronomiker ab, als ein
Monotheismus, deffen Confequenzen mit Bezug auf die
Heidenwelt noch nicht gezogen feien. Aus K.'s Anzeige
S. 644 erfehe ich, dafs auch er (in Aufrechterhaltung deffen,
was er in f. Godsdienst van Isr. I, Cap. 1 ausgeführt hat)
allerdings fchon bei den Propheten des achten Jahrh.'s
Ausfagen anerkennt, in welchen ,dic Grenzlinie zwifchen
Monolatrie und Monotheismus überfchritten wird'. Dahin
rechnet er jene in feiner Abhdl. nicht berückfichtigten
Ausfprüche, welche die fremden Götter mit ihren Bildern
identificiren u. f. w., worauf oben verwiefen wurde. Das
feien aber nur die erften Spuren eines ,werdenden Monotheismus
' (S.641), welche nicht in Vereinbarung gebracht
worden mit andern particulariftifchen Ausfagen. Um diefer
willen will K. die Anfchauung des achten Jahrh.'s in ihrer
Totalität noch als ,Monolatrie' bezeichnet wiffen. Ref.
verfuchte (a. a. O. S. 79—110) beide Ausfagereihen zu
vereinbaren durch die Annahme, dafs die Propheten des
achten Jahrh.'s Jahwe nur als den Gott Ifrael's in's Auge
fafsten und über fein Verhältnifs zur Heidenwelt (ausgenommen
, wo diefelbe mit Ifrael in Berührung trat) gar
nicht reflectirten (deshalb auch nicht über die Realität
der fremden Götter für die Heiden), trotzdem aber dem
Gott Ifrael's folche Prädicate beilegten, welche confe-
quenter Weife das Dafein anderer Götter ausgefchloffen
hätten. Diefe Darftellung wird nicht getroffen durch K.'s
Bemerkung S. 640: ,Die ganze Unterfcheidung, deren B.

fich bei der Befchreibung der zweiten Stufe bedient, hat
fehr guten Sinn, wenn fie gemacht wird mit Rückficht
auf den Standpunkt der Monolatrie. Auf diefem Standpunkte
kann, was Ifrael verboten ift, den Heiden zugestanden
werden und umgekehrt auf heidnifchem Gebiete
Realität haben, was für Ifrael nicht oder fo gut als nicht
(?) befteht'. Vom Standpunkte der Monolatrie aus konnte
es dem Ifraeliten allerdings verboten fein, andere Götter
zu verehren, und konnte die Ausdehnung ihrer Macht
auf Ifrael beftritten werden; aber unmöglich konnte von
jenen Göttern, welchen man für das aufserifraelitifche
Gebiet geradezu Realität zuerkannte, diefe für den ifraelitifchen
Boden abgefprochen werden, wie es bei den
Propheten des achten Jahrh.'s durchgehends gefchicht.
Wenn Ausfagen von den Heidengöttern, als feien fie
reale mit Bezug auf die Heiden, neben andern flehen,
welche ihnen das Dafein mit Bezug auf Ifrael abfprechen,
fo kann das doch wohl nur daraus erklärt werden, dafs
in jenen die heidnifche Anfchauung reproducirt wird ohne
Erwägung ihrer Berechtigung oder Nichtberechtigung,
weil die Stellung der Heidenwelt zu dem in Ifrael verehrten
Einen Gott aufserhalb des Intereffcs jener älteren
prophetifchen Schriftfteller lag. Ich weifs darum auch
jetzt den Standpunkt der Propheten des achten Jahrh.'s
nur zu bezeichnen als einen Monotheismus, deffen Confequenzen
mit Bezug auf die Heidcnwelt noch nicht gezogen
waren.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Grätz, PL, Geschichte der Israeliten von ihren Uranfängen
(um 1500) bis zum Tode des Königs Salomo (um
977 vorchr. Zeit). Auch als Bd. I der Gefchichtc der
Juden von den älteften Zeiten bis auf die Gegenwart.
Leipzig 1874, Leiner. (XXXV, 519 S. gr. 8.) M. 8. —

Der vorliegende Band giebt einen Theil der lange
verfchobenen Ergänzung zu des Vcrfaffcrs ,Gefchichtc
der Juden', die er 1853 mit dem 4. Bande begann, worauf
1856 der 3. folgte. Der Verfaffer erklärt S. VIII
des Vorworts, dafs er fich erft nach eigner Bereifung
Paläftinas (Frühjahr 1872) zur Inangriffnahme der Urge-
fchichte habe entfchlicfsen können. Denn ,nur beides
vereint, Beobachtung desSchauplatzes der Gefchichtc und
Kritik der Quellen geben das richtige Augcnmafs für
die Dimenfionsvcrhältnifsc und den Pragmatismus der
gefchichtlichen Bewegung'. Ganz einverftanden; nur
mufs Referent auf Grund eigner Erfahrung feinen Zweifel
ausfprechen, ob die flüchtige Bereifung Paläftinas in
einer Erühjahrsfaifon bereits dazu befähigt, auf dem Gebiet
der ifraelitifchen Gefchichtc reformirend aufzutreten, und
von ,Kritik der Quellen' hat Referent einen total andern
Begriff, als der Verf. — Was der letztere bietet, läuft
fchliefslich auf eine Rcproduction der biblifchen Gefchichtc
hinaus, bei der man immerhin anerkennen kann, dafs fie
den in den Quellen zerftreuten Stoff meift verftändig zu-
fammenftellt, fich von überkühnen Hypothefcn im Ganzen
fernhält und eine Reihe fehr beachtenswerther Emcn-
dationen des altteftamentlichen Textes vorfchlägt. Nicht
minder enthalten die beigegebenen Noten zum Theil
brauchbares hiftorifches Material (bef. Note 3 über den
Durchzug durch das rothe Meer; Note 4 über die Stationen
der Wüftenwanderung; Note 5 die Vororte der
12 Stämme). Dagegen ift von den unerläfslichften Anforderungen
, die man gegenwärtig an eine wiffenfehaft-
liche Gefchichtsdarftellung machen mufs, kaum eine erfüllt
. Die überaus wichtige Frage nach der Herkunft
des hebräifchen Stammes, fein Verhältnifs zu den Kanaa-
nitern in Abdämmung und Sprache, die Zufammenhänge
der hebräifchen Urfage mit der anderer Völker in Vordcr-
afien — über alles dies werden wir mit der Phrafe hinweggehoben
, dafs ,an einem fonnigen Frühlingstage'
Hirtenftämme über den Jordan in Paläftina eindrangen