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Ausgabe:

1876

Spalte:

661-664

Autor/Hrsg.:

Kuenen, A.

Titel/Untertitel:

Yahveh and the ‘other gods’ in: The Theological Review 1876

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Theologifche Literuturzeitung. 1876. Nr. 26.

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Religionen zu Grunde liege behauptet der Herr Vcrfaffer
zu wiederholten Malen; auch in den höchften Stufen
der religiöfen Entwicklung entdeckt er noch, gemäfs
dem von Tylor aufgeftellten Gefetz des revival und sur-
vival, Spuren derurfprünglichen animiftifchen Anfchauung.
Das zweite Capitel handelt über die Chinefen, das dritte
über die Hamiten und Semiten. Hier kommen erft die
Egypter in Betracht und dann die Semiten, bei denen
wir eine nördliche und eine füdliche Strömung unter-
feheiden. Bei den Nordfemiten, hauptfachlich in Mefopo-
tamien, fleht die Religion unter dem beherrfchenden
Einflufs eines nicht-femitifchen Volkes, der Akkadier,
von denen die Affyrer und Babylonier einen grofsen
Theil ihrer Cultur entlehnt haben. Zu ihrer höchften
Entwicklung gelangt die Religion der Nordfemiten aber
bei dem Volk Ifrael, das zu einem nomiftifchen Monotheismus
fortfehritt. In diefem Hauptftück ift dann noch
ein Abfchnitt dem Islam gewidmet, deffen fernere
Schickfale aber aufser den Grenzen diefer Unterfuchung
liegen. Das vierte Kapitel befpricht erft die ältcftc
indogermanifche, oder eigentlich arifche Religion, und
dann gehen die Inder, die Parfen, die Wenden oder Letto-
Slaven und die Germanen der Reihe nach an uns vorüber
. Befondcrs eingehend werden die verfchiedenen
Phafen der indifchen Religion gefchildert. Die letzte
Abtheilung endlich führt uns die Religion der Griechen
und der Römer vor, d. h. derjenigen indogermanifchen
Völker, deren Cultur die Spuren femitifchen und hami-
tifchen Einfluffes zeigt.

Ucber den Standpunkt, den der Herr Vcrfaffer im
allgemeinen und namentlich in Bezug auf die ifraelitifchc
Religion vertritt, möchte Referent feine ftarken Bedenken
haben, allein es ift hier nicht der Ort um dies eingehend
zu befprechen. Im ganzen kann gewifs das uns vorliegende
Buch als einem dringenden Bedürfnifs ent-
fprechend bezeichnet werden. Während Pfleiderer im
zweiten Bande feines Werkes über die Religion den
gefchichtlichen Stoff wefentlich der philofophifchen Betrachtung
unterordnet, fo haben wir hier eine rein hiftorifche
Arbeit. Das Buch giebt eine reiche Fülle von Material
und eine klare Ueberficht der gewonnenen Refultate; es
hebt auch die Punkte hervor, wo noch kein ficheres
Urthcil zuläfsig ift. So werden z. B. die Religionen der
Kelten und der Japaner abfichtlich übergangen, weil dem
Verfaffer hier die Refultate der Wiffenfchaft noch zu
unbeftimmt vorkamen; fo läfst er die Frage nach der
Verwandtfchaft verfchiedencr wilden Stämme mit den
grofsen Völkerfamilien dahingcftellt [§ Ii), und die nach
der Entftehung der egyptifchen Religion unbeantwortet
(§ 38). Auch über die Turanifche Völkerfamilie werden
nur gelegentlich Bemerkungen eingeftreut. Allenthalben
verräth das Buch die Abficht, den Fortfehritt der religions-
gefchichtlichcn Studien zu fördern, keineswegs ihn durch
ein voreilig fertiges Schema zu hemmen. Bcfonders
dankenswerth find die jedem Abfchnitt beigefügten
Eitcraturangaben, in welchen eine einfichtsvolle Auswahl
der Quellen geboten wird.

Hemmen. P. D. Chantepie de la Saussaye Dz.

Kuenen, A., Yahveh and the .other gods' in: The Theo-
logical Review (Williams and Norgate) Nr. LIV,
July 1876 S. 329-366.
Ausnahmsweife fei es geftattet, auf eine in einer
Zeitfchrift enthaltene Abhandlung an diefer Stelle auf-
merkfam zu machen. Die Thcol. Reo. wird m Deutfch-
land wenig gelefen, und des Leidener Kuenen dann
aufgenommene Abhandlung verdient es fehr, beachtet
zu werden.

An den Ausfagen des A. T. über Jahwe und die
.anderen Götter' will der Verf. nachweifen, dafs die Vor-
flcllung der Ifraeliten von Jahwe fich allmählich von der

eines einzigen Volksgottes — neben welchem den Göttern
anderer Völker als folchen Realität zuerkannt wurde —
(Monolatrie) zu der des Einen wahren Gottes (Monotheismus
) entwickelte. Die Wende tritt nach K. ein mit
dem Deuteronomiker im fiebenten Jahrh.; im Deutero-
nomium wie in den etwa gleichzeitigen Schriften wird
deutlich ausgefprochen, dafs es einen anderen Gott als
Jahwe nicht giebt (S. 346;. Bei den Schriftftcllern des
8. Jahrh. ift dagegen von Jahwe noch deutlich als von
dem Einen Gott Ifrael's die Rede, und es kommen hier
Ausfagen vor, welche anderen Göttern neben Jahwe
Realität zuerkennen. Dabei giebt der Verf. jedoch ,von
ganzem Herzen' zu, dafs der Mofaismus, d. i. die Forderung
an Ifrael, einen ,moral god' und ihn allein zu
verehren, von Anfang an den Keim des Monotheismus
in fich trug, fo dafs (ethifcher) Monotheismus zugleich
fein tVAoc und feine bewegende Kraft war (S. 363). —
Ref. war in feiner kurz vor Ausgabe diefer Abhandlung
erfchienenen Schrift .Studien zur femitifchen Religionsge-
fchichte' (Abhandl. II: Die Anfchauung des A. T. von
den Göttern des Heidenthums) zu demfelben Ergcbnifs
gelangt, dafs mit dem Deuteronomiker und Jeremia (deffen
hierher gehörende Ausfagen [Stud. S. 168 f.] K. unbe-
rückfichtigt läfst) der bewufste Monotheismus zum Durchbruch
komme. Zu dem was Ref. (a. a. O. S. 148 f.)
bemerkt hat von dem Uebergang der älteren (.monola-
trifchen') Anfchauung in die monotheiftifche, der fich bei
dem Deuteronomiker und Jeremia in der Redeweife von
.anderen Göttern' neben unzweifelhaft monotheiftifchen
Ausfagen zeige, dient als beftätigende Ergänzung die
Ausführung K.'s über Deut. 4, 7. 33 f. S. 347—349.
Wenige Einzelheiten und die Schlufsbemerkungen (gegen
Herrn. Schultz über den Offenbarungscharakter der alt-
teftl. Religion) ausgenommen, worauf hier nicht eingegangen
werden kann, pflichtet der Ref. den Ausführungen
K.'s durchaus bei. Erwähnt fei nur, dafs K. doch wohl
in unberechtigter Weife Gewicht legt auf die Bezcich-
I nungen Jahvve's als des Gottes Ifrael's und drgl. fchein-
I bar particulariftifche Ausfagen (S. 340), welche auch mit
I abfolutem Monotheismus wohl vereinbar find (f. m. Stud.
S. 150 - 155). Einen Einwurf, welchen man von gegneri-
fcher Seite machen könnte, hat K. unbeachtet gelaffen,
die Identificirung der fremden Götter mit den ohnmächtigen
Bildern und andere Ausfagen über die Ohnmacht
der Götter fchon bei den Propheten des achten Jahrhunderts
. Ref. glaubt a. a. O. S. 79—110 gezeigt zu
haben, dafs die Propheten von Hofea an ausfprechen,
die andern Götter feien für Ifrael nichts als leblofe
Bilder, während dagegen von Jeremia und dem Deuteronomiker
an fich deutliche Ausfagen finden, welche dahin
lauten, dafs andere Götter aufser Jahwe überhaupt fauch
für die Heiden) kein Dafein haben aufserhalb der
Bilder.

Wegen der Unficherheit der Abfaffungszeit der einzelnen
pentateuchifchen Beftandtheile läfst fich K. auf
diefelben nur fo weit ein, um zu zeigen, dafs die jeho-
viftifchen Stücke nirgends den abfoluten Monotheismus
zum Ausdruck bringen (S. 354—35»), Ausführungen,
welchen wir durchaus beiftimmen. So wird die hier ver-
theidigte Thefe nicht erfchüttert durch Verlegung der
Jehoviften in das achte Jahrh. ode* in noch frühere Zeit.
Auch die jehoviftifche Erzählung von Erfchaffung der
Welt durch Jahwe, welche man gewöhnlich nur als Aus-
Aufs des bewufsten Monotheismus glaubt erklären zu
können, darf nicht beirren: ,Ift jede Gottheit, welcher
die Erfchaffung der Welt zugefchrieben wird, darumPer
se der einzige Gott?' (S. 364, vgl. m. Stud. S. 164).
Kosmogonieen heidnifcher Völker fchreiben den Gottheiten
des betreffenden Volkes die Erfchaffung der Welt
zu, ohne dafs dabei im Glauben diefes Volkes die Realität
fremder Götter ausgefchloffen wäre. Die anderen
von Herrn. Schultz für den Univerfalismus des Jehoviften
geltend gemachten Ausfagen (S. 354) berichten in

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