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Ausgabe:

1876 Nr. 25

Spalte:

646-648

Autor/Hrsg.:

Kolde, Theodor

Titel/Untertitel:

Luther’s Stellung zu Concil und Kirche bis zum Wormser Reichstag, 1521 1876

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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645 Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 25. 646

felbft wiederum gehören nicht der Zeit Trajan's, fondern
früheftens der des römifchen Bifchofs Fabianus an (c. 236),
wie zwei Notizen am Ende derfelben (Cureton S. 61 u. 72)
beweifen. Allerdings will Cureton auch diefe als fpätere
Noten desfelben unwiffendenMenfchen betrachten, der die
Notiz über die Ordination Palut's durch Serapion in deDoc-
trina Addaci eingefchaltet habe. Allein auch wenn wir im
allgemeinen den Grundfatz für richtig halten, dafs ,in actis
martyrum niliil tarn /utile vagumqüe esse, quam notas clirono-
logicas sive ad finem adjcctas, sivc exordio insertas, sive
totis libcllis praescriptas' (Zahn, Martyrium Po/ycarpi,
Patres Apost. I, 2. 164), und dafs daher auf die Andeutungen
im Grundftock der Erzählung mehr Gewicht zu
legen fei, können wir in diefem Fall doch keine Anwendung
davon machen, wo der Grundftock der Erzählung
felbft fo voll von Anachronismen ift, und wir
glauben daher fagen zu müffen, dafs die Doctrina Addaci.
zufammen mit den angeführten Märtyrer-Actcn nicht vor
dem Jahr 250 gefchrieben fein kann. Für die Zufammen-
gehörigkeit des von Phillips herausgegebenen Documents
mit diefen Acten vergleiche auch noch die Angabe der
Doctrina, dafs die Priefter des Nebo und Baal die Altäre
diefer Götter zerftörten mit Ausnahme des grofsen
Altars, der in der Mitte der Stadt ftand (Phill. S. 26. 32),
mit der Stelle in den Acten Scharbil's (Cureton S. 41),
wo derfelbe an eben diefem grofsen Altar in der Mitte
der Stadt opfert, weiter die Perfon des Abshelama
(n-A-dn? = ttoVaä w) bei Phillips S. 33. 39. 45. 49 mit |
derfelben bei Cureton S. 61. 71. 83.

Die andere Frage betreffend, ob die vorliegende
Doctrina Addaci mit dem von Eufebius (Julius Africanusr)
benützten Documente identifch ift, fo finden fich allerdings
im gricchifchen Text einige Stellen, die fich am
beften durch die Annahme erklären laffen, dafs fie durch
flüchtige Ueberfetzung aus dem uns vorliegenden fyrifchen
Text entftanden feien (cf. Curet. S. 145 f.); andererfeits
find aber die Differenzen zwifchen den Angaben des
Eufebius und der Doctrina so grofs, dafs es wiederum
unwahrfcheinlich wird, es habe ihm letzteres Schriftftück
vorgelegen; er hätte nicht blofs vieles ausgelaffcn (weil
er's nicht glaubte?), fondern verfchiedenes geradezu
geändert (z. B. die Zeitangabe 343 A. G. am Anfang
der Doctrina in 340). Wir möchten daher auch nicht mit
der gleichen Sicherheit wie Phillips behaupten, dafs die
Epifode von der Kreuzauffindung durch die Kaiferin
Protonice fchon mit unferem Stück dem Eufebius vorgelegen
habe, geben ihm aber zu, dafs diefe Epifode
nicht nothwendig zum urfprünglichen Werk gehört habe,
fondern eine fpätere Einfchaltung fein kann. Auf die
Bedeutung derfelben, ihren Zufammenhang mit der
fpäteren Helcnalegende, mit der Erzählung des Jofcphus
von der zum Judenthum übertretenden Königin Helena
von Adiabene (Antqq. XX, 2) und derfelben Erzählung
bei Mofes von Chorene (Mist. Arm. Üb. II, c. 26—36),
der die Helena zur Frau Abgar's macht, auf die Iden-
tificirung der in der Doctrina vorkommenden Abdu,
Sennac, Meherdath, Zati mit den bei Tacitus erwähnten
Abdus, Sinnacus, Meherdath, Izates [Ann. VI, 31. 32-
XII, 12. 14), des Sabinus, Sohns des Euftorgius der
Doctrina (Marinus bei Mofes von Chorene) mit dem
Statthalter Sabinus von Syrien bei Jofephus (Ant. XVII,
Ii. 12. Bell. Jitd. II, i. 2), können wir hier nicht eingehen
, ebenfowenig auf die Bedeutung welche das ganze
Schriftftück für die Kirchengefchichtc Syriens hat. Aber
auch für Dogmen-, Miffions-, Verfaffungs-, Cultus-,
Kanongcfchichtc bietet es, wie Wagenmann hervorgehoben
, die bcachtenswertheften Data, nicht minder
endlich für die vorchriftlichc Religionsgcfchichte Syriens.
Ungefähr 50 echt fyrifche Eigennamen begegnen uns in
dem Documcnt, und aus diefen wie aus Addai's Polemik
gegen den Götzendienft lernen wir verfchiedene bisher
ganz oder faft ganz unbekannte Götternamen kennen:
ein Beweis, dafs wir es hier mit einem fyrifchen Original,

nicht mit einem unter griechifchem Einflufs entftandenen
Werke zu thun haben. Wenn wir es daher auch nicht
als authentifches Zeugnifs für die Chriftianifirung Edeffa's
im erften Jahrhundert betrachten können, fo bleibt es
auch für uns von grofser Bedeutung, ja wir follten uns
nicht wundern, wenn dasfelbe der Abgarlegende wieder
einige neue Vertheidiger gewinnen follte. Einen wenig-
ftens fcheinbar für die Echtheit fprechenden Umftand
hat Phillips merkwürdigerweife nicht hervorgehoben. In
die von Affemani mitgetheilte Chronik von Edeffa ift
ein unzweifelhaft authentifches Document aus dem Herbft
201 aufgenommen, das eine grofse ,Kirche der Chriftcn'
in Edeffa erwähnt: diefes Document hat faft die ganz
gleiche Unterfchrift wie die Doctrina Addaei: die Schreiber
und die welche das Document im Archiv niederlegen
(■vtS Phill. S. 50) werden auch da unterfchieden. Wenn
daher Nöldekc fragt: Hat wohl je ein wirkliches Acten-
ftück nöthig, feine Eigenfchaft als folches in der Weife
zu begründen, liefse fich auf jene Unterfchrift verweifen
(Bibl. Or. I, 393); doch zeigt eine genauere Betrachtung,
dafs die Beglaubigung der Doctrina nur die Nachahmung
einer in früherer Zeit wirklich üblichen Beglaubigungsformel
von Documenten ift. Jedenfalls hoffen wir, dafs
die eigenthümliche Mifchung von Wahrheit und Dichtung
in diefem Documente eine lebhafte Befprechung desfelben
von Seite der deutfehen Eorfcher hervorrufen
werde; im Dank gegen den verdienten Herausgeber
werden, des find wir gewifs, alle einig fein.

London. Dr. E. Neftle.

Kolde, Privatdoc. Dr. Thdr., Luther's Stellung zu Concil
und Kirche bis zum Wormser Reichstag, 1521. Hiftorifch
entwickelt. Gütersloh 1876, Bertelsmann. (VIII, 118 S.
gr. 8.) M. 1. 80.

Der Verf. beabfichtigt, Luther's allmählichen Abfall
von dem mittelalterlichen Kirchcnthum bis zu feiner
Verurtheilung in Worms klarzulegen. , Diefer Abfall
gipfelt, wie man bisher zu wenig betont hat, in der
Verwerfung des Concils, fpeciell des Conftanzer, und
diefer Umftand, nicht etwa die Loslöfung vom Papfte,
ift es gewefen, der Luther's Verurtheilung nach den be-
ftehenden Rechtsanfchauungen zur Folge haben mufste'.
Der Verf. verfolgt daher in erfter Linie Luther's Stellung
zum Concil, ohne gerade viel neue Daten darüber an's
Licht zu ziehen, aber in klarer, frifcher Weife. Er zeigt
richtig, wie Luther durch äufsere und innere Veran-
laffungen gedrängt wurde, fich vollftändig Rechenfchaft
zu geben über die Autorität eines Concils, welches ihm
anfangs, als er fah, dafs vom Papfte kein unbefangenes
Urtheil zu erwarten fei, als das Tribunal, dem er fich
unbedingt unterwerfen könne, erfchienen war. Schon
zeitig erkannte er in abstracto, dafs ein Concil fehlbar
fei, aber ehe er praktifch aufgab, das Concil als höchften
Richter feiner Sache, dem er fich unbedingt unterwerfen
wolle, anzurufen, bedurfte es noch mancher Klärung.
Der entfeheidende Wendepunkt ift die Leipziger Disputation
. Hier überzeugt fich Luther, dafs ein Concil, und
zwar dasjenige, welches aus neuerer Zeit am meiften
Nimbus hatte, das Conftanzer, thatfächlich geirrt habe:
wodurch dann fein Vertrauen auf ein Concil unheilbar
erfchüttert wird, fo dafs er fich im entfeheidenden
Augenblick in Worms nicht zu entfchliefsen vermag,
feine Sache ohne Bedingungen einem zukünftigen Con-
cile anheimzugeben. Der Verf. zeigt in knapper, jedoch
alles Wefentliche vollftändig referirender Weife, wie die
Concilsfrage in Worms der Stein war, der Luther zu
Fall brachte und, wie aus dem Eingangs-Capitel, worin
,die Concilsidee des 15. Jahrhunderts in ihren Grund-
zügen' dargelegt war, klar ift, zu hall bringen mufste:
hatte auch ein Pierre d'Ailli die Fchlbarkeit eines Concils
behauptet und hatte er auch Nachfolger gehabt an