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Ausgabe:

1876 Nr. 23

Spalte:

587-591

Autor/Hrsg.:

Swete, H. B.

Titel/Untertitel:

On the history of the procession of the Holy Spirit, from the apostolic age to the death of Charlemagne 1876

Rezensent:

Gass, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 23.

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linke die Confulfaften, die rechte die aus anderer Quelle
gefchöpften biblifchen und kirchengefchichtlichen Notizen
bot. Die Engelverkündigung an Zacharias, welche sub j
consulatu Lentidi ei'Pisonis erfolgt fein foll, wird Augusto XI
etPisonc, die Verkündigung an Elifabeth, welche in das- j
felbe Confulat des Lentulus und Pifo, VIII. Kai. April.
(foll wohl heifsen Septemb.) gefetzt wird, vielmehr I.en-
tulo et Silvano conss. eingetragen. Aehnlich ftehts mit
der Verkündigung Mariä, die im XIII. Confulate des 1
Auguftus, VIII. Kai. April, ftattgefunden haben foll, aber
nicht hier, fondern Balbino et Bereto {sie) verzeichnet
fteht, desgl. mit der Kreuzigung Jefu, sab consulatu
Rubcllionis VIII. Kai. April., welche aber Tiberio Augusto VI
et Silio eingetragen ift. Bemerkung verdienen übrigens
die zahlreichen Tagesangaben für Daten der evangeli-
fchen und kirchlichen Gefchichte; fo für die Geburt des
Johannes VIII. Kai. Jul, für die Geburt Jefu VIII. Kai.
Jan., für die Ankunft der Magier Kai. [?] Jan., für die
Wafferverwandlung sub consulatu Asiatici et Silvani VI.
Kai. Noveril), u. f. w. Die betreffenden Daten find
grofsentheils zugleich nach ägyptifchen Monatstagen angegeben
, woraus fich ergiebt, dafs diefelben aus einer
alexandrinifchen Quelle gefchöpft find. Hierfür fprechen
auch die zahlreichen Nachrichten aus der Gefchichte der
alexandrinifchen Kirche, z. B. p. 57*, Z. 11 über das
Martyrium des Bifchofs Petrus von Alexandrien, p. 59%
Z. 14 ff. über die Todeszeit des Bifchofs Alexander und j
den Amtsantritt des Athanafios, p. öl*, Z. 22 ff. über j
den kaiferlichen Präfes Tatianos u. f. w. Die Quelle
mufs ein jetzt freilich nur noch trümmerhaft aufbewahr-
tes Verzeichnifs der alexandrinifchen Patriarchen geboten
haben; der letzte, über welchen eine Notiz erhalten ift,
ift Theophilos, der Zerftörer der heidnifchen Tempel
unter dem Kaifer Arkadios. Eine genauere Sichtung der
den Excerpten des latinus barbanis zu Grunde liegenden
Quellen, insbefondere der im Vorhergehenden aufgezeigten
, für die Kirchengefchichte fo intereffanten alexandrinifchen
, wäre äufserft wünfehenswerth.

Jena. Lipsius.

Theodorus Lascaris jun., De processione Spiritus Sancti

oratio apologetica. Ad fidem codicum edidit H. B.
Swete. Londini 1875, Williams & Norgate. (Jenae,
F. Frommann.) (IV, 24 S. gr. 8.) M. 2. —
Swete, H. B., On the history of the procession of the
Holy Spirit, from the apostolic age to the death of
Charlemagne. Cambridge 1876, Deighton, Bell & Co.
(246 S. gr. 8.)

Langen, Dr. Jos., Die trinitarische Lehrdifferenz zwischen
der abendländischen und der morgenländischen Kirche.

Eine dogmenhiftorifche Unterfuchung. Bonn 1876,
Weber's Verl. (VI, 127 S. gr. 8.) M. 3. —

I. Theodorus Lascaris Ducas der Jüngere, Enkel des
Kaifers Theodorus, welcher nach der Einnahme von Con-
ftantinopel durch die Lateiner den Sitz der Regierung
nach Nicäa verlegt hatte, folgte dafelbft 1255 feinem
Vater Johannes Ducas und regierte drei Jahre, dann zog
er fich, von asketifchen Neigungen und gelehrten Befchäf-
tigungen getrieben, in die Stille eines Klofters zurück,
ftarb aber fchon 1259 in jungen Jahren. Obgleich von
dem unioniftifch gefinnten Nicephorus Blemmides unterrichtet
, hielt er fich doch ftreng an die Eigentümlichkeit
des griechifchen Dogma's und verwarf die Anficht
des Abendlands. Aus der Zahl feiner meift nur hand-
fchriftlich bekannten Schriften ift die obige polemifche
Abhandlung über die vielgenannte Differenz in der
Trinitätslehre auf Grund von vier Handfchriften fehr
correct und forgfältig von Dr. Swete herausgegeben
worden (vgl. über diefen Kaifer Leo Allatius, De consensu

XIV, 5 14- Mai, Fair, nova Biblioth. VI, p. 190 und
dazu die Notizen bei Cave, Oudin und J. A. Fabricius,
Eibl. Gr. ed. Barl. XI, p. 6621

Von Gott, fagt Theodor, kommt alle Wahrheit und
geht auf ihn zurück. Chriftus fpricht, dafs der Paraklet,
welchen er vom Vater fenden wolle, der Geift der
Wahrheit, der vom Vater ausgeht, für ihn zeugen
werde (Joh. 15, 26); fein Wort ftimmt alfo ganz mit der
griechifchen Lehrbeftimmung überein und beftätigt fie.
Zwar heifst bei Paulus Rom. 8, 9 derfelbe Geift der
Wahrheit auch Geift Chrifti, womit aber nur gefagt ift,
dafs er nach Inhalt und Wirkfamkeit auch ihm "angehöre.
Der andere Ausfpruch Chrifti: Nehmet hin den h. Geift
(Joh. 20, 22), kann nicht ein Verleihen desfelben fchlecht-
hin ausdrücken follen, fonft würde nicht nachher noch
ein zweiter mit dem Pfingftfeft verbundener Empfang
des Geiftes berichtet werden, bezeichnet alfo nur die
Mittheilung einer befonderen Geiftesgabe. Chriftus felbft
war nicht wie die Propheten vom Geifte ausgerüftet, er
befafs ihn vermöge der Homoufie auch wefenhaft, doch
ohne darum zur zweiten Urfache desfelben zu werden;
vielmehr war er es, welcher ihn, der vom Vater allein
fein metaphyfifches Dafein empfangen, der Schöpfung
und Menfchheit zugeführt hat. — Dahin lautet die
kurze dogmatifche Beweisführung, welche hierauf durch
eine Reihe von patriftifchen Belegen bekräftigt und mit
der Auctorität der heben erften ökumenifchen Concilien
unterftützt wird. Das religiöfe Gewicht ruht darauf, dafs
die abfolute Caufalität, an welcher die dritte Perfon wie
die zweite hängt, eine einfache fein mufs, ftatt fich in
zwei Hälften zu fpalten. Der Unbefangene wird nicht
leugnen, dafs diefe Auffaffung durch die biblifchc, hier
alfo die Johanneifche Ausdrucks- und Vorftellungsweife
begünftigt wird. Zwar der Unterfchicd zwifchen dem
hiftorifchen oder ökonomifchen res[in£<Jtrat und dem me-
taphyfifchen ex'/cootvto&ai ift Joh. 15, 26 fchwerlich fo
ftreng gemeint, wie ihn die Griechen verftanden haben;
allein der Satz: o fcaQce xov narorm hmogevettti fteht
doch einfach da und läfst keine Ergänzung erwarten
durch ein zweites und gleichartiges Ausgehen auch vom
Sohne. Dagegen hat die lateinifche Doctrin einen anderen
indirecten Anknüpfungspunkt. Den Griechen
gilt der Geift als xeleia vnoataaig (S. 17 unferer Schrift);
er wird ganz eigentlich hypoftafirt und mit Einem Act
vollendet gedacht, welche hypoftatifche Faffung nun
einmal biblifch nicht nachgewiefen werden kann. Die
Lateiner fetzen ihn gleichfalls perfonartig, aber doch in
dem freieren Sinne einer göttlichen Potenz, und von
diefer liefs fich dann unter Vorausfetzung der übrigen
metaphyfifchen Anlage des Dogma's behaupten, dafs
fie gleichfam von zwei Seiten her ihr immanentes Dafein
gewonnen habe.

Merkwürdig genug und mit grofsem Nachdruck wird
von Theodor S. 20 noch hinzugefügt, dafs jene allgemeinen
Synoden in rechtmäfsiger Weife, d. h. auf Anordnung
des Königs oder Kaifers abgehalten worden.
Denn diefer fei der legitime und unparteiifche Richter,
welchem es, weil er zu allen Mitgliedern in gleichem
Verhältnifs fteht, allein zukomme, die Verhandlungen
unbefangen zu beurtheilen und mit feiner Stimme für
die Richtigkeit der getroffenen Entfcheidung einzuftehen.
Auch in der Trinitätsfrage haben die Kaifer das letzte
Wort gehabt.

2. Nachdem diefe taufendjährige Controverfe vor
Kurzem abermals und zwar zum Zweck friedlicher Beilegung
, nicht neuer gegenfeitiger Anfchuldigungen aufgetaucht
ift: mufs uns eine Urkunde wie die des Theodorus
Lascaris willkommen fein, fie dient dazu, den Streitpunkt
felber zu präcifiren. Fragt man aber nach der
hiftorifchen Entftehung und nach den Umftänden, welche
aus der Verfchiedenheit zweier Anflehten einen harten
Gegenfatz der Kirchen hervorgerufen haben: fo geben
die beiden anderen Schriften darüber reichlichen Auf-