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Ausgabe:

1876 Nr. 22

Spalte:

558-565

Autor/Hrsg.:

Gebhardt, Oscar de

Titel/Untertitel:

Patrum apostolicorum opera. Textum ad fidem codicum et graecorum et latinorum adhibitis praestantissimis editionibus recensuerunt. Editio post Dresselianam alteram tertia. Fascic. II 1876

Rezensent:

Harnack, Adolf

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557 Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 22. 558

32—34 :zu letzterem Abfchnitt aus allen Rollen der
Sammlungen Firkowitfch's) Variantcnverzeichnifsc. Den
Schlufs bildet die Mittheilung von noch 5 Epigraphen
aus der Sammlung Firkowitfch's, die wahrfcheinlich alle
(wenigftens zum Fheilj gefälfeht find. Den Nachträgen
und Berichtigungen' hätte ich noch beizufügen: S. 14,
Z. 1 lies: abgefchnittenen; S. 57, Z. 2 lies: Gen. 1, 1 etc.

Indem wir mit ungetheilter Anerkennung der gründlichen
und foliden Arbeit von dem Catalog fcheiden,
erübrigt uns noch ein kurzes Wort über das unter 2)
genannte höchft intereffantc Schriftchen Strack's über die
Grabfchriften der Krim. Die Enthüllungen über die Fal-
lificate Firkowitfch's würden ohne diefen Beitrag auf halbem
Wege flehen geblieben fein. Da nach dem oben bemerkten
häufig eine Beziehung der Epigraphe auf die Grabfteine
(und umgekehrt ftattfindet, fo galt es, auch über diefen
Punkt noch volle Aufklärung zu geben, wenigftens für
Die, welche die Vertrauensfeligkeit Chwolfon's (f. o.) nicht
zu theilen vermochten. Herr Strack zeigt uns nun bündig
und fchlagend, erftlich, dafs die 8 Grabfteine im Afiati-
fchenMufeum zu Petersburg fämmtlich gefälfeht findendem
theils durch Veränderung von He in Dttkth eine Zurück-
datirung um 1000 Jahre, von He in Tau eine folche von
600 Jahren, von Refch in Koph eine folche von 100 Jahren
erzielt wurde. In Wahrheit gehören die Grabfteine ftatt
in das 1—8. Jahrh. vielmehr in das 15. und 16. Jahrh. —
Derfelbe Beweis wird dann für zahlreiche andere Steine
auf Grund der Abklatfche und fonftiger Verdachtsmomente
geführt und pag. 9 ff. die freche Fälfchung des
fogenannten Sangarifteines (f. u.) erwiefen, unter Mittheilung
intereffanter Auszüge aus Briefen von Rawitfch, der
eine Zeit lang Firkowitfch als Amanuenfis diente, und
Rapoport's. Capitel E befpricht anderweitige Bezweiflungen
von Firkowitfch'fchen Funden. Gleichfam den
pfychologifchen und hiftorifchen Schlüffel aber zu der
P'älfcherlaufbahn des Mannes erhalten wir in dem äufserft
intereffanten Abfchnitt F, der den Brief Firkowitfch's
an das Karäerhaupt Bobowitfch, refp. feine Antwort auf
fechs 1839 von dem Gouverneur Woronzow in Betreff
der Karäer geftellte Fragen enthält. Hier tritt der Ge-
dankenprocefs, durch welchen Firkowitfch zu feinen lang-
jahrigen I^älfchungen bewogen wurde, mit überrafchender
Klarheit zu Tage. Da er lieh fagen mufste, dafs es an
wirklichen Urkunden für die Gefchichte und das hohe
Alter der Karäer gebreche, andererfeits aber nach der
Fra-fftellung des Gouverneurs von einer befriedigenden
Antwort beträchtliche Vortheile zu erhoffen waren, fo
blieb nur der Ausweg übrig, dem fchmerzlichen Mangel
an Urkunden künftlich abzuhelfen und darin hat er in
der That feit 1839 feine eigentliche Lebensaufgabe erblickt
. Einfach gelogen ift es darnach, wenn er nachmals
feinen Sammlerfleifs fchon im Jahre 1830 (befonders
auch in Paläftina) beginnen läfst; überhaupt hatte er als
rechter Lügner bei aller Schlauheit oft ein fehr kurzes
Gedächtnifs und log daher bei verfchiedenen Gelegenheiten
durchaus Widerfprechendes. Die Tendenz, in dem
betreffenden Sendfchrciben die Rabbaniten nach Kräften
herabzufetzen, die Karäer aber als dereinftige Freunde
Chrifti und der Chriften darzuftellen, hatte die gehofftc
Wirkung: Bobowitfch ging in die Falle, angelockt durch
die von Firkowitfch mit plumper Abfichtlichkeit nahe
gelegte Möglichkeit, es möchte wohl noch der Grabftein
des Ifaak Sangari, des Bekehrers des Chafarenkönigs
(Firkowitfch macht den Sangari felbft zu dem Verfaffer
des Büches Kufari) zu finden fein. Firkowitfch ward von
Bobowitfch mit Nachforfchungcn beauftragt und fand
natürlich nicht blofs den Stein, fondern noch viele andere
wünfehenswerthe Dinge, wie dies im Abfchnitt G unter der
Ueberfchrift: .Firkowitfch's Reifen. Dichtung und Wahrheit
' aktenmäfsig dargeftellt wird. Das ftärkfte Stück ift
darin unftreitig der Raub der Thorarollc von Derbend
und das freche Lügengewebe, welches plrkowitfch in
feiner Reifebcfchreibung über die Erwerbung diefer Hand-

fchrift gefponnen hat. Aber auch darnach kommt der
Verfaffer S. 39 zu dem (ficher berechtigten) Schlufs-
refultat: ,Man thut A. Firkowitfch Unrecht, wenn man
ihn für einen gewöhnlichen Fälfcher hält. Ihn trieb,
namentlich während der erften Jahre feiner Entdeckungen,
nicht die Sucht nach materiellem Gewinn: ihn trieb vor
allem karäifchcr Fanatismus. Alle feine Erfindungen
find, direct oder indirect, gemacht in majorem Karacorum
gloriam. Seine kaukafifche Expedition war eigentlich eine
Miffionsreife . . . '

Von der Sucht nach Senfation erregenden .Entdeckungen
' find wir, wie durch andere Erfahrungen der
letzten Jahre, durch die Firkowitfch'fche Tragikomödie
wohl für einige Zeit geheilt. Herrn Strack aber gebührt
unfer voller Dank, dafs er die keineswegs leichte Mühe
nicht gefcheut hat, in diefem Handel der Pfeudokritik
zum Frommen gefunder und befonnener Wiffenfchaft
gründlich das Handwerk zu legen.

Bafel. E. Kautzfeh.

Patrum apostolicorum opera. Textum ad fidem codicum
et graecorum et latinorum adhibitis praestantissimis
editionibus recensuerunt, commentario exegetico et
historico illustraverunt, apparatu critico, versione la-
tina passim correcta, prolegomenis, indieibus instru-
xerunt Oscar de Gebhardt, Adolfus Harnack,
Theodorus Zahn. Editio post Dresselianum alteram
tertia. Fase. II.

A. u. d. T.: Ignatii et Polycarpi epistulae, martyria. frag-
menta. Recensuit et illustravit Theodorus Zahn.
Lipsiae 1876, J. C. Hinrichs. (LVI, 404 S. gr. 8.)
M. 8. —

Unter den Werken der fog. apoftolifchen Väter
bietet zweifelsohne kein einziges dem Herausgeber fo
viele Schwierigkeiten als die Briefe des Ignatius; ja man
darf behaupten , dafs die Fcftftellung keines anderen
patriftifchen vornieänifchen Textes eine gleich mühevolle
und complicirte Arbeit ift. Prof. Zahn hat dem Ref.
( und feinem Collegen eine nicht geringe Laft abgenommen,
j als er vor nun mehr als zwei Jahren die Bearbeitung des
2. Fascikels diefer Ausgabe freundlichft übernahm; aber
I es läfst fich jetzt erft richtig abfehätzen, welche Mühe
die Herftellung des Ignatiustextes einem Jeden bereitet
hätte, der nicht bereits, wie der Herausgeber, über Re-
fultate einer umfaffenden Ignatius-Monographie verfügen
konnte (vgl. Zahn, Ignatius von Antiochien. Gotha 1873).

Auf die .Ignatiusfrage' hier einzugehen, mufs Ref.
fich verfagen. Die wichtigere Aufgabe des Berichter-
: ftatters über eine neue Edition befteht in der Angabc
und Beurtheilung der textkritifchen Grundfätze. Dafs
! Zahn die 7 Briefe in der kürzeren griechifchen Recenfion
; für unwiderleglich echt hält, dafs er die fyrifche Recenfion
für immer aus der .Ignatiusfrage' verbannt, dafs er
, die längere griechifche Recenfion als ein Machwerk aus
; der Mitte des 4. Jahrh.'s (Acacius?) erwiefen und die
; gefchichtliche Unbrauchbarkeit fämmtlicher Martyrien des
Ignatius dargethan hat, ift wohl hinreichend bekannt.
Das Doppelte nur fei hier bemerkt: Z. felbft ift in den
I Proiegg. feiner Ausgabe (c. 1 p. V—XIII) unter Ver-
-weifung auf fein gröfseres Werk nur kurz auf die igna-
tianifche Frage eingegangen, und eine Reihe von Grün-
j den, die er wiederum für die Echtheit geltend gemacht
hat, find allerdings bisher noch nicht durchfchlagend
widerlegt worden. Der Beweis, welcher aus der Com-
bination von Polyc. ad Phil. 13 mit der Gefchichte der
Ueberlieferung des Ignatiustextes geführt wird, hat etwas
Beftechendcs; aber man foll nicht vergeffen, dafs die
fcheinbar ficherften äufseren Zeugnifse niemals endgültig
entfeheiden können. Umgekehrt ift Ref. gerne zu dem