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Ausgabe:

1876 Nr. 20

Spalte:

516-521

Autor/Hrsg.:

Kahnis, Karl Fr. Aug.

Titel/Untertitel:

Die lutherische Dogmatik historisch-genetisch dargestellt. 2. umgearbeitete Auflage in 2 Bänden 1876

Rezensent:

Oettingen, Alexander

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515 Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 20. 516

weg, der eigentlich wiffenfchaftliche Charakter fehlt ihr. j ohne den Gegenfatz des römifchen nicht verftändlich
Deshalb möchte ich fie auch nicht in den Händen von j fei. Einmal fetzt die Symbolik durchweg die Dogmen-
Studierenden der Theologie fehen, denn für diefe ge- | gefchichte voraus und dann würde andererfeits zum

Verbtändnifs der tridentinifchen Lehrform die Kenntnifs
des evangelifchen Dogmas gehören.

Nach den grofsen Kirchen behandelt der Verf. die
kleineren Kirchenparteien, und da wird man wieder über

nügt fie in keiner Weife. Sie bietet faft keine Quellenbelege
, berührt die Hauptfchwierigkeiten kaum und führt
über die, welche fie berührt, zu leicht hinweg. Der
Abfchnitt in ^ 5 über die Entflehung des apoftolifchcn

Symbols ift fehr ungenügend. Ebenfo $ 6 über das die Auswahl mit ihm zu rechten haben. Die Socinianer,
nicänifch-konftantinopolitanifche Symbol, trotzdem dafs j die einft Plank als die Vorläufer des zu feiner Zeit
hier, was überhaupt zu fehr gefchieht, viel dogmenge- | herrfchenden Rationalismus den vorgenannten Kirchen
fchichtlich.es Material herbeigezogen ift. Die Kritik ! zur Seite Hellte, läfst er ganz aus, obwohl die von ihnen
des Athanafianums in § 7 ift mangelhaft. In $ 50 und ; ausgehenden Unitarier in England und befonders in
51, dem Abfchnitt über die Entftehung der lutherifchen j Amerika doch noch ziemlich Stark vertreten find. Da-
Symbole finden fich viele kleine Ungenauigkeiten; 73 gegen behandelt er neben den Mennoniten, Baptiftcn
von den Sacramenten ift unklar und z. Th. unrichtig; : und Quäkern, den Irvingianern und Darbiften auch die
in § 76 ift die Kritik wenig treffend, was auch durch Vereinigungen Guftav Werner's und der Jerufalemsfreunde
$ 92 nicht wefentlich gebeffert wird. Derartiges rnufs oder den deutfehen Tempel von Chriftoph Hoffmann.

man Studierenden nicht bieten. Man bringt fie damit
nur in Verfuchung und verleitet fie, es fich mit der
Arbeit leichter zu machen, als dem Ernft der Sache

Das ift denn doch etwas ftark gemacht in fchwäbifchem
Patriotismus! Ebenfo wird man es kaum billigen können,
dafs in einer Symbolik Pietismus und Methodismus

und des Studiums artgemeffen ift. Alfo fern von den | zu befonderer Darfteilung kommen. Sie gehören in die
Theologen! Dagegen wird das Buch in nichttheologifchen j Kirchengefchichte, aber hierher meines Erachtens nicht.
Kreifen Manchem einen erwünfehten Dienft leiften, indem i — Auch in der Durchführung der einzelnen Lehrfyfteme
es, frifch und mit Ueberzeugungsfreudigkeit gefchrieben, hätte ich manches zu beanftanden; fo feheint mir befon-
über die Unterfchiede der verfchiedenen Kirchen ziem- ( ders die des römifchen nicht ganz glücklich zu fein,
lieh orientirt. Freilich glaube ich, dafs es für diefe Kreife Aber ich bin ohnehin wohl fchon weitläufiger geworden,
ftellenweife etwas zu viel vorausfetzt und an Deutlichkeit | als nach dem Profpecte diefes Blattes angemeffen ift,
z. B. von der leider nicht vollendeten populären Sym- | wenn man Anderen nicht den Raum wegnehmen will,
bolik von Karften übertroffen wird. ' Erlangen. G. Plitt.

Der Verl, vertheilt den Stoff fo, dafs er nach Be-
fprechung der alten fog. ökumenifchen Symbole als des
gemeinfamen Stammes die im Symbol fixirte Lehre der
einzelnen Kirchen oder Kirchenparteien je als Ganzes
nach einander behandelt. Das ift unzweifelhaft das
richtige Verfahren. Die frühere Localmethode follte
man endlich ganz aufgeben. Dadurch reifst man Zusammengehöriges
auseinander, bekommt keinen wirklichen
Einblick in das Ganze eines kirchlichen Lehrfyftems und

Kahnis, Domh. Prof. Dr. Karl Fr. Aug., Die lutherische

Dogmatik hiftorifch-genetifeh dargestellt. 2. umgearbeitete
Auflage in 2 Bänden. Leipzig 1874—75,
Dörffling & Franke. (X, 518 u. V, 530 S. gr. 8.)
M. 18. —

In etwa fechs Jahren nach dem Erfcheinen des letzten
kann auch nicht einmal die einzelnen Theile ordentlich dritten) Bandes erfter Auflage (1868) ift von dem oben
mit einander vergleichen. Denn ein rechtes Vergleichen genannten umfangreichen Werk eine zweite Auflage
und billiges Beurtheilen ift erft möglich, wenn man das I nothwendig geworden. Und in der That ift diefelbe eine
Einzelne im Zufammenhange mit dem Ganzen, wozu es ! durch und durch ,umgcarbeitete', wenn auch der Standais
Glied gehört, gefehen und verftanden hat. J punkt des geehrten Verfaffers, wie das bei einem folchen
Hierin ftimme ich dem Verf. alfo vollkommen bei; ; theologifchen Charakter nichts anders zu erwarten war,
nicht fo in der Reihenfolge, die er gewählt hat. Er be- j in allem Wefentlichen derfelbe geblieben ift. Selbft die
ginnt mit dem römifchen Katholicismus, läfst dann in j fo vielfach von der Kritik angefochtene ,hiftorifch-gene-
freilich viel zu dürftiger Behandlung den griechifchen | tifche' Methode, die er befolgt, hat er nicht verändern
folgen, giebt hierauf die Lehre der lutherifchen, darnach wollen. Er weift darauf hin, dafs die rein hiftorifche
die der reformirten Kirche und macht den Schlufs mit ! Behandlung der lutherifchen Dogmatik gerade in unferem
den kleinen Kirchenparteien. Es ift ja freilich üblich, j Jahrhundert als ein dringendes Bedürfnifs fich erwiefen
mit der römifchen Lehre anzufangen; aber ich fehe in j und dafs die Vcrfuche zur Befriedigung desfelben (durch
der That nicht ein, aus welchem Grunde man das thut Hase, De Wette, Biedermann, Schmid, Luthardt etc.) An-
und mit welchem Rechte. Etwa weil die Kirche von ' klang gefunden haben.

Rom felbft ftch für die Kirche ausgiebt oder weil fie j Aber nicht die rein hiftorifche (objective) Repro-
behauptet, die allein richtige Fortfetzung der alten Kirche I duetion des dogmatifchen (refp. dogmenhiftorifchen und
zu fein? Solche Anmafsung werden Proteftanten doch biblifch-theologifchen) Stoffes macht er fich zur Aufgabe,
in keiner Weife anerkennen wollen. Die Symbolik ift ; Der eigentliche Zweck der ,hiftorifch-genetifchen' Me-
eine gefchichtliche Disciplin; die hiftorifchen Gefichts- thode fei es: ,die Entftehung der lutherifchen Glaubenspunkte
find alfo in ihr die mafsgebenden. Nun ift That- ; lehre aus dem religiöfcn Geifte, der Offenbarung und dem
fache, dafs die evangelifchen Kirchen zuerft ihre Be- ! Kirchenglauben fo darzuftellen, dafs in dem gefchicht-
kenntnifse aufgeftellt haben. Sie werden alfo auch hier liehen Werden das Werden der Wahrheit nach-
voranzustellen fein. Dazu kommt für uns Evangelifche der gewiefen werde'.

fachliche Grund, dafs wir in diefen Bekenntnifsen die Bei der erften Auflage waltete das Stoffliche Intereffe

richtige Wiederaufnahme der alten ökumenifchen Sym- derart vor, dafs zuerft (Bd. I. 1861) die ,Gefchichte der
bole und die reinfte Fortbildung derfelben fehen. ! lutherifchen Dogmatik, die allgemein religiöTen und die
Das ältefte von allen in der Reformationszeit entftan-
denen und zur Geltung gelangten Bekenntnifsen ift die
Auguftana, das Grundbekenntnifs der lutherifchen Kirche.
Aus diefem Grunde und als lutherifcher Theologe würde
ich in der Symbolik mit der lutherifchen Kirchenlehre
beginnen, die reformirte folgen laffen und dann zur
römifchen und zur griechifchen übergehen. Man wende
nicht ein, dafs das evangelifche Dogma in feiner Faffung

biblifchen Grundlagen' entwickelt, im zweiten Theile (1864
der ,Kirchcnglaube' dogmengefchichtlich dargestellt und
erft im dritten Bande (1868) das ,Syftem' ausgeführt wurde.
Kahnis glaubt noch jetzt, dafs ,diefer analytifche Weg,
der von der Erfahrungseinheit der lutherifchen Dogmatik
ausgehe, um die Momente derfelben: allgemeiner Glaube,
Schriftglaube, Kirchcnglaube — zuletzt fyftematifch in
die Begriffseinheit zufammenzufaffen' feine eigenthümlichen